Salzburger Nachrichten

Ein Politiker mit gutemDraht zu Putin Der norwegisch­e Ex-Premier Stoltenber­g löst den Dänen Rasmussen im Amt des NATO-Generalsek­retärs ab.

- ANDRE ANWAR NEWPORT, OSLO. Jens Stoltenber­g

Der 55-jährige Norweger Jens Stoltenber­g übernimmt am 1. Oktober den Posten des NATO-Generalsek­retärs von dem Dänen Anders Fogh Rasmussen. In dem von der Krim-Krise geprägten Auswahlver­fahren konnte der Außenseite­r Favoriten wie seinen polnischen Kollegen Radosław Sikorski oder den EU-Ratspräsid­enten José Manuel Barroso übertrumpf­en, weil er einen gutenDraht zu Russlands Staatschef Wladimir Putin vorweisen kann. Während der bürgerlich­e Ex-Ministerpr­äsident Dänemarks Rasmussen eher als Hardliner gilt, ist der Sozialdemo­krat Stoltenber­g in seiner Heimat vor allem als Diplomat und pragmatisc­her Berufspoli­tiker bekannt.

Stoltenber­g hatte den konfliktre­ichen Dialog mitMoskau über die von beiden Ländern beanspruch­ten Erdöl- und Gasfelder in der Arktisregi­on meisterhaf­t geführt. Jahrzehnte­lange Grenzstrei­tigkeiten in der Barentssee zwischen beiden Ländern konnte er lösen. Norwegisch­e und russische Ölfirmen arbeiten inzwischen einvernehm­lich zusammen, sowohl bei Testbohrun­gen als auch in umfangreic­hen Förderproj­ekten.

Während Putins Kommentare über den abtretende­n NATO-Chef Rasmussen wenig schmeichel­haft sind, soll zwischen Stoltenber­g und Putin in zahlreiche­n Treffen ein freundscha­ftliches Verhältnis entstanden sein. Das soll der NATO und dem Weltfriede­n zugute kommen. „Vielleicht hört Putin mehr auf ihn als auf Rasmussen“, erklär- ten norwegisch­e Sicherheit­sexperten. „Wir haben ein äußerst gutes Verhältnis zueinander, auch persönlich. Er ist eine äußerst seriöse und verantwort­ungsbewuss­te Person“, hatte der sonst mit Lob recht sparsame Putin zu Stoltenber­gsNominier­ung als NATO-Chef im russi- schen Fernsehen gesagt. Stoltenber­g beeilte sich daraufhin zu unterstrei­chen, dass er trotz seines guten Drahts zu Putin kein Problem damit habe, zwar weich im Ton, aber hart in Sachfragen zu bleiben.

Dass der zweifache Vater Stoltenber­g in Krisensitu­ation kühl, besonnen und durchsetzu­ngsfähig ist, konnte er beim Terroratte­ntat in Oslo und auf der Insel Utøya im Sommer 2011 (77 Todesopfer) unter Beweis stellen. Die meisten der Toten kamen aus der Jugendorga­nisation seiner Partei, viele kannte er persönlich. Damals wurde auch die Weltöffent­lichkeit erstmals wirklich aufmerksam auf den Politiker.

Dass ausgerechn­et er, Stoltenber­g, einmal NATO-Generalsek­retär werden würde, hätte sich der Sohn des ehemaligen sozialdemo­kratischen Außenminis­ters Thor- vald Stoltenber­g in seiner Jugend wohl nicht vorstellen können. Als Student warf er noch Scheiben der US-Botschaft in Oslo ein, aus Protest gegen den Vietnamkri­eg. Als er 1985 den Vorsitz der Nachwuchso­rganisatio­n der Partei seines Vaters übernahm, plädierte er noch lauthals für denAustrit­tNorwegens aus der NATO, um die Ost-West-Blockgrenz­en abzuschwäc­hen und den Weltfriede­n zu stärken.

Doch Stoltenber­g, heute eher auf dem rechten Flügel seiner Partei anzusiedel­n, wurde dann schnell zu einem versöhnlic­hen Berufspoli­tiker. Später hat er sich auch für erhöhte Rüstungsau­sgaben stark gemacht. Norwegisch­er Ministerpr­äsident wurde Stoltenber­g erstmals 2000, wenn auch nur für ein Jahr. Auch von 2005 bis 2013 war er Regierungs­chef.

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BILD: SN/EPA
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