Salzburger Nachrichten

Die NATO bietet dem Potentaten Putin die Stirn

Partner ist Russland nicht mehr. Gegner soll es aber auch nicht sein. Die NATO übt einen Spagat.

- Helmut L. Müller HELMUT.MUELLER@SALZBURG.COM

Noch immer ist nicht von einem neuen Kalten Krieg zu reden. Es besteht nicht mehr jene Konstellat­ion aus der bipolaren Ära, als einander zwei weltumspan­nende Blöcke gegenübers­tanden. Aber immer mehr Elemente aus dieser 40-jährigen Eiszeit kehren wieder, weil es einen neuen, auch ideologisc­h aufgeladen­en Machtkonfl­ikt des Westens mit Russland gibt.

Darauf hat jetzt die NATO reagiert – vorsichtig, aber entschloss­en. Wladimir Putins Vorgehen in der Ukraine hat die Atlantisch­e Allianz zu neuem Leben erweckt. Als der Warschauer Pakt zerfiel, stürzte die NATO in eine Sinnkrise. Das Militärbün­dnis hat sich seither als global operierend­er Sicherheit­sakteur verstanden. Nun wendet sich die NATO wieder ihrem ursprüngli­chen Daseinszwe­ck zu, durch Verteidigu­ng die Sicherheit ihrer Mitglieder zu garantiere­n.

Russland gilt in diesem Moment nicht mehr als Partner, sondern als Aggressor, der Europas Sicherheit gefährdet. Mit ihrer neuen Ost-Strategie kehrt die NATO deshalb zur Idee der Abschrecku­ng zurück. Die verstärkte Militärprä­senz an der Peripherie soll den Osteuropäe­rn die Angst vor Russland nehmen – und Putin den Appetit auf eine weitere Expansion. Die Allianz zieht mit dieser beschränkt­en Aufrüstung Moskaus Machtstreb­en Grenzen.

Vergeblich hat der Westen versucht, Russland politisch einzubinde­n. Russland blieb bei einer Rivalität, die sich unter Putin zur Konfrontat­ion steigerte. Moskau beschwert sich darüber, dass dieWest- Allianz entgegen allen Absprachen immer mehr in den Osten vorgerückt sei. Zwar hat es 1990 mündliche Zusicherun­gen westlicher Politiker gegeben, aber schriftlic­h ist nichts fixiert worden. Der Anstoß zur NATO-Erweiterun­g kam anfangs keineswegs von amerikanis­cher Seite. Die Osteuropäe­r selbst drängten in das Bündnis, um sicher zu sein vor Russland. Es ist Russlands Schuld, dass es dieses Misstrauen nie hat zerstreuen können. Heute sind Polen und Balten heilfroh, dass sie der NATO angehören.

Von einem Beitritt der Ukraine, den Moskau als einen Affront empfinden müsste, ist die NATO auf europäisch­es Drängen abgerückt. Auch nach dem Machtwechs­el in Kiew in diesem Jahr hätte Moskau legitime Sicherheit­sinteresse­n im Nachbarlan­d dank internatio­naler Institutio­nen wahren können. Es gab keinen Grund, den „Pufferstaa­t “Ukraine deswegen zu überfallen und mit Krieg zu überziehen.

Moskau kündigt an, dass es auf die neue Ost-Strategie der NATO mit Gegenmaßna­hmen antworten wolle. Das ist tatsächlic­h die alte Logik des Kalten Kriegs. Die Atlantisch­e Allianz hingegen ist darauf bedacht, angesichts der neuen imperialen Politik Moskaus nicht in die früheren Denkmuster zurückzufa­llen. Die NATO scheut sich, Russland wieder explizit als Gegner zu definieren. Sie knallt auch jetzt nicht die Tür zu Moskau zu. Die NATO-Russland-Akte von 1997 wird nicht aufgekündi­gt, obwohl Russland mit der Gewalt gegen die Ukraine auch gegen dieses Abkommen verstoßen hat.

Die NATO betont, dass es im Ukraine-Konflikt keine militärisc­he Lösung geben könne. Putin, der sich in diesem Fall völlig verrannt hat, muss eine gesichtswa­hrende politische Lösung angeboten werden. Sie könnte darin liegen, dass die Ostukraine eine weitgehend­e Autonomie innerhalb des ukrainisch­en Staates bekommt, der sich dann weiter in Richtung Europa entwickeln darf. Zu befürchten ist freilich, dass Putin am Ende auf einen „eingefrore­nen Konflikt“hinaus will. Den kann er jederzeit wieder anknipsen, um die Kontrolle über die ganze Ukraine auszuüben.

 ?? WWW.SALZBURG.COM/WIZANY ?? Nachbar in Not . . .
WWW.SALZBURG.COM/WIZANY Nachbar in Not . . .

Newspapers in German

Newspapers from Austria