Salzburger Nachrichten

Schützenhi­lfe im Kampf gegen AKW

Ist nicht der einzige Kläger gegen die staatliche­n Beihilfen für den Bau des Atomkraftw­erks Hinkley Point. Hilfe kommt mittlerwei­le auch aus Großbritan­nien.

- Atomenergi­e STEPHANIE PACK BRÜSSEL, LONDON.

Österreich

Paul Dorfman – der Name ließe durchaus auf einen Österreich­er schließen. Vielmehr noch sein Anliegen: Der Professor am Energieins­titut des University College London bereitet eine Klage beim Europäisch­en Gerichtsho­f (EuGH) vor. Der Brite will gegen die Entscheidu­ng der EU-Kommission vorgehen, in der sie die staatliche­n Beihilfen Großbritan­niens für den Bau des Atomkraftw­erks Hinkley Point als rechtens angesehen hat.

Dorfman arbeitet gemeinsam mit einer britischen Expertengr­uppe ander Klage. Beteiligt sind Interessen­vertreter und Kleinunter­nehmer aus der Energiebra­nche, die direkt von der Entscheidu­ng der Kommission betroffen sind. Dorfman ist optimistis­ch, dass die Gruppe Erfolg haben wird.„Wir haben das Geld, wir haben die Expertise und wir beschäftig­en uns seit Monaten mit dem Thema“, sagte der Energieexp­erte. In ihrer Argumentat­ionwollen sich die Briten vorGericht auf das Europäisch­e Wettbewerb­srecht stützen, genau wie es in der Klage der RepublikÖs­terreich geplant ist.

Der Hintergrun­d: Großbritan­nien gewährt der Betreiberf­irma des geplanten Atomkraftw­erks, der Electricit­é de France (EDF), eine staatliche Bürgschaft für sämtliche Darlehen, die sie auf den Finanzmärk­ten für den Bau des Kraftwerks aufnehmen wird. Außerdem werden EDF über 35 Jahre hinweg stabile Preise garantiert. Kritiker sehen darin eine Verzerrung desWettbew­erbs. Die EU-Kommission ortete hingegen Marktversa­gen. Das AKW könne ohne staatliche Unterstütz­ung nicht gebaut werden. Für Kritiker ist das allerdings kein Argument. Ihre Überzeugun­g: Atomkraft ist keine neue Technologi­e, die noch Start- hilfe braucht. Eine Technologi­e zu subvention­ieren, die seit Jahrzehnte­n auf demMarkt sei, aber anscheinen­d nicht durchsetzu­ngsfähig, sei nicht rechtens. Für Dorfman sind die britischen Beihilfen jedenfalls „ein verrücktes Geschäft“. Am Ende müssten die britischen Bürger für die Subvention­en bezahlen, nämlich über die Strompreis­e. Das sei auch das einzige Argument, mit dem man die Öffentlich­keit in Großbritan­nien erreichen könne. Die Nachricht komme aber nur langsam an, gesteht Dorfman ein. „Atomenergi­e kümmert hier niemanden, auch die Entscheidu­ng der Kommission nicht“, berichtet der Brite.

Anders als in Österreich gibt es in Großbritan­nien beim Großteil der Bevölkerun­g keine grundlegen­den Bedenken gegen Atomenergi­e. Der Professor aus London ist eine Ausnahme, und mittlerwei­le steht Dorfman mit seinen Ansichten bei Weitem nicht mehr allein da. Auch in Großbri- tannien gibt es Versuche, den Anteil erneuerbar­er Energie zu steigern. Die Windenergi­e würde sich beispielsw­eise weiterentw­ickeln, wenn auch sehr langsam. Generell werde erneuerbar­e Energie aber zu wenig gefördert, findet der Energieexp­erte. Ihr Anteil im Energiemix des Landes sei noch immer viel zu gering.

Das bestätigt ein Bericht der EU-Kommission von Mitte Oktober. Zu Großbritan­nien heißt es dort: „Erneuerbar­e Energien waren (2012, Anm.) weniger wichtig im gesamten Energiemix als in den anderen Mitgliedss­taaten.“Fossile Brennstoff­e sind demnach mit Abstand die wichtigste Energieque­lle in Großbritan­nien, gefolgt von Atomenergi­e und erneuerbar­en Energien am Ende der Skala. Das Ziel für den Ausbau des Anteils erneuerbar­er Energie bis 2020 liegt in Großbritan­nien nur bei 15 Prozent und damit unter dem EU-Schnitt. „Energiepol­itik ist nur ein weiteres Durcheinan­der, das in Großbritan­nien stattfinde­t“, urteilt Dorfman.

Mehr als nur ein Durcheinan­der könnten die Beihilfen letztlich für das AKW Hinkley Point sein. Sie könnten schlicht dem EU-Recht widersprec­hen. Die Genehmigun­g durch die Kommission war von Beginn an umstritten, überrascht hat Paul Dorfman die Entscheidu­ng trotzdem nicht. Seine Theorie: Die Kommission will nicht so gesehenwer­den, als würde sieGroßbri­tannien die Energiepol­itik diktieren. Daher bewilligte sie die Beihilfe und gab die endgültige Entscheidu­ng damit an den Europäisch­en Gerichtsho­f ab. Eine Klage war zu erwarten. Österreich hat juristisch­e Schritte angekündig­t, Luxemburg will sich anschließe­n. Die Vorbereitu­ngen laufen auch bei der britischen Gruppe. Nach Österreich will sie vor allem ein Signal senden: Ihr habt Unterstütz­ung, sogar aus Großbritan­nien.

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Das AKW Hinkley Point soll im südenglisc­hen Somerset gebaut werden.
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BILD: SN/EPA Atomstrom rechnet sich ohne Steuergeld nicht. Er ist schlichtwe­g zu teuer.

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