Die IS-Kämpfer sind eine Beleidigung für den Islam
Mit den Worten Allahs hat der jüngste Dschihad nichts zu tun. Mit Brüchen in unserer Gesellschaft schon eher.
Selten, dass eine theologische Stellungnahme so erleichternd wirkt wie die jüngste Fatwa der Imame, Gelehrten und Theologen. Mehr als 120 durchaus orthodoxe und auch hochrangige Vertreter der Sunniten haben ein Rechtsgutachten veröffentlicht. Es wurde als „Brief an Abu Bakr al-Baghdadi“bekannt, den selbst ernannten Kalifen und Anführer der Terrormiliz „Islamischer Staat“, die im Irak und in Syrien ihr Unwesen treibt.
In dieser Fatwa zerlegen und verurteilen die Unterzeichner die theologische Rechtfertigung des sogenannten Dschihad des IS. Sie beweisen mit Gelehrsamkeit und Zitaten, dass im Islam fast alles verboten ist, was Baghdadi und seine Anhänger tun. Weder Mord noch Zwang und Unterdrückung, weder die Zerstörung von Heiligtümern noch die Ausrufung eines Kalifats sind demnach rechtens. Der Feldzug des IS ist auch kein Dschihad, wie er Muslimen zur Verteidigung und zum Schutz vor Verfolgung erlaubt ist, sondern nichts als kriminelle Aggression.
Höchste Zeit, so mag man sagen, dass Klerus und Gelehrte dem seit Jahren fortschreitenden Generalverdacht entgegentreten, der Muslime seit den Terroranschlägen des 11. September verfolgt.
Weder benötigt der Christengott Kreuzritter noch Allah irgendwelche Gotteskämpfer, um ihren Willen auf Erden durchzusetzen. Ein Allmächtiger braucht keinen Krieg. Weder Gott noch Allah, weder Buddha noch Shiva sind auf die Hilfe von Bombenwerfern oder Schwertschwingern angewiesen.
Es stellt sich die Frage, ob die IS-Kämpfer nicht eher eine Schande für jeden echten Fundamentalisten sind, wie der slowenische Philosoph Slavoj Žižek vor Jahren schon anmerkte. Denn warum sollten sich gläubige Menschen, die ihren Weg gefunden haben, von Ungläubigen belästigt, ja gar bedroht fühlen? Es scheint doch eher, als wären die IS-Anhänger von den sündigen Ungläubigen auf eine für sie selbst höchst ärgerliche Art fasziniert. Eine Empfindung, die sie mit Fanatikern anderer Religionen teilen dürften. Da geht es weniger um einen unerschütterlichen, überlegenen Glauben als um die Erfahrung des eigenen Minderwerts, die zur Gewalt veranlasst und in der oft auch ein Stück Verzweiflung und Not mitschwingt. Daher ist es so wichtig, dass sich Menschen in einer Gesellschaft nicht als ewige Verlierer begreifen. Dass sie, egal an welchen Gott sie glauben, angenommen werden. Dass sie soziale Chancen haben. Mit unseren Muslimen ist das nur unzureichend gelungen.
Darin liegt unser Versagen.