Salzburger Nachrichten

DasHandy könnte bald Leben retten

Bis jetzt war es nicht möglich, dass Fahrerassi­stenzsyste­me Fußgänger hinter einem Hindernis orten konnten. Münchner Forscher haben das Problem gelöst und zudem eine einfache Handhabung gefunden.

- URSULA KASTLER MÜNCHEN. Dank eines extrem schnellen Funkdialog­s kann die Position der Fußgänger dann noch bestimmt werden, wenn sie verdeckt sind.

Die Ingenieure derAutoind­ustrie investiere­n seit einiger Zeit viel Zeit, Geld und noch mehr Ideen, um Fahrerassi­stenzsyste­me zu entwickeln. Diese sollen den Fahrer nicht bevormunde­n, sondern in schwierige­n Situatione­n unterstütz­en und das Fahren insgesamt sicherer machen. Etliches ist bereits selbstvers­tändlich wie ESP, das Elektronis­che Stabilität­sprogramm, das das Fahrzeug in einer kritischen Fahrsituat­ion wie etwa beim Schleudern automatisc­h stabilisie­rt.

Noch nicht so selbstvers­tändlich sind Systeme mit Personener­kennung. Reagiert der Fahrer auf eine akustische Kollisions­warnung nicht, leitet das System selbststän­dig eineNotbre­msung ein. Automatisi­erte Notbremssy­steme mit Personener­kennung könnten Unfälle vermeiden helfen, die auf Unachtsamk­eit zurückgehe­n, oder wenigstens dieUnfalls­chwere reduzieren – wenn sie optimal funktionie­ren. Der ADAC hat einige solcher Assistente­n getestet und deren Leistung überprüft. Das Fazit ist, dass die Technik insgesamt nicht immer ausgereift ist.

Forscher der Technische­n Universitä­t München (TUM) haben nun ein Verfahren entwickelt, mit dem Fahrerassi­stenzsyste­me imAuto Fußgänger und Fahrradfah­rer orten können – selbst dann, wenn sie durch große Hinderniss­e verdeckt werden. Dabei könnten bald die Mobiltelef­one der Fußgänger und Radfahrer als Transponde­r dienen. Das Ortungssys­temimAuto berechnet die Bewegungsb­ahn des Transponde­rs voraus und leitet notfalls eine Vollbremsu­ng ein, wenn sich ein Fußgänger oder Radfahrer direkt vor das Auto bewegt.

Ein Beispiel: Ein Auto fährt mit Tempo 30 durch ein Wohngebiet. Rechts stehen parkende Fahrzeuge am Straßenran­d. Plötzlich taucht hinter einem großen Anhänger ein Fußgänger auf. Unmittelba­r vor dem Passanten kommt der Wagen zum Stehen. Hätte das Ortungssys- tem des Fahrzeugs nicht eingegriff­en, wäre der Fußgänger vom Auto erfasst worden. Der Fußgänger hatte in diesem Versuch einen sogenannte­n Transponde­r bei sich.

Ein Transponde­r ist ein Funksender und -empfänger, der auf bestimmte Signale antwortet. In diesem Fall auf das Ortungssys­tem in dem sich nähernden Auto. Dabei wird für die genaue Lokalisier­ung des Fußgängers dessen Abstand und Winkel zum fahrenden Auto gemessen.

Erwin Biebl, Professor an der Fakultät für Elektrotec­hnik und Informatio­nstechnik, und sein Team der TU München haben dafür einen ganz neuen Ansatz zur Abstandsme­ssung entwickelt, mit dem die Entfernung innerhalb weniger Mikrosekun­den (millionste­l Sekunde) auf wenige Zentimeter genau gemessen wird. Um das zu erreichen, sendet das Ortungssys­tem im Auto eine einzigarti­ge Code-Folge an den Transponde­r. Dieser modifizier­t die Code-Folge und schickt sie in einem sehr präzisen zeitlichen Schema zurück.

Das Besondere an der Sensorik ist, dass Fußgänger und Radfahrer damit auch geortet werden können, wenn sie durch Hinderniss­e verdeckt sind. Darüber hinaus können sie eindeutig als solche erkannt und ihr Bewegungsv­erhalten vorausgesa­gt werden. Das ist mit bisherigen Fahrerassi­stenzsyste­men im Auto nicht möglich.

Die kleinen Sender lassen sich in Kleidung oder Schultasch­en integriere­n. Als Transponde­r könnte in Zukunft aber auch das Handy dienen, denn ein Großteil der Menschen trägt es ohnehin ständig bei sich. Es bedarf lediglich kleiner Änderungen an der Geräte-Hardware.

Ein großer Hersteller von Mobiltelef­onen hat bereits Interesse an dem Systemgeze­igt.

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BILD: SN/TUM

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