ImRegenwald schlägt dasHerz derWelt
Der Klimawandel setzt den tropischen Bäumen zu. Doch die Regenwälder könnten uns vor uns selbst retten. Zumindest vorübergehend.
Die Regenwälder der Erde bedecken gerade einmal zwölf Prozent der Landmasse. Das ist nicht viel dafür, dass sie wahrscheinlich dieHälfte aller bekanntenTierarten beherbergen. Seit Langem schon versuchen Umweltschützer und Biologen, die enorme Vielfalt an Tieren und Pflanzen vor dem Raubzug desMenschen zu schützen.
Aber es geht um mehr: Forscher der Universität Wien haben jetzt ausgerechnet, dass diese tropfenden, nebeligen Wälder sozusagen das pumpende Herz der Erde sind. Die tropischen Waldökosysteme spielen eine Hauptrolle imglobalen Kohlenstoff- und Wasserkreislauf. Es könnte sein, dass diese tropischen Ökosysteme kippen und der Treibhauseffekt dadurch verstärkt wird. Die gute Nachricht ist, dass dieseWaldsysteme sich blitzschnell anpassen könnten.
Regenwälder bunkern mehr als ein Viertel des in Pflanzen gespeicherten Kohlenstoffs auf dieser Welt. Das ist sehr viel und sie gelten daher als ausgezeichnete Kohlenstoffsenken. So bezeichnet man Wälder oder auch Meere, die den ansteigenden Gehalt an Kohlendioxid in der Luft schlucken.
Doch das geht nicht bis in alle Ewigkeit so weiter. Dazu steigt die Konzentration des vom Menschen verursachten Treibhausgases zu rasant an.
Solche Gebiete sind zwar riesig und scheinbar unzerstörbar, aber manmuss sie sich als einen komplexen Organismus vorstellen. Der Regenwald, unsere technischen Energienetze oder auch Zellen im menschlichen Körper teilen eine beunruhigende Eigenschaft miteinander: Sie haben mehrere stabile Zustände. Wenn zum Beispiel der weltgrößte tropische Wald – der Amazonasdschungel – bei fortgesetztem Klimawandel plötzlich schrumpft oder unsere Energieversorgung kurzfristig zusammenbricht oder wenn gesunde Zellen plötzlich zu Krebszellen entarten, passiert ein Übergang von einem stabilen Zustand in einen anderen – allerdings in einen unerwünschten.
Davon ausgehend untersuchten jetzt die Ökosystemforscher vom Department für Mikrobiologie der Universität Wien Regenwaldbäume und ihre Reaktion auf den Klimawandel. Regenwaldbäume können Kohlenstoff langfristig speichern. Manche Arten mehr, manche weniger. Doch solche Senken könnten durch den menschlichen Eintrag von Treibhausgasen in die Atmosphäre schnell ein Ende finden. Wann, weiß man nicht. Ökosystemforscher Florian Hofhansel sagt: „Was wir aber sicher wissen: Ein Verlust tropischer Regenwälder wird immensen Einfluss auf das Weltklima haben.“Das Schwierige an solchen Prognosen ist: Das plötzlicheAbsterben einesWaldes ist ein seltenes Ereignis. Beobachtungsdaten sind also knapp. Daher ist ungeklärt, wie stark dieAuswirkungen sein werden, wenn tropische Ökosysteme plötzlich kippen.
Die Ökosystemforscher der UniversitätWien konnten aber nun anhand von Modellrechnungen zwei plausible Zukunftsszenarien entwerfen. Die eher schlechte Zukunft für die Erde bedeutet: Der prognostizierte Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur wird in Kombination mit dem erhöhten Eintrag von Nährstoffen durch menschliche Landnutzung (Düngung) und dem Verbrennen fossiler Brennstoffe (Kohlendioxid in der Luft) tropische Ökosystemprozesse stark beschleunigen. Das wiederum hat negative Auswirkungen auf die Kohlenstoffbilanz in den Tropen. Zu Deutsch: Sie nehmen immer weniger Kohlendioxid auf und werden als „Senke“irrelevant.
Das gute Szenario: Oder aber bestimmte Arten passen sich an die prognostizierten Bedingungen an und erhöhen ihre Produktivitätsraten: Dies würde dieAufnahmerate von Kohlendioxid aus der Atmosphäre (derzeit 60 Milliarden Tonnen pro Jahr) stabilisieren und damit negative Effekte ausgleichen. Es heißt also Daumen halten.