Europa ist eine fixe Kraft im All
Vor 50 Jahren begannen die Europäer das All zu erobern. Sie waren später dran als Amerikaner und Russen. Dennoch sind die Verdienste des alten Kontinents beachtlich. Österreich hat viel dazu beigetragen.
Unlängst wurden kiloweise Kaffee auf die Internationale Raumstation ISS gebracht. Es war der europäische Raumtransporter „Georges Lemaître“, der am Außenposten der Menschheit festgemacht hatte. An Bord hatte er fast sieben Tonnen an Lebensmitteln, Hausrat und Ausrüstung für wissenschaftliche Zwecke. So ein unbemannter Versorgungsflug zur ISS ist längst Routine geworden. Die Menschen haben das All – zumindest in allernächster Umgebung – zu ihrer erweiterten Wohn- und Studierstube gemacht.
Und die Europäer haben dort längst einen fixen Platz. Vor 50 Jahren wurde die Europäische Raumfahrtagentur mit Sitz in Paris gegründet. Sie geht aus den Vorläuferorganisationen Eldo und Esro (European Launcher Development Organisation und European Space Research Organisation) hervor. Heute steht das europäische Unternehmen unschlagbar an erster Stelle, wenn esumtechnischesKnow-how geht. Und das trotz aller Rückschläge wie zuletzt der, als die beiden sündhaft teuren Navigationssatelliten für „Galileo“mit einer defekten Sojusrakete in eine zu niedrige Umlaufbahnumdie Erde gebrachtworden waren und seither nutzlos durchs All trudeln.
Apropos Sojus. Ohne die Kooperation mit den Russen und deren äußerst zuverlässigen, weil robusten Raketen hätte die europäische Raumfahrt nicht so erfolgreich starten können. Auch wenn der letzte Unfall mit den „Galileo“-Satelliten dagegen spricht. Und: Es sind wesentliche österreichische Beiträge, die die Raumfahrt sicherer und verlässlicher gemacht haben.
Österreichs erste und bisher einzige bemannte Weltraummission war die gemeinsam mit der Sowjetunion durchgeführte Austromir 1991. DerWissenschaftskosmonaut Franz Viehböck hielt sich sechs Tage lang in der russischen Raumstation MIR auf. An Austromir 91 waren 20 Universitätsinstitute, Kliniken und rund 30 Firmen beteiligt. Es wurden 15 wissenschaftliche Experimente aus den Gebieten Weltraummedizin, Physik und Welt-
DerMenschheitstraum von der Besiedelung des Universums ist längst nicht ausgeträumt.
Menschheitstraum aus dem 3D-Drucker Eine Besiedelung von Mond und Mars ist in Planung
Die Europäische Weltraumorganisation ESA hat eine Landung mit Astronauten auf dem Mond sowie auf dem Mars im Blick. „Mit Menschen haben wir mehr Möglichkeiten als mit Robotern, auf die Bedingungen vor Ort einzugehen.“Das sagte vor Kurzem Thomas Reiter, ESA-Direktor für bemannte Raumfahrt und Missionsbetrieb unlängst anlässlich der 50-Jahr-Feier der ESA.
Eine Landung auf dem Mond könnte schon Mitte des nächsten Jahrzehnts möglich sein, auf dem Mars etwas später. Die ESAIngenieure schließen nicht aus, dass in ferner Zukunft eine Mondstation aus dem 3D-Dru-
UnbemannteMondfähre.
cker stammen könnte. Dazu kooperieren die Forscher mit der Industrie, unter anderem dem Architekturbüro Foster + Partners, das für die Glaskuppel auf dem Reichstag verantwortlich war. Die Forscher wollen existierende Verfahren zum Gebäudebau per 3D-Druck für Bauten auf demMond anpassen.
Einige Probleme müssten aber noch gelöst werden, räumt die ESA ein. Das Druckverfahren funktioniert derzeit am besten bei Raumtemperatur. Die Mondoberfläche ist aber von enormen Temperaturschwankungen geprägt. Die besten Verhältnisse würden deswegen wohl die Pole des Mondes bieten.
An der ESA sind 20 Mitgliedsstaaten beteiligt. Das Jahresbudget beträgt rund vier Milliarden Euro. Hauptsitz ist Paris. An den unterschiedlichen Standorten sind mehr als 2200 Mitarbeiter beschäftigt.
raumtechnologie erfolgreich durchgeführt. Der österreichische Wissenschaftsastronaut der Reservemannschaft war der Arzt Clemens Lothaller.
Doch die österreichische Erfolgsgeschichte begann schon früher. Bereits 1961 war Österreich am Komitee zur Vorbereitung der Schaffung der Europäischen Raumfahrtagentur (COPERS) beteiligt. Seit 1969 arbeitet das Institut für Nachrichtentechnik und Wellenausbreitung der Technischen Universität Graz an Entwicklung und Bau von Instrumenten für die Erforschung desWeltalls und zur Satellitenkommunikation. Das Weltrauminstitut der Österreichischen Akademie der Wissenschaften wurde 1970 gegründet, die Austrian Space Agency 1972. Von Anfang an hat sich Österreich also dazu entschlossen, in Weltraumangelegenheiten aktiv zu sein. Diese Entscheidung hat die Entwicklung der Österreichischen Raumfahrttechnologie, Raumfahrtindustrie und Weltraumforschung gefördert. Auf diese Weise wurden viele Arbeitsplätze geschaffen. Derzeit sind 50 österreichische Unternehmen in der Luft- und Raumfahrttechnik tätig. Das Spektrum der in Österreich entwickelten Technologien ist mittlerweile groß. Es umfasst Werkstoffe, Transportsysteme und zum Beispiel die Tieftemperaturtreibstoffleitungen für die europäische Trägerrakete „Ariane 5“. Für Satelliten wurden Computerprogramme und Mechanismen erfunden, ebenso sind Österreicher Isolierspezialisten und liefern schon seit Jahren entsprechendes Know-how, wenn es um exakte Datenverarbeitung geht. ObNavigation oder bei Katastrophenwarnungen, im Umweltschutz oder auch bei der Terrorfahndung – in etlichen Lebensbereichen benötigt man heute schnelle und präzise Informationen, die nur Satelliten liefern können.
„Georges Lemaître“, benannt nach dem belgischen Astrophysiker und Begründer der Urknalltheorie, brachte den Astronauten auf der ISS übrigens zuletzt auch Käsespätzle. Made in Europe. Früherwar es Astronautennahrung aus der Tube. Made in den USA. So ändern sich die Zeiten. Auch im All.