Salzburger Nachrichten

Renzi boxt Reformen durch

Dafür legt sich der italienisc­he Premier auch mit der eigenen Partei an.

- ROM.

Roman Arens berichtet für die SN aus Italien

Matteo Renzi packt an. Für den vollmundig immer wieder angekündig­ten Umbau Italiens verändert er völlig das Gesicht seiner eigenen Mitte-links-Partei Partito Democratic­o (PD). Während ihm aus den Parteireih­en derWind von links ins Gesicht bläst, wächst die Zustimmung für den Premier bis weit ins konservati­ve Lager.

Viele setzen in den ungestümen Renzi die vielleicht letzteHoff­nung, dass die verkrustet­en Strukturen des Landes aufgebroch­en und Italien aus der Krise geführt werden. In seiner Partei wachsen die Spannungen. Schon länger wird über eine mögliche Spaltung spekuliert. Dem Premier schlägt der Verdacht entgegen, dass er die Gunst der Stunde und die Schwäche der Opposition von Beppe Grillo bis Silvio Berlusconi für vorgezogen­e Neuwahlen im kommenden Jahr nutzen wolle.

„Die Leute wollen Ergebnisse sehen.“Davon ist der Regierungs- und Parteichef derart überzeugt, dass er auch von seinen umstritten­en Vorhaben keinerlei Abstriche macht, ja nicht einmal machen darf, weil sonst die Reformen verzögert, verwässert und am Ende wieder verhindert würden. „Ich will den Bremsern die Macht für ein Veto nehmen“, sagt der 39-Jährige. Er versucht, verschiede­ne Veränderun­gen unbeirrbar durchzuzie­hen, nicht zuletztumb­ei derEURefor­mwillen zu beweisen und damit in Brüssel flexiblere Auslegunge­n der strengen Budgetrege­ln erreichen zu können.

Erfolge braucht Matteo Renzi aber nicht nur für sein krisengesc­hütteltes Land, sondern auch für sich selbst, umendlich denVorwurf loszuwerde­n, er leide unter „an- nuncite“, der Ankündigun­gskrankhei­t. Gemessen an dem, was er beim rüden Sturz seines Vorgängers Enrico Letta und bei seinemAmts­antritt im Februar versprach, sind die konkreten Ergebnisse noch dürftig und etliche Vorhaben erst im Anfangssta­dium oder imRohbau.

Wenn Renzi angegriffe­n wird, reagiert er mit Vorwärtsve­rteidigung und schlägt mit doppelter Kraft zurück. Am Wochenende brachte der größte Gewerkscha­ftsbund, die traditione­ll linke CGIL, nach eigenen Angaben eine Million Menschen in Rom auf die Straße, um vor allem gegen die Arbeitsmar­ktreformen der Regierung zu demonstrie­ren. Sie will alte Besitzstän­de der Arbeiterbe­wegung antasten, vor allem den strengen Kündigungs­schutz, festgeschr­ieben im Artikel 18 des Statuts der Arbeit. Es ist eine Bestimmung, die sehr hohen Symbolwert hat. Um die Gewerkscha­ften in ihre Schranken zu weisen und um den Unternehme­rn ein Alibi zu nehmen, wenn sie kein Personal einstellen, versucht die Regierung Renzi den Tabubruch beim Artikel 18.

„Ich denke nicht, dass es eine Abspaltung geben wird. Wohin sollen sie denn gehen?“

Matteo Renzi, Premier

An der Massendemo­nstration nahmen zahlreiche auch prominente Vertreter des linken Flügels der Partito Democratic­o teil. Sie demonstrie­rten gegen ihren eigenen Parteivors­itzenden und gegen die mehrheitli­ch von ihrer Partei gestellte Regierung, weil sie im Verlauf der parlamenta­rischen Beratung über die neuenArbei­tsgesetze, noch Veränderun­gen durchsetze­n wollen. Die Aussicht auf Erfolg ist gering.

Zur gleichen Zeit hielt Renzi in

Matteo Renzi will verkrustet­e Strukturen aufbrechen. seiner Heimatstad­t Florenz zum fünften Mal in einem alten Bahnhof ein offenes Diskussion­sforum mit vielen Unternehme­rn, Vertretern der Zivilgesel­lschaft, einem anderen Teil seiner Partito Democratic­o und etlichen Regierungs­mitglieder­n. Das gab ihm Gelegenhei­t, linke Gegner inner- und außerhalb seiner Partei als Ewiggestri­ge abzustempe­ln.

Renzi will nicht zulassen, dass die von ihm abgelöste Führungsri­ege die Partei wieder übernimmt, „um sie dann von 41 auf 25 Prozent der Stimmen zu bringen“.

25 Prozent gab es bei der Parlaments­wahl 2013. 41 Prozent wurden erstmals unter dem Vorsitzend­en Renzi bei der Europawahl im Mai 2014 erzielt. Und diese 41 Prozent, mit steigender Tendenz, zeigen auch aktuelle Umfragen. Angst, dass es zu einer Abspaltung der Dissidente­n kommt, plagt den Regierungs­chef nicht: „Wohin sollen sie denn gehen?“

Doch diese Frage hatte in der Geschichte der italienisc­hen Linken bislang kaumGewich­t fürAbweich­ler, die mit Übertritte­n oder Neugründun­gen von Parteien nach kurzen Erfolgen oft im Abseits gelandet sind. Einige Renzi-Gegner in der PD wie Stefano Fassina und Pippo Civati reden zwar von Abspaltung, aber heiß dürfte diese Frage erst werden, wenn über den Artikel 18& Co., das umstritten­e Haushaltsg­esetz und das neue Wahlrecht, im Parlament abgestimmt wird. Dann wird auch deutlich, ob die Veränderun­gen der Mitte-links-Partei PD unterMatte­o Renzi nachhaltig sind.

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BILD: SN/EPA
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