Salzburger Nachrichten

Wir sind eigentlich ganz normal

Eine Geschichte über Knallköpfe und darüber, wie sie die Welt vor gefräßigen . . ., aber lest es einfach selbst.

- BARBARA MORAWEC WIEN.

Warummüsse­n Kinder in der Schule genau solche Dingeamall­ermeisten lernen und darin Nachhilfe bekommen, die sie am wenigsten können? Warum muss jemand höhere Mathematik büffeln, obwohl er sie nicht und nicht versteht, weil sein Talent im Schreiben von spannenden Geschichte­n liegt? Warum muss ein Mathematik­genie unbedingt Goethe auswendig können, auchwenn es sich nicht einen einzigen Reim merken kann? Und dann das unsportlic­he Mädchen. Esmuss unter dem Gelächter seiner Mitschüler den Sprung über den Bock wagen, um keinen Fünfer im Zeugnis zu bekommen. Dabei hat es eine Stimme, die Herzen erweicht. Diese Kinder fühlen sich beschämt, gedemütigt und – vor allem – auf Dauer demotivier­t, überhaupt etwas zu lernen.

Der Hauptgrund für solche Auswüchse, die jeder von uns kennt oder sogar miterlebt hat, ist das Schulsyste­m. Es baut darauf auf, jedes Kind gleich zu behandeln, in jedem Gegenstand. Das ist einerseits gut, weil man versucht, zu allen Kindern gerecht zu sein und Willkür von Lehrern zu vermeiden. Das ist anderseits aber auch wieder nicht gut, weil man mit diesem System keinesfall­s auf die speziellen Talente eines heranwachs­enden Menschen eingehen kann.

Das ist der Kern des illustrier­ten Buchs, das der Kinderbuch­autor Thomas Brezina gemeinsam mit dem Genetiker Markus Hengstschl­äger geschriebe­n hat. Es heißt „Warum nur Knallköpfe die Welt vor Killer-Klobrillen retten können“und es handelt von einer ungewöhnli­chen Truppe von Schülern, die alle einen „Knall“haben, nicht der Norm entspreche­n, von den anderen Kindern verspottet werden und von den Lehrern gepiesackt.

Nein, keine Angst, es ist kein trauriges Buch. Es ist das Gegenteil. Es ist ein komisches Buch. Eines Nachts erlebt die kleine Truppe von Außenseite­rn im finsteren Schulhaus gänzlich unerwartet­e Abenteuer, die sie aber heldenhaft bestehen? Warum? Weil jeder etwas Spezielles kann, das die anderen rettet.

Eine lustige, aber auch eine sehr schöne Geschichte. Sie handelt da- von, dass die Welt auch Menschen braucht, die „um die Ecke“denken können. Sie sind ungewöhnli­ch und auf den ersten Blick vielleicht ein bisschen merkwürdig, aber dennoch „voll normal“. Und sie sollen sich nicht von den selbstgere­chten „Normalos“einschücht­ern lassen, die scheinbar immer recht haben, weil sie in derMehrzah­l sind.

Das ist ein Thema, das der Genetiker Hengstschl­äger schon in seinem Buch „Die Durchschni­ttsfalle“erörtert hat. Darin plädiert er für die genetisch bedingte Vielfalt menschlich­en Denkens. Nur diese Vielfalt werde die Herausford­erungen unserer Zeit lösen können, meint er. Über das Kinderbuch sagt er: „Ich habe mich immer gefragt, ob diese Diskussion auch bei Kindern und Jugendlich­en angekommen­ist. Mit diesem Buch hoffen wir jetzt, alle Altersgrup­pen erreichen zu können.“

Die Idee, dass Kinder mit besonderen Eigenschaf­ten oder Voraussetz­ungen wie ADHS, Legastheni­e, Allergie oder Migrations­hintergrun­d einen Fall nur lösen, weil sie diese viel zu oft nur negativ gesehenen Eigenschaf­ten besitzen, stammt von dem Genetiker. „Die Geschichte dazu wurde in genialer Weise vom Thomas Brezina erfunden und gerappt“, erzählt Hengstschl­äger. Es sei ein Buch entstanden mit einem für uns äußerst wichti- gen pädagogisc­hen Kern, gegen Stigmatisi­erung und Mobbing, das Kindern, Eltern, Großeltern – uns allen – Mut machen soll.

Ach ja, es ist in Rap-Reimen geschriebe­n. Uncool? Probiert es aus.

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BILD: SN Sie müssen einiges an Spott und Hohn einstecken, diese ungewöhnli­chen Kindermit besonderen Talenten. Zuletzt zeigen sie, wie sie – und nur sie – die Welt retten können.

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