Die regulierungswütigen Liberalen sind wieder auf dem Kriegspfad
Für EU-Beamte ist eine Meisterprüfung eine Schikane. Zahllose sinnlose Vorschriften aus Brüssel gelten als Wohltat.
Die Hohepriester der freien Wirtschaft aus den Amtsstuben der EU haben sich erinnert, dass in so manchen rückständigen, man ist versucht zu sagen hinterwäldlerischen, Ländern einige Berufe noch eine illiberale, zünftlerische Hürde aufweisen. Da ist doch tatsächlich noch eine Meisterprüfung Pflicht. Und so sind sie wieder unterwegs, die großen Liberalen, um diesen unerträglichen Restbestand aus dem Mittelalter zu beseitigen.
Man darf annehmen, dass sie bei diesen, pfui, regulierten Gewerben nicht haltmachen werden. Bald werden sie auch den Zugang zum Arztberuf von all den lästigen Hürden befreien. Auch all jene, die sich berufen fühlen, werden künftig frei und endlich ungehindert als Rechtsanwälte, Ingenieure, Notare oder Universitätsprofessoren – fragen wir doch bitte nicht nach dem Fach – unterwegs sein.
Das halten manche nicht für eine so gute Idee? Oh Gott, sie haben immer noch nicht be- griffen, dass der Markt mit seinen reinigenden, heilenden Kräften immer und überall korrigierend eingreift. Ihr Einfamilienhaus ist im Gefolge der Unfähigkeit des Bau-Nicht-Meisters eingestürzt? Macht nichts. Von diesem freien Unternehmer werden Sie als freier Konsument das nächste Haus sicher nicht bauen lassen.
Die Liberalen haben Recht. Was für Politiker gilt, die die Verantwortung für uns alle tragen und nicht die geringste Ausbildung vorweisen müssen, passt wohl auch für das gemeine Volk.
Man muss den Hut ziehen vor der Konsequenz, die die Brüsseler Bürokraten beseelt. Schließlich hat sich die EU vorgenommen, bis 2020 zum „dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt“zu werden.
Die wirklich Weisen, die profunden Bildungsexperten dieser Welt haben erkannt, dass Lernen schädlich sei: Lernen erstickt in überflüssigem Wissensballast die natürlichen Begabungen und lässt die Talente verkümmern.
Frei und ungebunden tollen die genialen Kinder, und genial sind alle, Talent haben alle, in die Schule, wo sie spielerisch ihren Neigungen frönen. Genetisch ausgestattet mit der Kenntnis aller Wissensangebote suchen sich die Sprösslinge das ihrem Talent entsprechende aus und reifen im Selbststudium zu Nobelpreisträgern heran.
Wer wagt es, diese begnadeten Mägdelein und Jünglinge zu belästigen mit Lesen, Schreiben und Rechnen in der Volksschule, mit Sprachen und Mathematik in den höheren Schulen oder gar mit einer Lehre, einer Berufsschule und, oh Graus, mit einer Meisterprüfung?
Wird manchen angst und bang? Keine Sorge. Die zahllosen Vorschriften, die die Brüsseler Liberalen zum Schutz der Freiheit erfinden, verhindern klug und weise, dass die freien Genies in ihrer Freiheit nicht üppig werden.