„Sind Sie für die Terroristen?“
Beim Tag der offenen Moschee wurde geklärt, was Bibel und Koran gemeinsam haben, ob Ungläubige getötet werden und was radikale Islamkritiker und Islamisten verbindet.
WIEN. Franz Bezgovsek drückt die Glastür zum Gebetsraum des Islamischen Zentrums in Floridsdorf mit Schwung auf. Nach einem herzlichen „Grüß Gott“geht er behutsamüber den roten Teppich, setzt sich vor den Imam und hebt die Hand. Der 49-Jährige hat viele Fragen zum „Tag der offenen Moschee“mitgebracht: „Wieso steht im Koran, man soll Ungläubige töten?“und „Was sind eigentlich Salafisten?“
Die Organisatoren hatten sich auf solche Fragen vorbereitet. „Themen wie Frauendiskriminierung, Zwangsehe und Extremismus werden oft angesprochen“, sagt Hurije Ajredini. Am Samstag war sie vor allem damit beschäftigt, den Besuchern den Gebetsraumzu erklären.
500 Leute besuchen am „Tag der offenenMoschee“, der heuer das zweite Mal in acht Bundesländern stattfand, das an der Donau gelegene Islamische Zentrum. Studenten, Pensionisten, Nachbarn und Touristen sitzen auf den dicken Teppichen. Es riecht nach starkem Kaffee und süßem Baklava, vor dem Gebetsraum stapeln sich die Schuhe.
Die Neugier treibe sie an, erklärt die pensionierte Lehrerin Gerda Zim. Früher habe sie viele muslimische Schüler gehabt und vieles nicht verstanden. Etwa warum muslimische Schüler während der Fastenzeit nicht zum Turnunterricht gehen. Es sind viele alltägliche Fragen, die die Besucher beschäftigen: Ob Sommer- und Winterzeit auf die Gebetszeiten Auswirkungen haben und ob Autofahren während des Ramadan erlaubt ist. „Ja, wir Muslime stellten sich am Tag der offenen Moscheen den vielen kritischen Fragen der Besucher. reiten nicht auf Kamelen“, antwortet eine junge Mitarbeiterin. Alle lachen. Die Stimmung scheint gelöst, Gemeinsamkeiten werden gesucht, Hände geschüttelt. Doch die Angst vor dem islamistischen Extremismus kehrt immer wieder. „Sind Sie für die Terroristen?“, platzt eine ältere Frau heraus. „Drei Mal dürfen sie raten“, sagt Ramazan Demir, muslimischer Seelsorger und Mitorganisator. Muslime fühlen sich in diesen Tagen oft wie in einem Kreuzverhör.
Auch das Islamische Zentrum kommt nicht aus der Kritik. Der Österreicher Faris H., der für die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) kämpft, gab an, er habe in der Floridsdorfer Moschee erste Kontakte zu Extremisten geknüpft. Für Ramazan Demir ist das unwahrscheinlich. „Aber ich kann natürlich nicht in die Köpfe der Leute blicken.“Auch nicht in die Köpfe jener zwei Männer, die sich abseits des Trubels vor der Moschee in Militärhosen mit dem Handy fotografieren. Dabei strecken sie den Zeigefinger in den Himmel. Eine Geste, die im Islam üblich ist und die auch IS-Sympathisanten gern verwenden.
„Sie können nicht alle unter Generalverdacht stellen“, sagt Ramazan Demir. Er diskutiert in einer Nische mit Lene L. Sie erzählt von prügelnden Islamisten und hetzenden Imamen. „Kommen Sie, gehen wir zum Verfassungsschutz“, sagt Demir. Die 33-Jährige wird leise. Sie habe Angst um die europäischenWerte, umihre Freiheit und vor demKoran. Den hält sie in der Hand, zwischen den Seiten blitzen Zetteln hervor. Markierungen für ihre Fragen. „Sie lesen den Koran wie die Extremisten“, sagt Demir. „Sie picken sich Sätze heraus und halten sie für dieWahrheit.“
Auch Franz Bezgovsek hat den Koran gelesen und will endlich wissen, warum Nicht-Muslime getötet werden sollen. Der Imam holt tief Luft: „Der Koran wurde in einer Zeit geschrieben, in der es viele Kriege gab. In der ganzen Passage steht, dass man die Angreifer, das waren damals Nicht-Muslime, töten soll.“Der Imam blickt in die Runde und sagt: „Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert. – Weiß jemand, wo dieser Satz steht?“Stummes Kopfschütteln. „In der Bibel.“
Herr Bezgovsek nimmt sich ein Baklava. Das schmeckt ihm augenscheinlich. Ob alle seine Fragen beantwortet wurden? „Ich muss erst darüber nachdenken.“