Kunst, die jetzt groß aus der Ecke kommt
SALZBURG. Achtung! Die fünf „Stehtische“im ersten Raum der neuen Ausstellung desMuseums der Moderne (MdM) auf dem Mönchsberg sind nicht dazu da, darauf Gegenstände abzulegen oder sich gemütlich hinzulümmeln. Sie sind eine Installation von Heimo Zobernig, dem nächstjährigen Österreich-Vertreter auf der Biennale von Venedig, und folglich: Kunst.
Sabine Breitwieser, die Direktorin des MdM, hat gemeinsam mit der neuen Kuratorin des Hauses, Beatrice von Bormann, zum zweiten Mal eine Werkauswahl aus den Schätzen der dem Museum zugewachsenen Sammlung der Generali Foundation zusammengestellt. Damit kommt Salzburg ausgiebig in Berührung mit zeitgenössischer, zeitkritischer, vorwiegend konzeptueller Kunst von den 1960er-Jahren bis in die Gegenwart. Es ist ein Segment, das bislang hier wenig in Ausstellungen beackert wurde – und absehbar in dieser Direktionsägide des Museums den Schwerpunkt der Präsentationen bildet. Ein wichtiger Teil aktueller Kunst(geschichte) kommt damit sozusagen groß aus der Ecke.
Apropos: Aus dieser konkreten Raumsituation heraus entwickelte auch Anna Oppermann ihre detailreich arrangierten Installationen. Ihr „Spiegelensemble“von 1965 mit unzähligen Kunst- und Fundstücken, die wie zu einem Altar geschichtet sind, ist eine der ersten Assemblagen, die Breitwieser für die GeneraliSammlung aus dem Werk der 1993 gestorbenen deutschen Künstlerin erworben hat.
Große „installative“Werkkomplexe beherrschen denn auch die jetzige Überblicksschau, die das Thema „Systeme & Subjekte“gewählt hat. Der erste Begriff steht zentral für Breitwiesers Kunstkonzeption: Kunst als (Selbst-)Spiegel des Betriebssystems Kunst, Kunst und Ökonomie, Kunst und Politik, Kunst und Gesellschaft.
„Subjekte“vertreten dialogisch die weiter zurückliegende Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts. Dabei nimmt die so anregende wie straff fokussierteAusstellung Bezug auf den Grundstock der hauseigegenen Sammlung, die Schenkung des Galeristen Friedrich Welz. Mit einer Fülle von Druckgrafiken und Mappenwerken der klassischen Moderne richtete sich diese Sammlung dezidiert auf das Menschenbild in dermodernen Kunst aus.
Diese „Menschen“in einer Auswahl aus Arbeiten von Max Beckmann, George Grosz, MaxKlinger bis zu Karl Rössings zeitkritischer Mappe „Mein Vorurteil gegen diese Zeit“(1927–1931) treten in Beziehung zu den so anders gear-
ImDialog zwischen Wand und Raum
teten, aber inhaltlich ebenso (gesellschafts)„kritisch“eingestellten konzeptuellen neue(re)n Arbeiten. Schon wegen des Formats bleibt diese vergleichsweise „alte“Kunst aber, wo sie imMuseum in der Regel hingehört: an derWand.
Was sich in den Räumen ausbreitet, braucht intensivere Auseinandersetzung schon allein deswegen, weil Erläuterungen der Hintergründe der Produktion unabdingbar sind. Ob das Zirkulationssystem von Wasser (Hans Haacke) oder jenes von Ausstellungseinladungskarten (Robert Barry), Happeningoder Aktionsdokumentationen (Edward Krasinski, Július Koller), raumumspannende Geschichten („Aerospace Folktales“von Allan Sekula oder Andreas Siekmanns „Gespensterökonomie“, in der unter anderem Plastikfiguren aus Überraschungseiern „Musik“machen) oder Abhandlungen über den Warencharakter von Kunst (Maria Eichhorn u. a.): Nur über den Kontext ist da der ästhetische Kunstwert schlüssig erklärbar. Das aber kann durchaus zu einer spannenden Entdeckungsreise werden.
Ausstellung:
„Systeme & Subjekte“, Museum der Moderne, Salzburg, bis 3. Mai 2015.