Reformduo rechnet mitMinus
Bekommen der steirische Landeshauptmann Franz Voves (SPÖ) und sein Stellvertreter Hermann Schützenhöfer (ÖVP) bei der Landtagswahl die Rechnung präsentiert?
GRAZ. Bezirke wurden zusammengelegt, Abteilungen der Landesverwaltung aufgelassen, die Zahl der Gemeinden wird mit Jahresbeginn von 542 auf 288 reduziert, der Landtag und die Landesregierung werden nach der nächsten Wahl verkleinert, der Proporz abgeschafft sein: Die Steiermark wurde in den vergangenen vier Jahren in ihren Grundfesten erschüttert.
Der ehrgeizige Reformkurs der SPÖ-ÖVP-Koalition gilt im politischen Establishment der Republik mittlerweile als Vorzeigeprojekt. Teilweise auch alsÄrgernis, weil es an eigenen Reformbedarf erinnert. Seit der letzten Landtagswahl 2010 regieren die beiden steirischen Parteichefs über Parteigrenzen hinweg im inhaltlichen Gleichschritt. Landeshauptmann Franz Voves (SPÖ) und sein Stellvertreter Hermann Schützenhöfer (ÖVP) macht dieser Ausbruch aus den landläufigen Mechanismen der Politik stolz und zufrieden.
„Für mich ist es die glücklichste Zeit in der Politik“, sagen sie wortident bei einem Gespräch mit den Chefredakteuren der Bundesländerzeitungen. Auch darüber, dass der Bund gut daran täte, sich amsteirischen Reformeifer ein Beispiel zu nehmen, sind sich einig. Die zuletzt enttäuschenden Wahlergebnisse bei Nationalrats- und EU-Wahlen in der Steiermark wollen sie dagegen nicht als Absage an ihren Reformkurs verstanden wissen. „Auch wenn es viele freuen würde, wenn wir auf dieNase fallen, weil sie selbst damit vomReformbedarf freigespielt wären“, sagt Schützenhöfer. Für Voves liegt ein Minus von fünf bis sieben Prozent bei der Landtagswahl im Herbst 2015 dennoch im Bereich des Möglichen. Er selbst nennt als Ziel „30 plus“, auch Schützenhöferwill „einen Dreier vorn“. Eine Neuauflage des Konflikts von der Zeit vor 2010werde es im Wahlkampf aber nicht geben. „Da darf man sich nicht selbst anlügen, für einen künstlichen Streit würde ich mich schämen“, sagt Schützenhöfer, auch wenn er wisse, „dass Harmonie dem Ersten mehr nützt“. Bei der Wahl 2010 lag die SPÖ ein Prozent vor der ÖVP.
„Ich werde beim Parteitag der SPÖ anwesend sein.“
Franz Voves, Landeshauptmann
Und in noch einem spiegeln sich die beiden Landesparteichefs: In ihrer Distanz zu den jeweils eigenen Bundesparteien. Bei Voves ist die Entfremdung ausgeprägter. „Ich werde anwesend sein“, sagt er leidenschaftslos über seine Rolle am SPÖ-Bundesparteitag Ende November. Ob er Parteichef Werner Faymann unterstützen werde? „Das fällt unter das Wahlgeheimnis“, bleibt Voves vage.
Der Steirer hat sich aus allen Bundesparteifunktionen zurückgezogen, will diese Ebene auch nicht mehr kommentieren – und tut es trotzdem und das ausgerechnet mit einem konzentrierten Lob für ÖVPGranden. Sebastian Kurz sei „eine Bereicherung für die Politik“, auch in Parteichef Reinhold Mitterlehner und Finanzminister Hans Jörg Schelling setze er „große Hoffnungen“. Er attestiert ihnen, „sehr konzeptionelle Vorschläge“präsentiert zu haben. „Ich traue der neuen ÖVP-Führung wirklich einiges zu“, streut er Rosenblüten. Seinen eigenen Genossen bleiben die Dornen: „Da gibt es Teile, die sich nicht von der Tradition loslösen können. Bei manchen Vorschlägen, die ich in Wien gemacht habe, wäre es besser gewesen, ich wäre zum Heurigen gegangen.“Sein Fazit: „Auf Bundesebene bin ich irgendwie ein Fremder.“
Auch Schützenhöfer kennt das. „Die, die in Sitzungen etwas sagen, sind die Aussätzigen, jene, die nichts sagen, bremsen die Reformen“, zeichnet er ein erstarrtes Innenbild seiner Partei.
Beide raten ihren Parteien zu einer Öffnung. „Mit den Programmen des 20. Jahrhunderts werden wir die Generationen des 21. Jahr- hunderts nicht erreichen“, warnt Voves. „SPÖ und ÖVP haben aber nicht ausgedient, sofern sie erkennen, dass ihre Strukturen nicht mehr der Wirklichkeit entsprechen“, unterstreicht Schützenhöfer. Unisono plädieren sie Richtung
„Manche glauben, sie können sich durchschwindeln.“
Hermann Schützenhöfer, LH-Stv. Bund, „den Mut zu finden, sich selbst und denMenschen dieWahrheit zuzumuten“. Und zwar? „Wir sind ein Schuldenstaat – auchwenn wir im EU-Vergleich gut liegen und manche glaubten, sich in einigen Bereichen durchschwindeln zu können“, formuliert Schützenhöfer.
Die jüngste Reaktion von Faymann auf den Rüffel aus Brüssel bezüglich der Budgetpolitik des Bundes („Wir wollen kein Musterschüler sein“), kann auch Voves nicht verstehen. Statt an Negativbeispielen solle man sich weiterhin an Deutschland orientieren.