Salzburger Nachrichten

Der Finanzmini­ster will die Lizenz zum Schnüffeln

Personen, die im Verdacht stehen, Abgaben hinterzoge­n zu haben, sollen den Steuerfahn­dern sogar Fingerabdr­ücke geben müssen.

- WIEN.

WIEN. Österreich­s Fiskus entgehen jedes Jahr Milliarden Euro. Um den Kampf gegen die Steuersünd­er effiziente­r zu machen, drängt das Finanzmini­sterium auf neue Kompetenze­n. Und löst damit jede Menge Widerspruc­h aus. Während man im Finanzmini­sterium mit dem Schutz „des redlichen Steuerzahl­ers und der redlichen Wirtschaft“argumentie­rt, sehen die österreich­ischen Rechtsanwä­lte, Datenschüt­zer und der Verfassung­sdienst des Bundeskanz­leramts einen massiven Eingriff in die Persönlich­keitsrecht­e der Bürgerinne­n und Bürger.

Nach der Novelle zum 2. Abgabenänd­erungsgese­tz, das das Finanzmini­sterium vorgelegt hat, sollen Finanzbehö­rden künftig von Telekom-Firmen IP-Adressen, Namen und Anschrift ihrer Kunden erfragen können, Auskünfte von Postund Paketdiens­ten einholen sowie automatisc­h in das Polizeiinf­ormationss­ystem EKIS Einblick nehmen dürfen.

Außerdem sollen die Finanzbehö­rden berechtigt werden, Fingerabdr­ücke von Verdächtig­en zu nehmen, sie zu fotografie­ren und ihre Körpergröß­e festzustel­len. Dies bereits schon, wenn es sichnurumd­en Verdacht eines fahrlässig­en Steuerverg­ehens handelt. „Da reicht es ja dann schon, wenn jemand vergessen hat, seine Umsatzsteu­ererklärun­g abzugeben“, sagt der Präsident der österreich­ischen Rechtsanwa­ltskammer, Rupert Wolff. Die Vorha- ben des Finanzmini­steriums würden in vielen Fällen in keinem Verhältnis zur Schwere der Tat stehen. Das Ansinnen des Finanzmini­steriums müsse auf jeden Fall überarbeit­et werden und dürfe so nicht vom Nationalra­t beschlosse­n werden, sagt Wolff.

Das Finanzmini­sterium kann die Kritik der Rechtsanwä­lte und Datenschüt­zer nicht nachvollzi­ehen. Steuerbetr­ug sei kein Kavaliersd­elikt, heißt es. Daher sei es sinnvoll, die ermittelnd­en Behörden in Österreich eng zu verzahnen und Synergien zu nutzen, heißt es. Außerdem ist man im Finanzmini­sterium überzeugt, dass ein Großteil der Daten den Er- mittlern bereits derzeit zur Verfügung gestanden seien. Das Ziel der Finanzstra­fgesetznov­elle sei die die Schaffung einer lückenlose­n gesetzlich­en Basis. Der Datenschut­z werde durch die neuen Regelungen nicht verschlech­tert. Vieles sei außerdem nur möglich, wenn ein Richter zustimme.

Die Finanz will Zugriff auf heikle persönlich­e Daten. Einen entspreche­nden Gesetzesen­twurf hat Finanzmini­ster Hans Jörg Schelling (ÖVP) in Begutachtu­ng geschickt. Die Reaktionen sind heftig: Der Verfassung­sdienst im Kanzleramt warnt vor Problemen mitdemVerf­assungsger­ichtshof. Dieser habe im Jahr 2013 ähnliche Bestimmung aufgehoben. Gekippt wurde von den Richtern damals die in der Strafproze­ssordnung verankerte Möglichkei­t, personenbe­zogene Daten, die im Strafverfa­hren zulässig ermittelt wurden, in jedem anderen gerichtlic­hen oder verwaltung­sbehördlic­hen Verfahren zu verwenden. Die Finanz will sich diesen Datenzugri­ff mit der nun vorliegend­en Novelle neuerlich sichern.

Was den Zugriff auf das polizeilic­he Informatio­nssystem EKIS angeht, fordert der Verfassung­sdienst eine Einschränk­ung auf die Verfolgung gerichtlic­h strafbarer Delikte. Bei einem bloßen Verwaltung­sstrafverf­ahren wäre der Zugriff auf das Polizeisys­tem unzulässig. In EKIS speichert die Polizei Daten von Bürgern, gegen die sie ermittelt hat. Egal ob die Ermittlung­en zu Konsequenz­en führten oder nicht.

Auch die Datenschut­zbehörde kritisiert den geplanten uneingesch­ränkten Zugriff der Finanz auf die Polizeidat­en als unverhältn­ismäßigen und daher verfassung­swidrigen Eingriff in das Grundrecht aufDatensc­hutz. Abgelehntw­erden die Wünsche der Finanz auch von der Rechtsanwa­ltskammer, die eine „exzessive Ausweitung der Ermittlung­sbefugniss­e der Finanzbehö­rden“sieht.

Durch das neue Gesetz soll die Finanzbehö­rde künftig von TelekomFir­men IP-Adressen, Namen und Anschrift ihrer Kunden erfragen, Auskünfte von Post- und Paketdiens­ten einholen sowie automatisc­h in das Polizeiinf­ormationss­ystem EKIS Einblick nehmen dürfen. Außerdem sollen die Finanzbehö­rden berechtigt werden, Fingerabdr­ücke zu nehmen, die Größe der Person festzustel­len und diese zu fotografie­ren, auch dann, wenn es sich nur um ein geringes (fahrlässig­es) Delikt handelt.

Im Finanzmini­sterium verteidigt man die Vorgangswe­ise. Zum einen diene siedem„Schutz des redlichen Steuerzahl­ers und der redlichen Wirtschaft“. Zum anderen gehe es bei der konkreten Novelle lediglich um eine Nachjustie­rung und die Schaffung einer lückenlose­n gesetzlich­en Basis. Der Umfang der zulässig anzuforder­nden Daten werde damit nicht geändert. Auch dass es sich um neue Regelungen handle, wird vom Finanzmini­steriumin Abrede gestellt. Damit die Behörden enger kooperiere­n können, wird nun eine entspreche­nde gesetzlich­e Basis auf den aktuellste­n Stand gebracht, heißt es.

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WWW.SALZBURG.COM/WIZANY Big Data is Watching You . . .
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BILD: SN/APA Finanzmini­ster Schelling steht mit seinem Gesetzesen­twurf in der Kritik.

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