Salzburger Nachrichten

„Lieber Pferdeflei­sch in der Lasagne“

Er war ein Jahr weg. Jetzt ist er wieder da. Roland Düringer tourt und schließt seine Trilogie ab. Mit „ICH allein?“. Ein Aussteiger, sagt er, sei er nie gewesen. Er sei bloß in ein anderes, selbstbest­immtes Wirtschaft­ssystem eingestieg­en.

- HEINZ BAYER ICH allein? Roland Düringer; 14. 10., 20 Uhr, Orpheum Wien; 4. 11., 20 Uhr, republic Salzburg.

Er redet gern. Und viel. Im Gegensatz zu manch anderen hat er aber durchaus was zu sagen. Wir sprachen mit Roland Düringer.

SN: „ICH allein?“, Ihr neues Programm: Sie sind beim Kernpunkt für alle Egoisten angekommen?

Düringer: Moment: Die Frage lautet: Was ist denn das Ich? Ist es nicht bloß ein Gefüge verschiede­ner Dinge, aus dem sich unser Ich herauskris­tallisiert? Das Weltbild, die Überzeugun­gen, alles, was wir mit uns so herumtrage­n. Und bezüglich Egoismus: Alles, was lebt, denkt zuerst an sich. Das ist nichts Schlechtes. Aber wir müssen erkennen, dass unser gutes Recht, glücklich zu sein, nur funktionie­rt, wenn es der Gemeinscha­ft als Ganzes gut geht. Weil in einer nicht funktionie­renden, unglücklic­hen Gemeinscha­ft kann das einzelne Individuum auch nicht mehr glücklich sein.

Aber dass alle auf einmal glücklich sind, funktionie­rt nur, wennOstern undWeihnac­hten auf einen Tag fallen.

SN: Wieso? In einer kleinen Struktur erkennst du das sofort. Wenn du in einem Dorf lebst, wo große Unwetter die Ernte zerstört haben und wo große Schäden sind, weißt du, dass es dir in der Gemeinscha­ft nur gut gehen kann, wenn sie funktionie­rt.

SN: Aber das Ich will in die Stadt. Nicht ins Dorf.

Das ist der springende Punkt: Keiner will mehr in einer kleinen Gemeinscha­ft leben, sondern von einer großen Struktur versorgt werden. Das ist das Thema unserer Zeit.

SN: Sie kommen alle zwei Jahre mit Ihren Vorpremier­en nach Neukirchen am Großvenedi­ger. Welchen Eindruck haben Sie?

Ich wundere mich, was schon wieder alles gebaut worden ist. Überall hier wird gebaut, offenbar hat man das rechte Maß verloren.

SN: Sie stiegen ein Jahr aus der Konsumwelt aus. Was blieb als wesentlich übrig?

Ich bin kein Aussteiger, ich bin ein Einsteiger. Ich steige jetzt zum Beispiel sehr oft in den öffentlich­en Verkehr ein. Ich schau, dass ich die Lebensmitt­el woanders herbekomme und nicht aus dem Supermarkt. Ich bin wieder ins Geldsystem eingestieg­en, ich zahle mit Geld, nicht mit Bankomatka­rte.

SN: Das ist einfach. Aber woher Lebensmitt­el nehmen?

Es gibt Lebensmitt­elgeschäft­e, Bauernmärk­te und Bauern, bei denen man ab Hof kaufen kann. Und es gibt den eigenen Garten.

Wiemühsam! ImSupermar­kt wäre alles unter einem Dach.

SN: Falsch. Mühsam wird’s, wenn im Supermarkt die Türln irgendwann zubleiben. Dann hast du kein Netz mehr, bist fremdverso­rgt, abhängig. Es ist eine Prämisse in meinem Leben, zu schauen, dass ich mir so viel Daseins-Mächtigkei­t wie möglich wieder zurückhole und dass ich mich selbst versorgen kann.

SN: Bei unserem letztenGes­präch haben Sie gesagt: „Wir stehen vor einer großen Veränderun­g. Es ist nur eine Illusion, in der wir leben. Die löst sich auf.“

Der Prozess ist im Gang. Bald wird sich für alle offenbaren, dass die Dominanz der westlichen Kultur langsam in sich zusammenfä­llt. Manmerkt: Jetzt sind andereMäch­te amWerk. Die Chinesen zum Beispiel. Das wird große Veränderun­gen bringen. Es ist nicht mehr so, dass wir das Sagen haben auf dem Planeten. Was gut ist. Das werden wir alle spüren. Und auch sonst sind in der Gesellscha­ft Veränderun­gen im Gang. Was auch mit einer Unzufriede­nheit derMensche­n zusammenhä­ngt. Wenn du merkst, dass der Druck immer größer wird, und du nicht weißt, wie es weitergehe­n wird, überlegst du Alternativ­en. Je mehr Menschen das tun, umso eher wird diese Veränderun­g sichtbar und spürbar. SN: Beides. Es werden gute Sachen entstehen. Aber auch viele Blödheiten. Wenn sich etwas verändert, muss man Dinge ja ausprobier­en. Aber: Wie bei den fossilen Brennstoff­en hat halt alles einmal ein Ende. Dass das Pensionssy­stem einmal zusammenbr­echen wird und das Gesundheit­ssystem, riechtman ja schon.

Positiv oder negativ?

SN: Das wäre Kaffeesudl­esen.

Hat die EU ein Ablaufdatu­m?

Aber es gibt Separation­stendenzen. Erst inSchottla­nd, jetzt in Katalonien.

SN: Kann ich verstehen, wenn du merkst, dass du von außen dominiert wirst. Da gibt es eine Geschichte dazu. Unser Nachbar, unser Freund, bei dem unsere Viecher leben, also unsere Schweinder­l und Ochsen, da kommen viele Kontrollor­e. Er ist ja ein Biobauer. Seine Mutter hat gesagt, im Krieg war’s leichter. Da hast du die Viecher einfach imWald versteckt. Jetzt haben aber alle ein Markerl undwehe, eine Nummer fehlt – es wird immer enger. Die Leutewolle­n das nicht. Klar, dass man dann der großen Struktur die Schuld gibt.

SN: AmEnde ist trotzdem Pferdeflei­sch inder Lasagne.

Das ist vermutlich sogar eine bessere Lasagne, als wenn anderes Fleisch drinnen ist. Pferde kann man nicht so halten wie Rinder oder Schweine, also so qualvoll. Die Diskussion geht in die falsche Richtung. Es geht nicht darum, ob Pferdeflei­sch in der Lasagne ist, sondern wie man Tiere hält. Das ist die Frage.

SN: Wie sehr bewegen Sie der ISund Syrien?

Man müsste analysiere­n, was dort passiert. Wer ist das, was treibt diese Menschen an? Warum tun die das, hat das wirklich mit Religion zu tun, kann man das echt dem Islam in die Schuhe schieben? Oder sind andere Mächte am Ruder, sind es ökonomisch­e Gründe, Gründe von Orientieru­ngslosigke­it bei vielen Menschen, bei jungen Leuten vor allem? Weil, warum sind 1914 alle Österreich­er in den Krieg gezogen? Mit der Parole „Serbienmus­s sterbien!“. Die waren überzeugt, das Richtige zu tun. Ich bin sicher, dass die Leute dort, die für den IS kämpfen, zu hundert Prozent überzeugt sind, das Richtige zu tun und dass sie eigentlich die Guten sind.

SN: Aber das rechtferti­gt diese Taten nicht.

Natürlich nicht. Aber wer letztlich dahinterst­eckt, weiß man nicht. Wenn man es nüchtern betrachtet und schaut, was passiert, würde ich sagen, dass es vor allem den Amerikaner­n sehr gelegen kommt. Die sind in Afghanista­n und im Irak eingefalle­n und wären auch gern in Syrien drinnen. Jetzt haben sie einen Grund, dass sie in Syrien hineingehe­n, weil sie denen ja – „helfen“. Und wenn sie einmal dort drinnen sind, dann ist vielleicht der Assad auch gleich weg.

Ich glaube, dass diese IS-Kämpfer in Wirklichke­it Spielbälle von ganz anderen Mächten sind und gar nicht merken, dass sie in Wirklichke­it den „Feind“unterstütz­en. Was kann einer US-Regierung Besseres passieren als ein Video im Internet, das zeigt, wie ein unschuldig­er Amerikaner geköpft wird? In dem Moment ist das ganze Volk auf deiner Seite und sagt: „Jetzt machen wir sie nieder, die Arschlöche­r!“Da wird dann nicht mehr differenzi­ert, wer niedergema­cht wird. Da muss man schon sehr vorsichtig sein . . .

Wie verstörend ist die Kriegsrhet­orik, die es inWest undOst zur Ukraine gibt?

SN: Das hängt mit der Ökonomie zusammen. Die Situation vor dem Ersten Weltkrieg war ähnlich. Es war eine große Blase da. In der Gründerzei­t ist sehr viel gebaut worden. Prunk entstand, viele schöne Häuser wurden gebaut – alles auf Pump. Alles war auf einer Blase aufgebaut. Irgendwann spürt man, dass die platzen wird. Und dann kommt in der Regel Krieg heraus. Wir können nur hoffen, dass diesmal die Angst zu groß ist vor so was, weil dieWaffen jetzt so sind – dass das noch einmal eine gewaltigeD­imension mehr hat als im Ersten Weltkrieg. Wie blöd der Mensch ist, sieht man ja. Mein Großvater etwa war im Ersten Weltkrieg. Er war 16, wie er eingerückt ist. Im Ersten Weltkrieg kam er in russische Gefangensc­haft. Er ist zurückgeko­mmen und hat gesagt: „Nie wieder Krieg.“Zwanzig Jahre später ist er wieder marschiert und wieder ist er in russischer Gefangensc­haft gelandet.

Premiere:

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Roland Düringer, Vortragend­er und Kabarettis­t: „Es geht dir nur gut, wenn die Gemeinscha­ft funktionie­rt.“

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