DasWasser von Zaghouan
Hitze und Schärfe
eines tunesischen Nachmittags werden auf
dem Biobauernhof Dar Zaghouane von erstaunlich frischem
Wasser gelöscht.
Ein grüner Fleck saugt uns von der Schotterpiste. Es ist ein Grün, wie es die Sonne nach einem Gewitter in alpinen Tälern auf Wiesen malt. Satt und fett. In Tunesien überrascht solche Sattheit. Zwar streckt die Sahara ihre gierigen Finger weit nach Norden aus, aber um das Städtchen Zaghouan lässt es sich ihr leichter trotzen als an anderen Stellen des Landes.
Madame e Monsieur Zerebi tun das seit Jahren. Vornamen scheinen die beiden nicht zu haben, dafür aber Anziehungskraft, eine Natürlichkeit im Umgang mit Menschen, eine Selbstverständlichkeit im Nutzen der Natur. Ein Stückchen Land gehört ihnen. Und darauf ein kleiner Hof, weit und breit der einzige, der Gäste aufnimmt. Und in ganz Tunesien wird man schwer einen zweiten finden, der ökologischen Anbau betreibt – von Olivenbäumen über ein Kräuteruniversum bis zu Ostbäumen, eine artgerechte Tierhaltung unter anderem von Kühen, Pferden, Straußen, Pfauen und Hühnern –, und wo vor allem solch frisches Wasser angeboten wird. Der Garten der kleinen Pension reißt die Gäste aus der sonstigen Kargheit des Landes. Und die Kühle der Zimmer reißt einen wohltuend aus der staubigen Hitze der Straßen. Selbst die Einheimischen schwitzen hier. Aber das Wasser rinnt kalt aus dem Boden. Die Zerebis füllen damit nicht nur schwere Tonkrüge. Sie füllen auch zwei Pools. Dauernd plätschert es erfrischend.
Seloua wischt den Schweiß von der Stirn. Sie nutzt diese Voraussetzungen für ein üppiges Mahl. Kleine Spieße. Dicke Salate. Berge von Gemüse. Und Berberbrot, pain tabouna. Seloua backte es im Garten zwischen den Olivenbäumen in gemauerten Bottichen. Darin macht sie zuvor Feuer. Selouas Finger greifen flink. Sie trennt mühelos Holzstückchen und Rinde von den sonnengegerbten Strauchblättern, die sofort verglühen. Seloua braucht stetige Hitze. Eine Hand trennt das Brennmaterial, die andere wendet geschmeidig eine Teigflade, daumendick und handgroß.
Seloua lebt wie rund 16.000 andere in Zaghouan. Zaghouan bietet nicht viel als die relative Nähe zur Hauptstadt Tunis. Dorthin, die paar Kilometer in den Norden, pendeln die meisten Bewohner. Seloua muss nicht so weit, seit sie Küchenchefin ist in Dar Zaghouane. Und was es gibt, wird mit Großzügigkeit aufgetragen. Eine Großzügigkeit, die nur ein Magen bewältigt, der einen Körper zu versorgen hat, der sich bewegt. Möglichkeiten gibt es genug.
Mountainbiken gehört dazu. Voraussetzungen sind Abenteuerlust, Hitzebeständigkeit und Orientierungssinn. Oder ein GPSGerät, das in der kargen Pampa dann zwar Daten vom Himmel liefert, aber keine Karten erkennt, auf denen es einen Heimweg suchen kann. Die hügelige Gegend um Zaghouane lockt mit topografischen Abwechslungen. Und sie lockt damit, dass im Gegensatz zu anderen, nahen Landstrichen dieser hier trocken sein mag, aber nicht vom Verdursten bedroht ist.
Die Hänge des Bergmassivs Djebel Zaghouan sind wasserreich und windig. Im Winter, so erzählt Seloua, kann es hier auch schneien. Sie hat das zwar erst ein Mal erlebt, aber die Alten sahen schon öfter Schnee. Seloua wird Ende 20, Anfang 30 sein. Nach dem Alter zu fragen schickt sich nicht. Nirgendwo. Und schon gar nicht, während eine arabische Frau in der Hitze des nordafrikanischen Mittags schuftet, um das Essen für eine paar überhitzte Europäer zu bereiten. Sie klatscht die Teigfladen an die heißen Innenwände der offenen Bottiche. Ein paar Minuten später darf man kosten und muss aufpassen, dass man sich nicht den Gaumen verbrennt.
Auf der Facebook-Seite von Dar Zaghouane kann man den letzten Schnee sehen, 2012 lag er. Da war vom 1295 Meter hohen Djebel Zaghouan, sonst Wächter über die Gegend, der Gipfel verschwunden. Oben auf dem Berg war Seloua noch nie. „Die Berge sind steil und schroff. Der Stein glüht“, sagt sie. Das liege daran, dass die Steine des Massivs ihren kühlenden Schatz dem Land spendeten. Es plätschert im Überfluss. Teile des Aquädukts, das schon die Römer errichteten, lassen sich in der Nähe noch anschauen. Über die Leitung wurde Karthago, etwa 60 Kilometer entfernt, versorgt. Die Zerebis schaffen mit dem Wasser eine Grasfläche um ihren Hof, deren Grün im fahlen Gelbgrau der Umgebung wie ein Magnet wirkt. Das Wasser ist kalt, spült den Staub der Straße weg – und schließlich auch jede Schärfe. Denn wenn Seloua auftischt, kehrt die Hitze zurück.
Ihre Harissa de maison brennt scharf, ohne Eigengeschmack einzubüßen. Nirgends wird die maghrebinische Gewürzpaste aus Chilis, Kreuzkümmel, Koriandersamen, Knoblauch, Salz und Olivenöl schärfer zubereitet als in Tunesien, heißt es. In der Laube von Dar Zaghouane muss das glauben, wer halbwegs ein Gespür und Mut hat. Und zum Löschen gibt es genug Wasser.