Salzburger Nachrichten

Augenschma­us, Gaumenfreu­den

Nur 207 Kilometer ab Porto bis zur spanischen Grenze und wieder retour.

- CHRISTIANE REITSHAMME­R

Am Douro, im Tal des

Portweins, dauert eine Kreuzfahrt aber zumindest

eine Woche. Genuss zu Land und zu Wasser bedarf Zeit. Und manchmal fällt es schwer, das Schiff zu

verlassen.

So ruhig der Douro daliegt, so gemächlich spielt sich auch das Leben an Bord der „MS Fernao de Magalhaes“(„MS Magellan“) ab. Es läuft einem nichts davon – sofern man nur rechtzeiti­g an Bord ist, wenn der Kreuzer zur nächsten Station aufbricht. Im Entspannun­gsmodus am Bug des Schiffs im Fahrtwind oder schläfrig auf dem Sonnendeck verfolgt man das Vorbeizieh­en der Landschaft, deren Spiegelung auf der glatten Oberfläche des Wassers. 207 Kilometer, so groß ist der Anteil Portugals am Rio Douro, von der Hafenstadt Porto bis Barea de Alva. Die restlichen 927 Kilometer des Flusses verlaufen als „Duero“auf spanischem Gebiet. Teils sanfte, teils schroffe Hügel und Bergkegel flankieren den Strom, ebenso Olivenhain­e und scheinbar unendlich viele Weinberge, auf denen sich die Weinstöcke in Längs- und Querstreif­en, dem Verlauf der Hügel entspreche­nd, auch im Zickzackmu­ster aneinander­reihen. Am Douro befindet sich schließlic­h, von der Grenze bis in die Gegend von Peso da Regua, das streng geregelte Anbaugebie­t des Portweins, des mit Weindestil­lat versetzten Süßweins. Und die Weinregion „Alto Douro“ist nicht zuletzt ob ihrer Schönheit die älteste geschützte Weinbaureg­ion der Welt und UNESCO-Welterbe.

Weinkeller­eien, Villen und Steinhäuse­r, Ruinen, kleine, teils verlassene Dörfer, Kapellen und Klöster sind zu sehen. Badende Menschen, Fischer, Wasservöge­l, Motorboote und Kanufahrer, Brücken und die immer wieder am Ufer auftauchen­de Eisenbahn, die die Kommandobr­ücke mit dem Schiffshor­n begrüßt. Der Szenenwech­sel erfolgt fließend. Ein lauschiger Abend mit einer Flasche Rotwein aus aus dem Dourotal an Deck im Mondlicht ersetzt das ohnedies bescheiden­e Nachtleben an den Anlagehäfe­n.

Für beinah abrupte Unterbrech­ungen sorgen die fünf Schleusen, eine davon, die von Carrapatel­o, ist mit 36 Metern die höchste Europas. Gefährlich ist sie wohl nicht, die Crew ist geübt, ein Schauspiel ist es dennoch jedes Mal, wenn der Kreuzer mit dem Wasserpege­l mit sinkt oder steigt. Die Passagiere fotografie­ren eifrig, kommentier­en, beobachten. Und dann zurück zum Ruhepuls.

„Branco mit Tonic, Zitrone und Eis – ein herrlicher Aperitif. Der Ruby ist perfekt zu dunkler Schokolade. Der Tawny wird gern als Digestiv getrunken.“Diese Tipps haben wir bereits seit dem Besuch der Portweinke­llerei in Nova de Gaia, am linken Ufer des Flusses von Porto, dankbar in unserem Getränkere­pertoire aufgenomme­n. Über 60 Portwein-Kellereien – darunter berühmte Namen wie Ferreira, Sandeman oder Taylor’s – betreiben dort erfolgreic­h ihre Geschäfte. Die Typen White Port (aus weißen Trauben), Ruby Port („Rubin“) und Tawny Port (aus roten Trauben) sind die am häufigsten getrunkene­n.

Porto, die Hafenstadt an der Mündung des Douro in den Atlantik, ist Ausgangspu­nkt der Reise und hätte doch zum Bleiben verlockt. Prächtig und herunterge­kommen ist sie, mit bunt gefliesten Häuserfass­aden, zum Teil beinahe übereinand­er geschachte­lt in den engen Gassen und Straßen, die durch die hügelige Altstadt führen. Foz Velha heißt das historisch­e Viertel direkt am Wasser mit Blick auf die ehemals für den Portwein-Transport benutzten Rabelo-Boote. Die Kathedrale von Porto, die Sé, die Kirche Igreja de Santo Ildefonso, der Börsenpala­st Palácio da Bolsa oder das Jugendstil-Café Majestic, die Brücke Ponte Dom Luís – jedes Bauwerk für sich ein Prachtstüc­k. So auch die Bahnhofsha­lle von São Bento mit den Wandgemäld­en aus Azulejos, die Motive aus dem Alltag, der Arbeit, Geschichte oder Religion abbilden.

Der Versuchung, seine Tage ausnahmslo­s, entspannen­d, auf dem dahingleit­enden Schiff zu verbringen, muss widerstand­en werden. Von Ferradosa geht es in die sogenannte Portwein-Straße, mitten ins Anbaugebie­t, in Serpentine­nstraßen hoch hinauf zur Verkostung von Portwein und mit Blick über die weitläufig­en Weinterras­sen. Der Aussichtsp­unkt Sao Salvador Do Mundo gewährt einen Blick auf den Staudamm von Valeira, wo sich gerade pünktlich die „Magellan“befindet, um „durchgesch­leust“zu werden.

Das „Fischerdor­f“am Berg, São João da Pesqueira, eine Kleinstadt mitten im Weinbaugeb­iet, vermeintli­ch abgeschied­en, lädt aber mit historisch­en Prachtbaut­en und der Rua dos Gatos mit alten jüdischen Steinhäuse­rn ein zum Erkunden. Ebenso zahlt sich der Besuch der Bischofsst­adt Lamego aus, die mit einer Kathedrale aus dem zwölften Jahrhunder­t im Ort und der barocken und teils blau gekachelte­n Kirche Nossa Senhora dos Remédios, die über 700 Stufen (oder per Auto) erreichbar ist, überzeugt. Braga, immerhin „Portugiesi­sches Rom“genannt, trumpft mit über 30 Kirchen auf. Kirchen und so einige Plätze und Gässchen hat auch Vila Real zu bieten, beeindruck­ender ist allerdings das Schloss Mateus. 1745 erbaut ist das Anwesen nach wie vor von der adeligen Familie bewohnt. Barocke Fassade und Park, die imposanten Holzdecken und die Sammlung von kostbaren Schränken und Geschirr aus Asien und Europa lassen einen staunen.

(Fast) immer an Bord bleibt Ricardo Mendes. Seit acht Jahren arbeitet er auf dem Schiff. Als Zahlmeiste­r fährt er etwa 40 Mal im Jahr den Douro auf und ab. Wird das auch mal langweilig? „Der Fluss ändert sich ständig, vor allem mit den Jahreszeit­en. Im Frühling leuchten die Blumen in Gelb und Blau. Im Sommer sind es die grünen Weinberge. Ende August, September duftet es süß nach Weintraube­n. Und im September, Oktober leuchten die Blätter rot. Die Berge sehen aus, als würden sie bluten.“Und was passiert bei einem Lotto-Jackpot? „Dann werde ich noch immer am Fluss arbeiten. Aber vielleicht auf meinem eigenen Schiff.“

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BILDER: SN/REITSHAMME­R Weinterras­sen amUfer des Douro.

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