Otto SchenksHeimkehr in Schnitzlers „Liebelei“
Die neue Wiener Theatersaison begann am Donnerstag mit gemischten Gefühlen. Am Nachmittag galt es, Abschied zu nehmen von einem Großen der Bühne: Im Burgtheater fand die Trauerfeier für den Schauspieler Gert Voss statt. AmAbend dannwar eine Heimkehr zu feiern. Im Theater in der Josefstadt spielt der 84-jährige Publikumsliebling Otto Schenk denWeiring in Schnitzlers „Liebelei“. Den Saisonstart inszenierte Alexandra Liedtke.
Otto Schenk reüssiert in der Rolle des Vaters, der in einer Atmosphäre der Gefühlskälte und Selbstzufriedenheit einen Menschen zeigt, der zuhört und vertraut, akzeptiert und versteht. Mit ihm und auch mit Florian Teichtmeister als wohlhabendem Studenten Fritz gewinnt die Inszenierung an Kraft und Lebendigkeit, beide fächern die vielfäl- tigen Facetten der Schnitzler’schen Charaktere auf, die ja von ambivalenten Gefühle getrieben sind.
Umso bedauerlicher ist es, dass die Regisseurin die Frauen nur klischeehaft zeichnet. Damit inszeniert sie geradezu an Schnitzler vorbei, der die gesellschaftlichen Dimensionen und das Zusammenspiel der zwischenmenschlichen Beziehungen imFokus hat.
Alma Hasun als klassisch süßes Mädel Christine wie auch Eva Mayer als ihre Freundin Mizi sind nur hübscher Aufputz zwischen katholischem Anstandsverständnis und sexueller Freizügigkeit. Während die jungen Männer – neben Fritz auch Theodor (Matthias Franz Stein) – vor Selbstgerechtigkeit nur so strotzen, ist bei den Frauen von Aufbruch und Unabhängigkeitsbestreben nichts spüren.
Dass Alexandra Liedtke in ihrer Regiearbeit nichts aus den Figuren macht, sondern diese nur schlicht als entzückend naive Backfische zeigt, ist schade und rätselhaft, bietet doch die elegant gestaltete Bühne von Raimund OrfeoVoigt schöne Möglichkeiten und durchlässigen Raum für mehr als nur romantische Vorstellungen von aufkeimender Liebe und zerstörerischem Begehren.
Am Ende bleibt der betagte Otto Schenk als liebenswürdiger, aber gebrochener Vater Weiring allein. In seiner Rolle findet er sich mit der unausweichlichen Gewissheit mit den Worten ab: „Sie kommt nicht mehr.“
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