Die NATO bietet dem Potentaten Putin die Stirn
Partner ist Russland nicht mehr. Gegner soll es aber auch nicht sein. Die NATO übt einen Spagat.
Noch immer ist nicht von einem neuen Kalten Krieg zu reden. Es besteht nicht mehr jene Konstellation aus der bipolaren Ära, als einander zwei weltumspannende Blöcke gegenüberstanden. Aber immer mehr Elemente aus dieser 40-jährigen Eiszeit kehren wieder, weil es einen neuen, auch ideologisch aufgeladenen Machtkonflikt des Westens mit Russland gibt.
Darauf hat jetzt die NATO reagiert – vorsichtig, aber entschlossen. Wladimir Putins Vorgehen in der Ukraine hat die Atlantische Allianz zu neuem Leben erweckt. Als der Warschauer Pakt zerfiel, stürzte die NATO in eine Sinnkrise. Das Militärbündnis hat sich seither als global operierender Sicherheitsakteur verstanden. Nun wendet sich die NATO wieder ihrem ursprünglichen Daseinszweck zu, durch Verteidigung die Sicherheit ihrer Mitglieder zu garantieren.
Russland gilt in diesem Moment nicht mehr als Partner, sondern als Aggressor, der Europas Sicherheit gefährdet. Mit ihrer neuen Ost-Strategie kehrt die NATO deshalb zur Idee der Abschreckung zurück. Die verstärkte Militärpräsenz an der Peripherie soll den Osteuropäern die Angst vor Russland nehmen – und Putin den Appetit auf eine weitere Expansion. Die Allianz zieht mit dieser beschränkten Aufrüstung Moskaus Machtstreben Grenzen.
Vergeblich hat der Westen versucht, Russland politisch einzubinden. Russland blieb bei einer Rivalität, die sich unter Putin zur Konfrontation steigerte. Moskau beschwert sich darüber, dass dieWest- Allianz entgegen allen Absprachen immer mehr in den Osten vorgerückt sei. Zwar hat es 1990 mündliche Zusicherungen westlicher Politiker gegeben, aber schriftlich ist nichts fixiert worden. Der Anstoß zur NATO-Erweiterung kam anfangs keineswegs von amerikanischer Seite. Die Osteuropäer selbst drängten in das Bündnis, um sicher zu sein vor Russland. Es ist Russlands Schuld, dass es dieses Misstrauen nie hat zerstreuen können. Heute sind Polen und Balten heilfroh, dass sie der NATO angehören.
Von einem Beitritt der Ukraine, den Moskau als einen Affront empfinden müsste, ist die NATO auf europäisches Drängen abgerückt. Auch nach dem Machtwechsel in Kiew in diesem Jahr hätte Moskau legitime Sicherheitsinteressen im Nachbarland dank internationaler Institutionen wahren können. Es gab keinen Grund, den „Pufferstaat “Ukraine deswegen zu überfallen und mit Krieg zu überziehen.
Moskau kündigt an, dass es auf die neue Ost-Strategie der NATO mit Gegenmaßnahmen antworten wolle. Das ist tatsächlich die alte Logik des Kalten Kriegs. Die Atlantische Allianz hingegen ist darauf bedacht, angesichts der neuen imperialen Politik Moskaus nicht in die früheren Denkmuster zurückzufallen. Die NATO scheut sich, Russland wieder explizit als Gegner zu definieren. Sie knallt auch jetzt nicht die Tür zu Moskau zu. Die NATO-Russland-Akte von 1997 wird nicht aufgekündigt, obwohl Russland mit der Gewalt gegen die Ukraine auch gegen dieses Abkommen verstoßen hat.
Die NATO betont, dass es im Ukraine-Konflikt keine militärische Lösung geben könne. Putin, der sich in diesem Fall völlig verrannt hat, muss eine gesichtswahrende politische Lösung angeboten werden. Sie könnte darin liegen, dass die Ostukraine eine weitgehende Autonomie innerhalb des ukrainischen Staates bekommt, der sich dann weiter in Richtung Europa entwickeln darf. Zu befürchten ist freilich, dass Putin am Ende auf einen „eingefrorenen Konflikt“hinaus will. Den kann er jederzeit wieder anknipsen, um die Kontrolle über die ganze Ukraine auszuüben.