Die Revolution hat uns gemacht
Mit weißem Lehm im Gesicht ist Joachim Meyerhoff als Danton müde von der Revolution. Der Tod ist ständiger Begleiter.
Die Revolution frisst ihre Kinder: Nicht nur Danton und seine Mitstreiter Lacroix und Desmoulins pflastern am Ende als Leichen die raffinierte Bühne, auch die jugendlichen Sänger verschiedener Wiener Kinderchöre, die mit glockenheller Stimme die „Marseillaise“singen, werden Opfer des Terrors, nachdem sie die Bühne erstürmt haben. Hier türmen sich Berge von Kleidern, die Revolution hat TausendeMenschenleben gefordert.
Georg Büchner siedelt in seinem
„Ich hab es satt; wozu sollen wirMenschen miteinander kämpfen?“
Drama „Dantons Tod“die Ereignisse fünf Jahre nach Ausbruch der Französischen Revolution an: Danton, damals Justizminister, hatte – als feindliche Truppen auf französisches Gebiet vorrückten und Verdun eroberten – die Septembermorde 1792 mitzuverantworten. Durch sogenannte Volkstribunale wurden bis zu 1400 politische Gefangene, mutmaßliche Feinde der Revolution, umgebracht.
Nun ist Danton müde, die Revolution nimmt kein Ende, der Tod ist ein ständiger Begleiter. „Wenn es ginge – ich will lieber guillotiniert werden als guillotinieren lassen. Ich hab es satt; wozu sollen wir Menschen miteinander kämpfen?“
In Jan Bosses Inszenierung, die am Samstag imBurgtheater Premiere hatte, geht es um die Frage, was Revolution heute heißt, was sie heute mit uns macht.
„Das Gewissen ist ein Spiegel, vor dem ein Affe sich quält“, kontert Danton seinem Mitstreiter und späteren Mörder, „dem empörend rechtschaffenen“Robespierre, der unter dem Deckmantel der Tugend seine sadistischen Vernichtungsaktionen rechtfertigt. Einer wie Robespierre macht auch vor Danton nicht halt.
Die Totenstarre nimmt Danton vorweg: Joachim Meyerhoff klatscht sich weißen Lehm ins Gesicht, setzt sich eine Perücke auf und nimmt den Lebenswandel der zerschlagenen Aristokratie ein. Und er zitiert Heiner Müllers Blick auf die Revolutionen im 20. Jahrhundert. Dieser Danton ist ein Hedonist, der im seidenen Morgenmantel zu den Huren geht, längst von der Syphilis gezeichnet. Ist es da nicht egal, ob man an der Seuche oder an der Revolution stirbt?
Dennoch rennt er um sein Leben und das der jungen Republik, gegen die Laufrichtung der sich unentwegt drehenden Bühne, gegen das Rad der Geschichte. Eine unruhige Sache ist diese Agonie auf der mit reichlich Dekors und Versatzstücken überladenen Bühne.
Stéphane Laimé hat einen raffinierten Setzkasten eingerichtet, der technisch viel bietet und Assoziationen auf die Bürgerkriege der letzten 200 Jahre eröffnet. Trotz aller Raffinesse bleiben die Kammern aber leer und unbespielt.
Die Regie konzentriert sich ganz auf das Gegensatzpaar Robespierre und Danton. Dem Lebemann steht Michael Maertens als schwarz gewandeter „Blutmessias“gegenüber.
Maertens sieht dabei nicht nur wie der Auftragskiller Anton aus dem Coen-Film „No Country for Old Men“aus, sondern er trinkt auch wie dieser Milch. Mit streng frisiertem Pagenkopf und sanftem Lächeln behält er Contenance, wenn er eiskalt den Auftrag zum Mord an seinen Freunden gibt.
Maertens und Meyerhoff bilden einen starken Kontrast in dieser gut zweistündigen Inszenierung, die auf Symbole und Metaphern setzt, in den Nebenrollen aber unklar bleibt und zu keinem Rhythmus findet. Freundlicher Applaus galt der Regie und dem Ensemble, die Protagonisten Meyerhoff und Maertens ernteten verdientermaßen reichlich Bravos.