Schützenhilfe im Kampf gegen AKW
Ist nicht der einzige Kläger gegen die staatlichen Beihilfen für den Bau des Atomkraftwerks Hinkley Point. Hilfe kommt mittlerweile auch aus Großbritannien.
Österreich
Paul Dorfman – der Name ließe durchaus auf einen Österreicher schließen. Vielmehr noch sein Anliegen: Der Professor am Energieinstitut des University College London bereitet eine Klage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) vor. Der Brite will gegen die Entscheidung der EU-Kommission vorgehen, in der sie die staatlichen Beihilfen Großbritanniens für den Bau des Atomkraftwerks Hinkley Point als rechtens angesehen hat.
Dorfman arbeitet gemeinsam mit einer britischen Expertengruppe ander Klage. Beteiligt sind Interessenvertreter und Kleinunternehmer aus der Energiebranche, die direkt von der Entscheidung der Kommission betroffen sind. Dorfman ist optimistisch, dass die Gruppe Erfolg haben wird.„Wir haben das Geld, wir haben die Expertise und wir beschäftigen uns seit Monaten mit dem Thema“, sagte der Energieexperte. In ihrer Argumentationwollen sich die Briten vorGericht auf das Europäische Wettbewerbsrecht stützen, genau wie es in der Klage der RepublikÖsterreich geplant ist.
Der Hintergrund: Großbritannien gewährt der Betreiberfirma des geplanten Atomkraftwerks, der Electricité de France (EDF), eine staatliche Bürgschaft für sämtliche Darlehen, die sie auf den Finanzmärkten für den Bau des Kraftwerks aufnehmen wird. Außerdem werden EDF über 35 Jahre hinweg stabile Preise garantiert. Kritiker sehen darin eine Verzerrung desWettbewerbs. Die EU-Kommission ortete hingegen Marktversagen. Das AKW könne ohne staatliche Unterstützung nicht gebaut werden. Für Kritiker ist das allerdings kein Argument. Ihre Überzeugung: Atomkraft ist keine neue Technologie, die noch Start- hilfe braucht. Eine Technologie zu subventionieren, die seit Jahrzehnten auf demMarkt sei, aber anscheinend nicht durchsetzungsfähig, sei nicht rechtens. Für Dorfman sind die britischen Beihilfen jedenfalls „ein verrücktes Geschäft“. Am Ende müssten die britischen Bürger für die Subventionen bezahlen, nämlich über die Strompreise. Das sei auch das einzige Argument, mit dem man die Öffentlichkeit in Großbritannien erreichen könne. Die Nachricht komme aber nur langsam an, gesteht Dorfman ein. „Atomenergie kümmert hier niemanden, auch die Entscheidung der Kommission nicht“, berichtet der Brite.
Anders als in Österreich gibt es in Großbritannien beim Großteil der Bevölkerung keine grundlegenden Bedenken gegen Atomenergie. Der Professor aus London ist eine Ausnahme, und mittlerweile steht Dorfman mit seinen Ansichten bei Weitem nicht mehr allein da. Auch in Großbri- tannien gibt es Versuche, den Anteil erneuerbarer Energie zu steigern. Die Windenergie würde sich beispielsweise weiterentwickeln, wenn auch sehr langsam. Generell werde erneuerbare Energie aber zu wenig gefördert, findet der Energieexperte. Ihr Anteil im Energiemix des Landes sei noch immer viel zu gering.
Das bestätigt ein Bericht der EU-Kommission von Mitte Oktober. Zu Großbritannien heißt es dort: „Erneuerbare Energien waren (2012, Anm.) weniger wichtig im gesamten Energiemix als in den anderen Mitgliedsstaaten.“Fossile Brennstoffe sind demnach mit Abstand die wichtigste Energiequelle in Großbritannien, gefolgt von Atomenergie und erneuerbaren Energien am Ende der Skala. Das Ziel für den Ausbau des Anteils erneuerbarer Energie bis 2020 liegt in Großbritannien nur bei 15 Prozent und damit unter dem EU-Schnitt. „Energiepolitik ist nur ein weiteres Durcheinander, das in Großbritannien stattfindet“, urteilt Dorfman.
Mehr als nur ein Durcheinander könnten die Beihilfen letztlich für das AKW Hinkley Point sein. Sie könnten schlicht dem EU-Recht widersprechen. Die Genehmigung durch die Kommission war von Beginn an umstritten, überrascht hat Paul Dorfman die Entscheidung trotzdem nicht. Seine Theorie: Die Kommission will nicht so gesehenwerden, als würde sieGroßbritannien die Energiepolitik diktieren. Daher bewilligte sie die Beihilfe und gab die endgültige Entscheidung damit an den Europäischen Gerichtshof ab. Eine Klage war zu erwarten. Österreich hat juristische Schritte angekündigt, Luxemburg will sich anschließen. Die Vorbereitungen laufen auch bei der britischen Gruppe. Nach Österreich will sie vor allem ein Signal senden: Ihr habt Unterstützung, sogar aus Großbritannien.