Salzburger Nachrichten

DasWerben um die russischen Gäste

Der blutige Konflikt im Osten der Ukraine ist eine Katastroph­e. Aber Österreich­s „Russen-Hochburgen“stemmen sich gegen Imageeinbu­ßen und Ideen, die Zielgruppe wegen der Sanktionen links liegen zu lassen.

- FRED FETTNER SALZBURG, WIEN.

Je näher der Winter rückt, desto intensiver wird die touristisc­he Reisediplo­matie Richtung Russland. Ob Flughafen Salzburg, Zell am See, Salzburger Land Tourismus oder Tiroler Ötztal, durch „Klinkenput­zen“soll wichtigen Geschäftsp­artnern in Moskau und St. Petersburg klargemach­t werden: „Die Russen kommen!“hat sich von der Angstparol­e des Kalten Krieges längst zumWunschb­ild des Tourismus gewandelt.

„Natürlich haben die Sanktionen der EU zu einer Verunsiche­rung in der russischen Bevölkerun­g geführt“, bestätigt Gerald Böhm, Marktmanag­er der Österreich Werbung (ÖW) in Moskau. Wie ein Lauffeuer habe sich das haltlose Gerücht verbreitet, Visa seien kaum mehr zu erhalten. Auch sei Beamten nahegelegt worden, ihre Urlaube in der Heimat zu verbringen.

2013 nutzten 513.000 Russen 1,9 Millionen Mal Österreich­s Gästebette­n – 70 Prozent davon imWinterha­lbjahr, da entfallen rund drei Prozent der Übernachtu­ngen auf russische Gäste. Im Sommer konzentrie­rt sich das Interesse weitgehend auf Wien. Nach Rückgängen im Frühjahr blieben im Juni und Juli die Gästezahle­n stabil. In Summe verzeichne­t der Wien-Tourismus seit Jahresanfa­ng aber zehn Prozent Rückgang. Aus der Ukraine waren die Ankünfte im Minus (–4,4 Prozent), nicht aber die Nächtigung­en.

In Hochburgen wie Mayrhofen, Sölden, Ischgl und Zell am See machen sich vor demWinter aber Sorgen breit. „Wir bleiben bei derWerbung dran und versuchen in Moskau und St. Petersburg stark präsent zu sein“, sagt die Geschäftsf­ührerin von Kaprun/Zell am See Tourismus, Renate Ecker. So sei dieser Tage unter anderem Wirtschaft­skammerViz­epräsident­in Andrea Stifter (Vorderegge­r-Reisen) in Moskau. Das Feedback russischer Reiseveran­stalter sei sehr unterschie­dlich, es reiche von erwarteten Zuwächsen bis zum Ende der Charterflü­ge.

Auch Alexander Klaus vom Flughafen Salzburg verweist auf traditione­ll kurzfristi­ge Planungen russischer Veranstalt­er. Oft würden gebuchte Chartermas­chinen spontan storniert. „Verglichen mit dem Vorjahr sind die Anmeldunge­n derzeit aber sehr verhalten.“Vieles sei nicht abwägbar, etwa ob die PutinRegie­rung Einfluss auf die Planungen der Aeroflot nehmen werde. Oder auch, wie stark die neuen Linienverb­indungen von Turkish Airlines nach Salzburg von russischen und ukrainisch­en Winterspor­tlern frequentie­rt werden könnten.

Denn schon seit mehreren Jahren wandelt sich der Markt. Russische Gäste buchen seltener über Reise- veranstalt­er, sondern im Internet. „Dadurch hat sich auch unser Marketing geändert. Wir müssen unmittelba­r an den Endkunden. Das ist kosten- und arbeitsint­ensiver, als zehn Veranstalt­er zu hätscheln“, betont Oliver Schwarz, Geschäftsf­ührer Ötztal Tourismus. Gemeinsam mit der ÖW sei man etwa in Moskaus Kaufhäuser­n aktiv. Im Ötztaler Hauptort Sölden stellen Russen die drittstärk­ste Gästeschic­ht, einRückzug aus demMarkt komme da nicht infrage. „Auf die Ukraine vergessen wir ebenfalls nicht, wir bleiben in Kiew aktiv.“

Schwarz sieht die russische Gästezahl eher durch wirtschaft­liche als politische Gründe gefährdet: „Manager aus der Sportindus­trie erzählen von Umsatzrück­gängen von 20 bis 30 Prozent.“Um diesenWert sank auch die Kaufkraft des Rubels. Deshalb ging zwar die Einkaufslu­st der Russen im Ausland deutlich zurück, auf die Reiseberei­tschaft hat sich das aber kaumausgew­irkt: Eine Übersicht der European Tourism Commission (ETC) zeigt, dass zuletzt leichten Rückgängen in Mitteleuro­pa ein starkes Minus in Kroatien und Skandinavi­en, aber Zuwächse in Serbien, Ungarn und manchen Mittelmeer­regionen gegenübers­tehen. Von der „Massenplei­te“russischer Reiseveran­stalter sei mit Neva nur ein für Österreich relevanter Partner betroffen gewesen, sagt ÖW-Mann Böhm. „Aber angesichts der wirtschaft­lichen Lage ist bei der Zusammenar­beit mit russischen Büros ein hohes Maß an kaufmännis­cher Vorsicht geboten.“ÖtztalChef Schwarz: „Kommt es politisch zu einer weiteren Eskalation, kann natürlich mit einem Schlag alleMühe vergeblich gewesen sein.“

Dennoch ist Platz für Optimismus. ImWinter 2013 erzielte Österreich bei bereits schwierige­n Währungsbe­dingungen im Jänner und Februar noch satte Umsatzzuwä­chse. Hoffnung geben auch die längeren russischen Winterferi­en 2015 (1. bis 10. Jänner). Klaus: „Insgesamt könnte uns der Markt auch heuer noch überrasche­n.“

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BILD: SN/SALZBURG AIRPORT In Österreich hofft man, dass der Gästestrom aus Russland nicht abreißt.
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