Regenzauber für dasWachstum
Bei der Jahrestagung von Weltbank und Währungsfonds waren sich 188 Teilnehmerländer, Finanzminister und Notenbank-Chefs einig: Es braucht Wachstum. Weniger einig war man sich über den Weg dorthin.
Mit aller Macht gegen eine neue globale Krise stemmen wollen sich Regierungen und Notenbanken aus aller Welt. Reformen und Investitionen sollen verhindern, dass die Weltwirtschaft sechs Jahre nach der verheerenden Finanzkrise abermals abstürzt. Das ist die Quintessenz der Jahrestagung von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank, die am Sonntag in Washington zu Ende ging und an der 188 Mitgliedsländer teilnahmen.
Die Ausgangslage sei dramatisch, lautet der Befund. „Einige Länder sehen sich einem niedrigen oder nachlassenden Wachstum ausgesetzt, mit einer inakzeptabel hohen Arbeitslosigkeit“, heißt es im Abschlusspapier des IWF-Lenkungsausschusses (IMFC). Es sollten „kühne und ambitionierte“Maßnahmen ergriffen werden, um die Nachfrage zu steigern und Engpässe zu beheben. Höchste Priorität müsse es sein, „das heutige tatsächliche Wachstum und das morgigeWachstumspotenzial zu unterstützen“.
Der IWF hatte seine globale Wachstumsprognose für heuer zum dritten Mal in Folge gesenkt und rechnet nun mit 3,3 Prozent. Für 2015 reduzierte der Krisenhelfer seineAussichten auf 3,8 Prozent. Zu den Gefahren für die Weltkonjunktur zählen dem IMFC zufolge die anziehende Geldpolitik und die zähe Niedriginflation in manchen großen Volkswirtschaften. Probleme seien auch riskante Spekulationen an Finanzmärkten und erhöhte geopolitische Spannungen.
Sorgenvolle Blicke richteten sich bei dem Treffen einmal mehr auf Europa, das laut IWF Gefahr läuft, in eine erneute Rezession zu rutschen. US-Finanzminister Jack Lew rief die Eurozone erneut zu Konjunkturmaßnahmen auf. Ange- sichts der neuen Schwächephase müsse Europa mehr für dasWachstum tun – mit finanziellen, geldpolitischen und strukturellen Mitteln. Auch Japan und China wachsen für manche zu langsam.
Drohende künftige Wachstumsproblememüssten durch zügige Reformen in den Arbeitsmärkten und Sozialsystemen verhindert werden, forderte der IMFC-Vorsitzende, Singapurs Finanzminister Tharman Shanmugaratnam. Damit werde in den Haushalten das Geld für die Konjunkturförderung frei. „Unser Hauptanliegen ist, nach vorn zu blicken, damit wir das sehr echte Risiko einer längeren Phase mit unzureichendemWachstum abwenden.“
Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble warnte angesichts der Konjunkturdelle vor übertriebenem Pessimismus und falschen Erwartungen an Deutschland. „Es gibt keinen Grund, die Weltwirtschaft in irgendeine Krise zu reden“, sagte er. Das Wachstum sei nach wie vor einigermaßen befriedigend. Die Bundesregierung und die Europäer wüssten um ihre Verantwortung für die Weltwirtschaft, sagte Schäuble, der Investitionsprogramme auf Pump in Washington mehrfach ablehnte.
Der Präsident der Deutschen Bundesbank, Jens Weidmann, wies darauf hin, dass die Prognosen nur moderat nach unten korrigiert worden seien. Die deutsche Wirtschaft sei zwar schwächer, erlebe aber keinen Einbruch. Österreichs Finanzminister Hans Jörg Schelling sagte, alle seien gefordert, Wachstum und Beschäftigung anzukurbeln. Österreich liegt laut IWF leicht über dem Durchschnitt.
Auch IWF-Chefin Christine Lagarde relativierte dieAussagen ihrer Ökonomen: „Das Wachstum ist zurück und wir haben eine Erholung“, sagte sie, auch wenn die Daten leicht schlechter aussähen. Ihr Ziel für die Tagung sei gewesen, den Regierungen und Notenbanken „ein bisschen Feuer“zu machen. Sie habe ihnen zurufen wollen: „Seidmutig und benutzt all eure Werkzeuge.“
Beunruhigt zeigten sich IWF und Weltbank über die grassierende Ebola-Epidemie inWestafrika.„Wir sind zutiefst besorgt über die menschlichen und sozioökonomischen Auswirkungen.“Auch weitere Hilfe für die Ukraine war ein Thema. Der Leiter der IWF-EuropaAbteilung, Poul Thomsen, forderte die Tagungsteilnehmer auf, „darüber nachzudenken, ob sie dem Land weitere Unterstützung zukommen lassen können“. Schon im Frühjahr hatte der IWF mit Geberländern Hilfskredite über 27 Mrd. Dollar (21 Mrd. Euro) für die Ukraine bereitgestellt.
Was noch bei der Tagung geschah