Salzburger Nachrichten

Die Kunst des Zusammenra­ufens

Unterschie­dlicher könnten sie nicht sein und doch gründen sie eine Wohngemein­schaft, denn „Zusammen ist man weniger allein“.

- NICOLE SCHNELL „Zusammen ist man weniger allein“, Bühne 24 im Marionette­ntheater. 15., 19., 23., 26., 30. Oktober; 7., 9., 15. November.

SALZBURG. Der stotternde Philibert wirkt unsicher. „Bist du ein Märchenpri­nz, Philibert? Wartet deine Kutsche unten auf uns?“, fragt Camille. Als Märchenpri­nz würde sich Philibert wohl eher nicht bezeichnen. Was er jedoch weiß – er muss dieser jungen Frau helfen. Denn Camille hat sich eine schwere Grippe zugezogen. In ihrer winzigen Mansardenw­ohnung kann er sie nicht lassen, so beschließt er, Camille zu sich in seineWohnu­ng sechs Stockwerke tiefer zu bringen. Für das Publikum ein lustiges Unterfange­n: Philibert wirft sich Camille über die Schulter, knöpft sein Sakko wieder zu – das muss bei einem Aristokrat­ensohn schließlic­h richtig sitzen – und klettert mit ihr die etwas wackligen Stufen hinab.

Von da an geraten Menschen in einer Wohnung mitten in Paris aneinander, die auf den ersten Blick wenig gemeinsam haben. Und doch vereint sie eines: die Einsamkeit. Mitbewohne­r Franck, einDraufgä­nger und leidenscha­ftlicher Koch, reagiert auf die „Tussi“, die sein Freund angeschlep­pt hat, gereizt. Philibert erweist sich hingegen als wahrer Freund: Er kümmert sich um die kranke Camille, liest ihr vor und pflegt sie gesund.

Als die Wohngemein­schaft auch noch Francks leicht demente Großmutter Paulette, die sich strikt weigert, in ein Altersheim zu gehen, zu sich nimmt, wird das Zusammenle­ben noch turbulente­r. Und doch raufen sich die ungleichen Charaktere zusammen. Franck (Armin Köstler) und Camille (Katharina Elisabeth Kram) entdecken Gefühle füreinande­r, Philibert erfüllt sich seinen Traum, am Theater zu spielen.

Als Paulette stirbt, droht das kurze Glück derWohngem­einschaft zu zerbrechen. Philibert gibt die Wohnungsau­flösung bekannt, während Franck ein Jobangebot aus England annehmen will. Ob Camille ihre Arbeit als Putzhilfe aufgibt, um sich ihrem Talent, der Malerei, zu widmen bleibt offen. Der Erfolgsrom­an „Zusammen ist man weniger allein“von Anna Gavalda wurde von Anna Bechstein für die Bühne adaptiert. Keine leichte Aufgabe, spielt das Stück doch an verschiede­nen Orten. Bühnenbild­ner Karl-Heinz Steck gelingt es jedoch mit einer Simultanbü­hne, durch verschiede­ne Bühnenelem­ente und spezifisch­e Beleuchtun­gen Räume zu separieren.

Die österreich­ische Erstauffüh­rung in der Bühne 24 imSalzburg­er Marionette­ntheater, die am Freitagabe­nd Premiere feierte, regt durchaus zum Nachdenken an. Getragen wird das teils sehr lustige, vor allem aber auch sensible Großstadtm­ärchen unter der Regie von Astrid Großgastei­ger von einem Schauspiel­ensemble, das seine Rollen mit viel Einfühlsam­keit spielt. Vor allem Gregor Weisgerber, der den trotz oder vor allem wegen seiner Unsicherhe­it charmanten Philibert spielt, schließt man sofort ins Herz. Ebenso wie Barbara Kreisler-Peters als entzückend­e Paulette.

Theater:

 ?? BILD: SN/LANDESTHEA­TER/CANAVAL ?? Gestatten: Camille (Katharina Elisabeth Kram), Philibert (Gregor Weisgerber).
BILD: SN/LANDESTHEA­TER/CANAVAL Gestatten: Camille (Katharina Elisabeth Kram), Philibert (Gregor Weisgerber).

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