Schwacher Euro? Starker Dollar!
Mit ihrer Flutung der Geldmärkte sorgt die Europäische Zentralbank für eine Schwächung des Euros. Was früher Sorge weckte, ist im aktuellen Umfeld willkommen. Der Trend sollte halten – aber fix ist das nicht.
Außer der unmittelbaren Wirkung auf die Liquiditätsversorgung der europäischen Wirtschaft haben die am Donnerstag beschlossenen Maßnahmen der Europäischen Zentralbank (EZB) auch kräftige Auswirkungen auf den Wert des Euros gegenüber anderenWährungen. So wirkt sich die überraschende Senkung der Leitzinsen um0,1 Prozentpunkte auf praktisch null (0,05 Prozent) „über die Bande“ein zweites Mal aus. Denn die Senkung der Zinsen ist de facto eine Abwertung des Euros gegenüber anderenWährungen.
Die Reaktion an den Devisenmärkten kam prompt und deutlich. Noch am Donnerstag durchbrach der Euro die wichtige Marke von 1,30 und fiel auf das 14-Monats-Tief von 1,2921. Auch am Freitag hielt sich der Euro unter der Marke von 1,30, der EZB-Richtkurs von 1,2948 lag um 6,11 Prozent unter dem Ultimo 2013 (bei 1,3791). Das ist der vorläufige Tiefpunkt im jüngsten Abwärtstrend der Gemeinschaftswährung. Noch im Mai schien derTrend in die andere Richtung zu gehen, da kratzte der Dollar noch an der Marke von 1,40 zum Euro und notierte auf dem höchsten Wert seit Herbst 2010. Anders als noch vor wenigen Jahren wird die relative Euroschwäche diesmal einhellig begrüßt. Nicht nur in der Hoffnung, dass die historisch tiefen Zinsen die Konjunktur beleben und gleichzeitig einer befürchteten Deflation Einhalt gebieten sollen. Laut NationalbankGouverneur Ewald Nowotny ist die Euroschwäche durchaus beabsichtigt – darin sehen manche eine Abkehr der bisherigen Politik der Zentralbank, mit ihrer Zinspolitik keinWechselkursziel zu verfolgen.
Der schwächere Euro ist vor allem eine guteNachricht für Europas Exporteure, denn damit werden Waren „made in Euroland“für Käufer aus anderen Währungsräumen wie den USA billiger. Das sollte sich insbesondere positiv auf Konsumgüter wie Autos auswirken, ebenso auf deren Zulieferbetriebe oder auch auf Maschinenbauer.
DieWirkung auf den Außenhandel ist nur eine Seite der Medaille, ähnliche Auswirkungen wird es bei den Anlagen geben. Veranlagungen im Dollarraum sind derzeit wegen der vergleichsweise höheren Zinsen nämlich attraktiver als im Eurogebiet. Steigende Kapitalabflüsse in den Dollarraum dürften somit weiter für einen vergleichsweise tiefen Eurokurs sorgen.
Das ist nach Ansicht von Experten keineswegs nur eine Momentaufnahme, sondern ein langfristi- ger Trend. Raiffeisen-Chefanalyst Peter Brezinschek sieht den Wechselkurs zwischen Euro und Dollar im nächsten Jahr in einer Bandbreite zwischen 1,30 und 1,20 pendeln. Auch Finanzanalyst Alfred Reisenberger von der Valartis Bank hält die Marke von 1,20 für erreichbar, allerdings nicht mehr in diesem Jahr. Eine recht präzise Prognose liefert ErsteChefanalyst Friedrich Mostböck, der den Dollar zur Jahresmitte 2015 bei der Marke von 1,24 erwartet. Daran, dass in absehbarer Zeit auch wieder ein ausgeglichenes Verhältnis von 1:1 zwischen den beiden großen Weltwährungen möglich ist, glaubt er – anders als etwa das Investmenthaus Goldman Sachs – nicht. Die sogenannteWährungsparität ist für Mostböck „nicht mehr als eine Hausnummer“, die Diskussion darüber nicht mehr als „theoretisches Geplänkel, weil sich die Volkswirtschaften dahinter ständig verändern“.
Bank-Austria-Chefvolkswirt Stefan Bruckbauer sieht auf Sicht von zwei Jahren überhaupt wieder einen gegenläufigen Trend in Richtung einer Abschwächung des Dollars. Grund dafür seien „fundamentale Geldströme nach Europa, eine Rückbewegung nach den Abflüssen während der Eurokrise“. Die jüngste Flutung der Geldmärkte durch die EZB habe diese Gegenbewegung vorerst einmal nur gestoppt.
Wichtiger als die kurzfristigen Veränderungen sind bei Wechselkursen aber die langfristigen Bewegungen. „Entscheidend ist der Durchschnitt, den wir erzielen können“, sagt ein Marktteilnehmer, es geht also um einen stabilen Trend über Monate. Das heißt, der Euro müsste auch im vierten Quartal im Durchschnitt zum Dollar verlieren, – mit einem Kurs von 1,30 nach 1,36 und 1,34 in den Vorquartalen.
Welche Kraft ist imWechselspiel der Währungen nun die langfristig stärkere, die Stärke des Dollars oder die Euroschwäche? Für Analyst Reisenberger ist der Fall klar. „Bis Donnerstag war es ganz klar der schwache Euro. Aber ab jetzt wird es der starke Dollar sein, weil der EZB kein Spielraummehr geblieben ist.“