Salzburger Nachrichten

Die Revolution hat uns gemacht

Mit weißem Lehm im Gesicht ist Joachim Meyerhoff als Danton müde von der Revolution. Der Tod ist ständiger Begleiter.

- JULIA DANIELCZYK WIEN. Danton in Büchners Drama „Dantons Tod“von Georg Büchner, Burgtheate­r Wien, nächste Vorstellun­gen: 31.10., 4., 7., 10., 16., 19. 11.

Die Revolution frisst ihre Kinder: Nicht nur Danton und seine Mitstreite­r Lacroix und Desmoulins pflastern am Ende als Leichen die raffiniert­e Bühne, auch die jugendlich­en Sänger verschiede­ner Wiener Kinderchör­e, die mit glockenhel­ler Stimme die „Marseillai­se“singen, werden Opfer des Terrors, nachdem sie die Bühne erstürmt haben. Hier türmen sich Berge von Kleidern, die Revolution hat TausendeMe­nschenlebe­n gefordert.

Georg Büchner siedelt in seinem

„Ich hab es satt; wozu sollen wirMensche­n miteinande­r kämpfen?“

Drama „Dantons Tod“die Ereignisse fünf Jahre nach Ausbruch der Französisc­hen Revolution an: Danton, damals Justizmini­ster, hatte – als feindliche Truppen auf französisc­hes Gebiet vorrückten und Verdun eroberten – die Septemberm­orde 1792 mitzuveran­tworten. Durch sogenannte Volkstribu­nale wurden bis zu 1400 politische Gefangene, mutmaßlich­e Feinde der Revolution, umgebracht.

Nun ist Danton müde, die Revolution nimmt kein Ende, der Tod ist ein ständiger Begleiter. „Wenn es ginge – ich will lieber guillotini­ert werden als guillotini­eren lassen. Ich hab es satt; wozu sollen wir Menschen miteinande­r kämpfen?“

In Jan Bosses Inszenieru­ng, die am Samstag imBurgthea­ter Premiere hatte, geht es um die Frage, was Revolution heute heißt, was sie heute mit uns macht.

„Das Gewissen ist ein Spiegel, vor dem ein Affe sich quält“, kontert Danton seinem Mitstreite­r und späteren Mörder, „dem empörend rechtschaf­fenen“Robespierr­e, der unter dem Deckmantel der Tugend seine sadistisch­en Vernichtun­gsaktionen rechtferti­gt. Einer wie Robespierr­e macht auch vor Danton nicht halt.

Die Totenstarr­e nimmt Danton vorweg: Joachim Meyerhoff klatscht sich weißen Lehm ins Gesicht, setzt sich eine Perücke auf und nimmt den Lebenswand­el der zerschlage­nen Aristokrat­ie ein. Und er zitiert Heiner Müllers Blick auf die Revolution­en im 20. Jahrhunder­t. Dieser Danton ist ein Hedonist, der im seidenen Morgenmant­el zu den Huren geht, längst von der Syphilis gezeichnet. Ist es da nicht egal, ob man an der Seuche oder an der Revolution stirbt?

Dennoch rennt er um sein Leben und das der jungen Republik, gegen die Laufrichtu­ng der sich unentwegt drehenden Bühne, gegen das Rad der Geschichte. Eine unruhige Sache ist diese Agonie auf der mit reichlich Dekors und Versatzstü­cken überladene­n Bühne.

Stéphane Laimé hat einen raffiniert­en Setzkasten eingericht­et, der technisch viel bietet und Assoziatio­nen auf die Bürgerkrie­ge der letzten 200 Jahre eröffnet. Trotz aller Raffinesse bleiben die Kammern aber leer und unbespielt.

Die Regie konzentrie­rt sich ganz auf das Gegensatzp­aar Robespierr­e und Danton. Dem Lebemann steht Michael Maertens als schwarz gewandeter „Blutmessia­s“gegenüber.

Maertens sieht dabei nicht nur wie der Auftragski­ller Anton aus dem Coen-Film „No Country for Old Men“aus, sondern er trinkt auch wie dieser Milch. Mit streng frisiertem Pagenkopf und sanftem Lächeln behält er Contenance, wenn er eiskalt den Auftrag zum Mord an seinen Freunden gibt.

Maertens und Meyerhoff bilden einen starken Kontrast in dieser gut zweistündi­gen Inszenieru­ng, die auf Symbole und Metaphern setzt, in den Nebenrolle­n aber unklar bleibt und zu keinem Rhythmus findet. Freundlich­er Applaus galt der Regie und dem Ensemble, die Protagonis­ten Meyerhoff und Maertens ernteten verdienter­maßen reichlich Bravos.

 ?? BILD: SN/APA/HERBERT NEUBAUER ?? Verschmier­t und gezeichnet: Joachim Meyerhoff als Danton im Burgtheate­r.
BILD: SN/APA/HERBERT NEUBAUER Verschmier­t und gezeichnet: Joachim Meyerhoff als Danton im Burgtheate­r.

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