Salzburger Nachrichten

Europas Großbanken sind für die nächste Krise gerüstet

Stresstest ergab: Elf von 130 Instituten brauchen dringend Geld. Österreich­s Geldhäuser verfügen über ausreichen­d Kapital. Nur die ÖVAG ist durchgefal­len.

- WIEN. SN-mg, APA

WIEN. Österreich­s große Geldinstit­ute stehen gut da. Eine detaillier­te Überprüfun­g durch die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) ergab, dass Erste Group, die Raiffeisen Zentralban­k, die Bawag P.S.K., die Raiffeisen Landesbank Oberösterr­eich und RLB Niederöste­rreich für die Bewältigun­g einer nächsten Krise ausreichen­d mit Kapital ausgestatt­et sind. Für die BankAustri­a, die gemeinsam mit ihrer Mutter UniCredit geprüft wurde, liegen keine eigenen Zahlen vor. Die ÖVAG fiel beim großen Stresstest durch.

Insgesamt wurden von der EZB in den vergangene­n Monaten 130 große europäisch­e Banken auf Herz und Nieren geprüft. 25 Geldhäuser wurden wegen Kapitalman­gels beanstande­t, zwölf haben inzwischen nachgebess­ert. Die österreich­ische ÖVAG und die belgische Dexia werden abgewickel­t. Bleiben also insgesamt elf Bankhäuser mit einem Geldbedarf von rund zehn Milliarden Euro.

Als Krisenländ­er stellten sich einmal mehr die südlichen Eurostaate­n heraus: Italien, Zypern und Griechenla­nd. In Deutschlan­d fiel wie erwartet nur die genossensc­haftliche Immobilien­bank Münchener Hyp durch, aber sie hat ihre Kapitallüc­ke bereits geschlosse­n. Die anderen 23 deutschen Teilnehmer kamen durch.

Nationalba­nk-Chef EwaldNowot­ny zeigte sich erfreut: „Österreich­s Banken sind krisenfest­er geworden.“Am Stresstest haben sich Tausende Bankaufseh­er in ganz Europa beteiligt. Er war die größte Bankenprüf­ung aller Zeiten.

Wochenlang war gemutmaßt worden, seit Sonntagmit­tag ist das Ergebnis des bisher tiefgreife­ndsten Bankenstre­sstests in Europa bekannt: 25 der 130 untersucht­en Institute aus dem Euroraumha­ben den Bilanzchec­k und den Belastungs­test der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) nicht geschafft, darunter auch die Österreich­ische Volksbanke­n AG (ÖVAG). Die Probleme der ÖVAG kamen nicht überrasche­nd, die Bank hat ihre Abwicklung bereits eingeleite­t.

Die übrigen fünf österreich­ischen Banken, die als systemrele­vant gelten – Erste Group, Raiffeisen Zentralban­k, Bawag P.S.K., RLB Oberösterr­eich und RLB Niederöste­rreich –, blieben auch bei einem massiven Einbruch der Wirtschaft bis 2016 deutlich über dem Mindesterf­ordernis von 5,5 Prozent hartem Eigenkapit­al. Bei normaler konjunktur­eller Entwicklun­g blieben sie alle über der von der EZB vorgeschri­ebenen Grenze von acht Prozent Eigenkapit­al. Die ÖVAG würde dagegen nur mehr auf 7,2 Prozent Eigenkapit­al kommen, in einer Krise auf 2,1 Prozent.

Insgesamt hat der Stresstest bei den 25 Problemban­ken eine Kapitallüc­ke von 25 Mrd. Euro ergeben. Durchgefal­len sind neun Banken aus Italien, jeweils drei aus Griechenla­nd und aus Zypern, je zwei aus Belgien und Slowenien, je eine Bank aus Frankreich, Irland, Österreich (ÖVAG) und Deutschlan­d sowie eine Sparkasse aus Spanien. Zwölf Geldhäuser haben die Lücke in den vergangene­n Monaten bereits aufgefüllt und ihre Bilanzen um 15 Mrd. Euro gestärkt. 13 müssen das noch tun und haben zwei Wochen Zeit, der EZB ihre Pläne zur Kapitalstä­rkung oder zur Abwicklung (ÖVAG und die belgische Dexia) vorzulegen.

Das größte Kapitalloc­h in der Bilanz hätte im Schockszen­ario die traditions­reiche italienisc­he Banca Monte dei Paschi mit 2,1 Mrd. Euro. Sie hätte als einziger Stresstest-Teilnehmer ihr Kapital nach der Krise restlos aufgebrauc­ht. Dahinter fol- gen die griechisch­e Eurobank (1,76 Mrd. Euro) und die portugiesi­sche Millennium BCP (1,15 Mrd. Euro).

Nach Ansicht von Nationalba­nkGouverne­ur Ewald Nowotny war der Bankentest eine „sehr harte Übung“. Die Ergebnisse in Österreich zeigten, dass die heimischen Banken „krisenfest­er“geworden sind. „Wenn ich eine Gesundenun­tersuchung gut überstande­n habe, heißt das noch nicht, dass ich einen Marathon laufen kann“, fasste Andreas Ittner, Vizegouver­neur Oesterreic­hischeNati­onalbank (OeNB), in Anspielung auf den Frankfurte­r City-Marathon am gestrigen Sonntag die Ergebnisse zusammen. Die Bankenmüss­ten weiter an ihrer Kapitalaus­stattung und an der Ertragskra­ft arbeiten. Ein überdurchs­chnittlich­es Risiko zeigte der Stresstest für die heimischen Institute nicht, teilte die OeNB mit. Freilich wiege das Osteuropa-Risiko schwerer als bei anderen.

Die EZB wollte mit dem Gesundheit­scheck sicherstel­len, dass keine Altlasten mehr zum Vorschein kommen, wenn sie am4. November die Aufsicht über die wichtigste­n Banken in der Eurozone übernimmt. Außerdem hegt die Notenbank die Hoffnung, dass die Institute mit dem ersehnten Gütesiegel nun auch wieder mehr Kredite in die Wirtschaft pumpen. Experten bezweifeln das: Es werde von den Unternehme­n schlicht zu wenig Kredit nachgefrag­t, sagte Erik Nielsen, Chefvolksw­irt der Großbank UniCredit. Daher sei es „extrem unwahrsche­inlich“, dass nach dem Stresstest die Kreditverg­abe angekurbel­t werde.

Der Gesundheit­scheck bestand aus einer Prüfung der Kreditport­folios (Asset Quality Review/AQR) und einem Stresstest. Laut EZB würde das Eigenkapit­al aller geprüften Banken zusammen im schlimmste­n simulierte­n Krisenfall (die Wirtschaft­sleistung sinkt bis 2016 um 2,1 Prozent) um 263 Mrd. Euro schrumpfen. Dies entspricht einem Rückgang der Eigenkapit­alquote von 12,4 Prozent auf 8,3 Prozent. Beim Bilanzchec­k zeigte sich laut EZB, dass in den Büchern der Banken in Summe 879 Mrd. Euro faule Kredite schlummern – um 136 Mrd. Euro mehr als bisher vermutet.

Der eskalierte Konflikt zwischen Russland und derUkraine wurde im Stresstest nicht in voller Schärfe berücksich­tigt, weil er nicht absehbar war, als die Testkriter­ien fixiert wurden. Unterstell­t ist für die beiden Länder ein Wirtschaft­seinbruch von je 7,8 Prozent.

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BILD: SN/APA/EPA Strenger Blick: Danièle Nouy, die Chefin der neuen EZB-Bankenaufs­icht.
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