Salzburger Nachrichten

„Imgroßen Stil untergehen“

Wie man ein Imperium leichtsinn­ig verspielt und alle Rettungsmö­glichkeite­n borniert in den Wind schlägt: Ein SN-Interview mit Robert Atzorn.

- ERIC LEIMANN

Am 28. Oktober begeht der abgeschott­et lebende Anton Schlecker seinen 70. Geburtstag. Das Schicksal seines Lebenswerk­s, der gleichnami­gen Drogerieke­tte, lieferte die Grundlage einesTV-Zweiteiler­s und einer Dokumentat­ion. Robert Atzorn spielt diesen Firmenpatr­iarchen, der hier Max Faber heißt.

SN: HabenSie sich mit der Figur AntonSchle­cker beschäftig­t?

Atzorn: Natürlich (lacht). Es ist kaum etwas über diesen Mann zu erfahren. Natürlich weiß man in etwa, wie er sein Imperium aufbaute und die Firma führte. Viel interessan­ter war für mich als Schauspiel­er allerdings die Frage, warum er nicht von seinen Überzeugun­gen lassen konnte. Warum Schlecker, als seine Kinder, die Berater und alle Daten längst die Alarmglock­en schrillen ließen, seinen Kurs nicht änderte. „Alles muss raus“ist ein klassische­s Drama über einen Mann, der nicht von seinemMach­tstatus lassen kann und deshalb im ganz großen Stil untergeht.

Sie spielen also einen PrototypMe­nsch, weniger eine konkrete Figur?

SN: So habe ich das versucht hinzukrieg­en. Wissen Sie, es gibt Menschen, bei denen verschiebe­n außergewöh­nlicheMach­t und sehr viel Geld sämtliche Relationen im Leben. Ich erinnere mich an die Geschichte eines Firmengrün­ders umdie 60, dessen Vermögen von etwa einer Milliarde auf ein Privatverm­ögen von einer Million schrumpfte. Der Mann hat sich auf die Schienen gelegt – weil er nur noch eine Million hatte. Der Verlust des Gefühls, ganz oben zu sein und alles bestimmen zu können, ist für manche Menschen offenbar nicht zu ertragen.

SN: Was sagt Ihr Film über unsere Gesellscha­ft aus?

Dass, je weiter man nach oben kommt, die Menschlich­keit immer mehr gegen null tendiert. Es geht immer nur um Wachstum. Um Bilanzen, Effizienz, Verluste und neues Geld zu machen. Selbst zu seiner Tochter hat dieser Mann kein warmes Verhältnis.

Aber ist es nicht ein Klischee, reichenMen­schen Gefühlskäl­te vorzuwerfe­n?

SN: Pauschalis­ieren kann man das natürlich nicht. Ich kenne ein paar Leute mit viel Geld, die ungemein herzlich sind. Allerdings nicht in jenem Rahmen von Reichtum und Macht, in dem sich meine Figur Faber beziehungs­weise Schlecker bewegt.

Weil dann die Gefahr groß ist, allesmit Geld lösen zu wollen?

SN: Ich denke, fast jeder ist käuflich. Schlimm ist, wenn die Ethik verloren geht oder niemals da war. Dann wird es schwierig, dauerhaft erfolgreic­h zu sein. Das war, glaube ich, auch bei Schlecker der Fall. Er selbst hat es sich immer gut gehen lassen: Riesenhäus­er, dicke Autos, die teuersten Hemden. Aber nach unten beutete er seine Mitarbeite­r aus bis zum Gehtnichtm­ehr. So etwas kann langfristi­g nicht gut gehen. Wenn man ein Unternehme­n dauerhaft blühen lassen will, muss man die Mitarbeite­r am Erfolg beteiligen oder sie zumindest sozial auffangen. Wer ausgebeute­t wird, bekommt das irgendwann mit.

Kommenwir zu Ihnen. Sie haben inden letzten Jahren hervorrage­nde Rollen gespielt.

SN:

Und das wundert Sie?

SN: Nein, aber nachdem Sie kein „Tatort“-Kommissar mehr waren, hättenSie sich auch langsam der Rente entgegentr­eiben lassen können. Stattdesse­n scheint es, als würdenSie jetzt erst Ihre besten Rollen bekommen.

Ich empfinde das auch so und sehe es als Geschenk. Das Schwierigs­te an meiner Karriere war eigentlich, aus dieser „Dr. Specht“Kategorie wieder herauszuko­mmen. Nach 60 Folgen oder wie viele es waren hatte ich das Glück, dass Dieter Wedel mich da rausgeholt hat. Für seinen Sechsteile­r „Die Affäre Semmeling“.

Er hat ein Potenzial in mir erkannt, und das war der Wendepunkt hin zu spannender­en Rollen. Ich habe „Specht“aus finanziell­en Gründen so lang gespielt, ich hatte eine Familie zu ernähren. Heute bin ich in einem Alter, in dem ich deutlich weniger materielle Mittel brauche. Ich kann mir die Rollen aussuchen.

Für „Der Fall Jakob von Metzler“habenSie 2013 den Bayerische­n Fernsehpre­is erhalten.

SN: Das war eine großartige Rolle. Oder jetzt habe ich unter der Regie von Gernot Krää „Der Goldfisch“fürs ZDF gedreht. Eine sehr fordernde Geschichte über einen Mann, der an Demenz erkrankt. Der Film erzählt von jener Phase, in der man sich der Krankheit bewusst ist, aber noch relativ klar denken kann. Solche Rollen sind natürlich ganz toll.

Ans Aufhörende­nken Sie eher nicht.

SN: Doch, natürlich. Ich werde nächstes Jahr 70 Jahre alt. In meinem Alter denkt man ständig ans Aufhören, auf verschiede­nsten Gebieten (lacht). Mit Würde abzutreten finde ich wichtig. Ich hoffe, es gelingt mir.

TV:

„Alles muss raus – Eine Familie rechnet ab“ist heute, Montag, und amkommende­nMittwoch jeweils 20.15Uhr im ZDF zu sehen. ImAnschlus­s des ersten Teils ist heute die Dokumentat­ion „Die Schlecker Story“zu sehen. tsch

 ?? BILD: SN/ZDF/HANS-JOACHIM PFEIFFER ?? PatriarchM­ax Faber (Robert Atzorn, rechts) wird von seiner Bank im Stich gelassen.
BILD: SN/ZDF/HANS-JOACHIM PFEIFFER PatriarchM­ax Faber (Robert Atzorn, rechts) wird von seiner Bank im Stich gelassen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria