„Lieber Pferdefleisch in der Lasagne“
Er war ein Jahr weg. Jetzt ist er wieder da. Roland Düringer tourt und schließt seine Trilogie ab. Mit „ICH allein?“. Ein Aussteiger, sagt er, sei er nie gewesen. Er sei bloß in ein anderes, selbstbestimmtes Wirtschaftssystem eingestiegen.
Er redet gern. Und viel. Im Gegensatz zu manch anderen hat er aber durchaus was zu sagen. Wir sprachen mit Roland Düringer.
SN: „ICH allein?“, Ihr neues Programm: Sie sind beim Kernpunkt für alle Egoisten angekommen?
Düringer: Moment: Die Frage lautet: Was ist denn das Ich? Ist es nicht bloß ein Gefüge verschiedener Dinge, aus dem sich unser Ich herauskristallisiert? Das Weltbild, die Überzeugungen, alles, was wir mit uns so herumtragen. Und bezüglich Egoismus: Alles, was lebt, denkt zuerst an sich. Das ist nichts Schlechtes. Aber wir müssen erkennen, dass unser gutes Recht, glücklich zu sein, nur funktioniert, wenn es der Gemeinschaft als Ganzes gut geht. Weil in einer nicht funktionierenden, unglücklichen Gemeinschaft kann das einzelne Individuum auch nicht mehr glücklich sein.
Aber dass alle auf einmal glücklich sind, funktioniert nur, wennOstern undWeihnachten auf einen Tag fallen.
SN: Wieso? In einer kleinen Struktur erkennst du das sofort. Wenn du in einem Dorf lebst, wo große Unwetter die Ernte zerstört haben und wo große Schäden sind, weißt du, dass es dir in der Gemeinschaft nur gut gehen kann, wenn sie funktioniert.
SN: Aber das Ich will in die Stadt. Nicht ins Dorf.
Das ist der springende Punkt: Keiner will mehr in einer kleinen Gemeinschaft leben, sondern von einer großen Struktur versorgt werden. Das ist das Thema unserer Zeit.
SN: Sie kommen alle zwei Jahre mit Ihren Vorpremieren nach Neukirchen am Großvenediger. Welchen Eindruck haben Sie?
Ich wundere mich, was schon wieder alles gebaut worden ist. Überall hier wird gebaut, offenbar hat man das rechte Maß verloren.
SN: Sie stiegen ein Jahr aus der Konsumwelt aus. Was blieb als wesentlich übrig?
Ich bin kein Aussteiger, ich bin ein Einsteiger. Ich steige jetzt zum Beispiel sehr oft in den öffentlichen Verkehr ein. Ich schau, dass ich die Lebensmittel woanders herbekomme und nicht aus dem Supermarkt. Ich bin wieder ins Geldsystem eingestiegen, ich zahle mit Geld, nicht mit Bankomatkarte.
SN: Das ist einfach. Aber woher Lebensmittel nehmen?
Es gibt Lebensmittelgeschäfte, Bauernmärkte und Bauern, bei denen man ab Hof kaufen kann. Und es gibt den eigenen Garten.
Wiemühsam! ImSupermarkt wäre alles unter einem Dach.
SN: Falsch. Mühsam wird’s, wenn im Supermarkt die Türln irgendwann zubleiben. Dann hast du kein Netz mehr, bist fremdversorgt, abhängig. Es ist eine Prämisse in meinem Leben, zu schauen, dass ich mir so viel Daseins-Mächtigkeit wie möglich wieder zurückhole und dass ich mich selbst versorgen kann.
SN: Bei unserem letztenGespräch haben Sie gesagt: „Wir stehen vor einer großen Veränderung. Es ist nur eine Illusion, in der wir leben. Die löst sich auf.“
Der Prozess ist im Gang. Bald wird sich für alle offenbaren, dass die Dominanz der westlichen Kultur langsam in sich zusammenfällt. Manmerkt: Jetzt sind andereMächte amWerk. Die Chinesen zum Beispiel. Das wird große Veränderungen bringen. Es ist nicht mehr so, dass wir das Sagen haben auf dem Planeten. Was gut ist. Das werden wir alle spüren. Und auch sonst sind in der Gesellschaft Veränderungen im Gang. Was auch mit einer Unzufriedenheit derMenschen zusammenhängt. Wenn du merkst, dass der Druck immer größer wird, und du nicht weißt, wie es weitergehen wird, überlegst du Alternativen. Je mehr Menschen das tun, umso eher wird diese Veränderung sichtbar und spürbar. SN: Beides. Es werden gute Sachen entstehen. Aber auch viele Blödheiten. Wenn sich etwas verändert, muss man Dinge ja ausprobieren. Aber: Wie bei den fossilen Brennstoffen hat halt alles einmal ein Ende. Dass das Pensionssystem einmal zusammenbrechen wird und das Gesundheitssystem, riechtman ja schon.
Positiv oder negativ?
SN: Das wäre Kaffeesudlesen.
Hat die EU ein Ablaufdatum?
Aber es gibt Separationstendenzen. Erst inSchottland, jetzt in Katalonien.
SN: Kann ich verstehen, wenn du merkst, dass du von außen dominiert wirst. Da gibt es eine Geschichte dazu. Unser Nachbar, unser Freund, bei dem unsere Viecher leben, also unsere Schweinderl und Ochsen, da kommen viele Kontrollore. Er ist ja ein Biobauer. Seine Mutter hat gesagt, im Krieg war’s leichter. Da hast du die Viecher einfach imWald versteckt. Jetzt haben aber alle ein Markerl undwehe, eine Nummer fehlt – es wird immer enger. Die Leutewollen das nicht. Klar, dass man dann der großen Struktur die Schuld gibt.
SN: AmEnde ist trotzdem Pferdefleisch inder Lasagne.
Das ist vermutlich sogar eine bessere Lasagne, als wenn anderes Fleisch drinnen ist. Pferde kann man nicht so halten wie Rinder oder Schweine, also so qualvoll. Die Diskussion geht in die falsche Richtung. Es geht nicht darum, ob Pferdefleisch in der Lasagne ist, sondern wie man Tiere hält. Das ist die Frage.
SN: Wie sehr bewegen Sie der ISund Syrien?
Man müsste analysieren, was dort passiert. Wer ist das, was treibt diese Menschen an? Warum tun die das, hat das wirklich mit Religion zu tun, kann man das echt dem Islam in die Schuhe schieben? Oder sind andere Mächte am Ruder, sind es ökonomische Gründe, Gründe von Orientierungslosigkeit bei vielen Menschen, bei jungen Leuten vor allem? Weil, warum sind 1914 alle Österreicher in den Krieg gezogen? Mit der Parole „Serbienmuss sterbien!“. Die waren überzeugt, das Richtige zu tun. Ich bin sicher, dass die Leute dort, die für den IS kämpfen, zu hundert Prozent überzeugt sind, das Richtige zu tun und dass sie eigentlich die Guten sind.
SN: Aber das rechtfertigt diese Taten nicht.
Natürlich nicht. Aber wer letztlich dahintersteckt, weiß man nicht. Wenn man es nüchtern betrachtet und schaut, was passiert, würde ich sagen, dass es vor allem den Amerikanern sehr gelegen kommt. Die sind in Afghanistan und im Irak eingefallen und wären auch gern in Syrien drinnen. Jetzt haben sie einen Grund, dass sie in Syrien hineingehen, weil sie denen ja – „helfen“. Und wenn sie einmal dort drinnen sind, dann ist vielleicht der Assad auch gleich weg.
Ich glaube, dass diese IS-Kämpfer in Wirklichkeit Spielbälle von ganz anderen Mächten sind und gar nicht merken, dass sie in Wirklichkeit den „Feind“unterstützen. Was kann einer US-Regierung Besseres passieren als ein Video im Internet, das zeigt, wie ein unschuldiger Amerikaner geköpft wird? In dem Moment ist das ganze Volk auf deiner Seite und sagt: „Jetzt machen wir sie nieder, die Arschlöcher!“Da wird dann nicht mehr differenziert, wer niedergemacht wird. Da muss man schon sehr vorsichtig sein . . .
Wie verstörend ist die Kriegsrhetorik, die es inWest undOst zur Ukraine gibt?
SN: Das hängt mit der Ökonomie zusammen. Die Situation vor dem Ersten Weltkrieg war ähnlich. Es war eine große Blase da. In der Gründerzeit ist sehr viel gebaut worden. Prunk entstand, viele schöne Häuser wurden gebaut – alles auf Pump. Alles war auf einer Blase aufgebaut. Irgendwann spürt man, dass die platzen wird. Und dann kommt in der Regel Krieg heraus. Wir können nur hoffen, dass diesmal die Angst zu groß ist vor so was, weil dieWaffen jetzt so sind – dass das noch einmal eine gewaltigeDimension mehr hat als im Ersten Weltkrieg. Wie blöd der Mensch ist, sieht man ja. Mein Großvater etwa war im Ersten Weltkrieg. Er war 16, wie er eingerückt ist. Im Ersten Weltkrieg kam er in russische Gefangenschaft. Er ist zurückgekommen und hat gesagt: „Nie wieder Krieg.“Zwanzig Jahre später ist er wieder marschiert und wieder ist er in russischer Gefangenschaft gelandet.
Premiere: