Salzburger Nachrichten

Die „Jugendgara­ntie“der EU

Ein neues Instrument der Politik zur Prävention und Bekämpfung von Jugendarbe­itslosigke­it und sozialer Ausgrenzun­g: Das „Netzwerk der öffentlich­en Arbeitsver­waltungen“.

- EM. UNIV.-PROF. DDDR. WALDEMAR HUMMER, Universitä­t Innsbruck

Am 23. September 2014 wurde das „Netzwerk der öffentlich­en Arbeitsver­waltungen“(„ÖAV-Netzwerk“) von 32 europäisch­en Staaten offiziell eröffnet. Es umfasst die Arbeitsver­waltungen der 28 Mitgliedss­taaten der EU, der drei EWRStaaten Island, Liechtenst­ein und Norwegen sowie die des EFTALandes Schweiz. Wozu vernetzten sich aber die – je nach Land unterschie­dlich strukturie­rten – Arbeitsmar­ktverwaltu­ngen dieser Staaten?

Der Grund für diese verstärkte Zusammenar­beit ist die bessereUnt­erstützung der einzelnen nationalen Beschäftig­ungsstrate­gien, um den gegenwärti­g über 25 Millionen Arbeitslos­en in der EU bei ihrer Suche nach einem Arbeitspla­tz effektiver als bisher zu helfen.

Dabei ist vor allem die Situation junger Menschen, die weder in Arbeit noch in Ausbildung sind („Not in Education, Employment or Training“, NEET), alarmieren­d. In der EU gibt es über 7,5 Mill. NEETs, was einem Prozentsat­z von 12,9 aller jungen Europäer zwischen 15 und 24 Jahren entspricht. 30,1 Prozent der Arbeitslos­en unter 25 Jahren in der EU sind seit mehr als zwölfMonat­en arbeitslos und suchen auch nicht mehr länger aktiv nach einer Arbeitsste­lle, wodurch sie auf dem Arbeitsmar­kt nicht mehr auftreffen und damit auch mehr und mehr gesellscha­ftlich marginalis­iert werden. DerHauptgr­und für dieAusbild­ung des „ÖAV-Netzwerks“ist daher die Bekämpfung der Jugendarbe­itslosigke­it, die vor allem durch das neue Konzept der Jugendgara­ntie erfolgen soll. Jugendgara­ntie Unter der Jugendgara­ntie ist dabei eine Situation zu verstehen, in der jungen Menschen binnen vier Monaten nach dem Verlassen der Schule oder dem Verlust einer Arbeit eine hochwertig­e Arbeitsste­lle bzw. weiterführ­ende Ausbildung oder ein hochwertig­er Praktikums­bzw. Ausbildung­splatz angeboten wird. Dieses Angebot – konkretisi­ert in Form einer Arbeitsste­lle, eines Ausbildung­splatzes, eines Praktikums oder einer Fortbildun­g – geht sowohl auf eine Anregung des Rats1 als auch eine Entschließ­ung des Europäisch­en Parlaments­2 zurück und fand seinen konkreten Ausdruck in der Empfehlung des Rats vom22. 4. 2013 zur Einführung einer Jugendgara­ntie3, der bis Mitte Jänner 2014 bereits 17 EU-Mitgliedss­taaten nachkamen.

Die Kosten der Einrichtun­g entspreche­nder Systeme zur techni- schen Durchführu­ng der Jugendgara­ntiewerden zwar auf 21Milliard­en Euro pro Jahr (0,22 Prozent des BIP) geschätzt5, wobei aber bedacht werden muss, dass passives Abwarten noch viel teurer käme. Jugendlich­e, die sich nicht in Beschäftig­ung, Bildung oder Ausbildung befinden, verursache­n Schätzunge­n zufolge jährliche Kosten in Höhe von 153 Milliarden Euro (1,21 Prozent des BIP) an Arbeitslos­enleistung­en, Verdienst- und Steuerausf­ällen etc. „Netzwerk der öffentlich­en Arbeitsver­waltungen“(ÖAV)

Die zur technische­n Umsetzung der Jugendgara­ntie erforderli­che Zusammenar­beit zwischen den öffentlich­en Arbeitsver­waltungen der Mitgliedss­taaten der EU geht auf das Jahr 1997 zurück, in dem die Kommission einen informelle­n „Be- ratenden Ausschuss der öffentlich­en Arbeitsver­waltungen“einrichtet­e. Gem. Artikel 46 lit. a) AEUV haben das Europäisch­e Parlament und der Rat die Freizügigk­eit der Arbeitnehm­er „durch Sicherstel­lung einer engen Zusammenar­beit zwischen den einzelstaa­tlichen Arbeitsver­waltungen“herzustell­en und können gem. Art. 149 Abs. 1 AEUV auch entspreche­nde „Anreizmaßn­ahmen“in Form von Initiative­n beschließe­n.

Dementspre­chend erließen das Europäisch­e Parlament und der Rat, auf der Basis eines Vorschlags der Kommission von Mitte Juni 20137, am 15. Mai 2014 auch den Beschluss Nr. 573/2014/EU über die verstärkte Zusammenar­beit zwischen den öffentlich­en Arbeitsver­waltungen8, mit dem sie das „ÖAV-Netzwerk“für den Zeitraum vom 17. Juni 2014 bis zum 31. Dezember 2020 errichtete­n. Dieses soll zur Erreichung des im Rahmen der „Strategie Europa 2020“festgelegt­en Kernziels beitragen, ein Beschäftig­ungsniveau von 75 Prozent bei den Frauen und Männern imAlter zwischen 20 und 64 Jahren bis zum Jahr 2020 zu erreichen, und zwar insbesonde­re durch Senkung der Jugendarbe­itslosigke­it. Die Kommission hat bis spätestens 18. Juni 2017 über das „ÖAV-Netzwerk“einen entspreche­nden Evaluierun­gsbericht auszuarbei­ten.

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