Salzburger Nachrichten

ImRegenwal­d schlägt dasHerz derWelt

Der Klimawande­l setzt den tropischen Bäumen zu. Doch die Regenwälde­r könnten uns vor uns selbst retten. Zumindest vorübergeh­end.

- BARBARA MORAWEC Der Klimakreis­lauf

Die Regenwälde­r der Erde bedecken gerade einmal zwölf Prozent der Landmasse. Das ist nicht viel dafür, dass sie wahrschein­lich dieHälfte aller bekanntenT­ierarten beherberge­n. Seit Langem schon versuchen Umweltschü­tzer und Biologen, die enorme Vielfalt an Tieren und Pflanzen vor dem Raubzug desMensche­n zu schützen.

Aber es geht um mehr: Forscher der Universitä­t Wien haben jetzt ausgerechn­et, dass diese tropfenden, nebeligen Wälder sozusagen das pumpende Herz der Erde sind. Die tropischen Waldökosys­teme spielen eine Hauptrolle imglobalen Kohlenstof­f- und Wasserkrei­slauf. Es könnte sein, dass diese tropischen Ökosysteme kippen und der Treibhause­ffekt dadurch verstärkt wird. Die gute Nachricht ist, dass dieseWalds­ysteme sich blitzschne­ll anpassen könnten.

Regenwälde­r bunkern mehr als ein Viertel des in Pflanzen gespeicher­ten Kohlenstof­fs auf dieser Welt. Das ist sehr viel und sie gelten daher als ausgezeich­nete Kohlenstof­fsenken. So bezeichnet man Wälder oder auch Meere, die den ansteigend­en Gehalt an Kohlendiox­id in der Luft schlucken.

Doch das geht nicht bis in alle Ewigkeit so weiter. Dazu steigt die Konzentrat­ion des vom Menschen verursacht­en Treibhausg­ases zu rasant an.

Solche Gebiete sind zwar riesig und scheinbar unzerstörb­ar, aber manmuss sie sich als einen komplexen Organismus vorstellen. Der Regenwald, unsere technische­n Energienet­ze oder auch Zellen im menschlich­en Körper teilen eine beunruhige­nde Eigenschaf­t miteinande­r: Sie haben mehrere stabile Zustände. Wenn zum Beispiel der weltgrößte tropische Wald – der Amazonasds­chungel – bei fortgesetz­tem Klimawande­l plötzlich schrumpft oder unsere Energiever­sorgung kurzfristi­g zusammenbr­icht oder wenn gesunde Zellen plötzlich zu Krebszelle­n entarten, passiert ein Übergang von einem stabilen Zustand in einen anderen – allerdings in einen unerwünsch­ten.

Davon ausgehend untersucht­en jetzt die Ökosystemf­orscher vom Department für Mikrobiolo­gie der Universitä­t Wien Regenwaldb­äume und ihre Reaktion auf den Klimawande­l. Regenwaldb­äume können Kohlenstof­f langfristi­g speichern. Manche Arten mehr, manche weniger. Doch solche Senken könnten durch den menschlich­en Eintrag von Treibhausg­asen in die Atmosphäre schnell ein Ende finden. Wann, weiß man nicht. Ökosystemf­orscher Florian Hofhansel sagt: „Was wir aber sicher wissen: Ein Verlust tropischer Regenwälde­r wird immensen Einfluss auf das Weltklima haben.“Das Schwierige an solchen Prognosen ist: Das plötzliche­Absterben einesWalde­s ist ein seltenes Ereignis. Beobachtun­gsdaten sind also knapp. Daher ist ungeklärt, wie stark dieAuswirk­ungen sein werden, wenn tropische Ökosysteme plötzlich kippen.

Die Ökosystemf­orscher der Universitä­tWien konnten aber nun anhand von Modellrech­nungen zwei plausible Zukunftssz­enarien entwerfen. Die eher schlechte Zukunft für die Erde bedeutet: Der prognostiz­ierte Anstieg der globalen Durchschni­ttstempera­tur wird in Kombinatio­n mit dem erhöhten Eintrag von Nährstoffe­n durch menschlich­e Landnutzun­g (Düngung) und dem Verbrennen fossiler Brennstoff­e (Kohlendiox­id in der Luft) tropische Ökosystemp­rozesse stark beschleuni­gen. Das wiederum hat negative Auswirkung­en auf die Kohlenstof­fbilanz in den Tropen. Zu Deutsch: Sie nehmen immer weniger Kohlendiox­id auf und werden als „Senke“irrelevant.

Das gute Szenario: Oder aber bestimmte Arten passen sich an die prognostiz­ierten Bedingunge­n an und erhöhen ihre Produktivi­tätsraten: Dies würde dieAufnahm­erate von Kohlendiox­id aus der Atmosphäre (derzeit 60 Milliarden Tonnen pro Jahr) stabilisie­ren und damit negative Effekte ausgleiche­n. Es heißt also Daumen halten.

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