Mit Kunstraub wird Terror finanziert
Schleust der „Islamische Staat“viel frische Ware in den Antikenhandel?
„An diesen Dingen klebt Blut.“Diese Warnung spricht ein Archäologe aus: MichaelMüllerKarpe. Er kümmert sich im Römisch-Germanischen Zentralmuseum in Mainz um archäologische Artefakte des Iraks und berät in Sachen Kunstraub den Kulturausschuss des deutschen Bundestags.
Im Interview mit der Deutschen Presseagentur rät er aus zwei Gründen vom leichtgläubigen Ankauf von Antiken aus dem Irak und Syrien ab. Diese seien wahrscheinlich Raubgut. Und die Indizien seien erdrückend, dass sich Terroristen wie der „Islamische Staat“(IS) über Raubkunst finanzierten, sagt MichaelMüller-Karpe. In Deutschland – etwa in München, Frankfurt und Köln – werde „weitgehend ungehindert mit geplündertem Kulturgut gehandelt“. Es fehle eine Kennzeichnungspflicht. Und Hehlerei werde, soweit es Antiken betreffe, nicht konsequent als Straftat verfolgt.
Vor gut zehn Jahren hätten FBI und UNESCO den weltweiten illegalen Handel mit geplünderten An- tiken auf sechs bis acht Milliarden Dollar geschätzt, sagt Michael Müller-Karpe. „Inzwischen sprichtman von einem mehrstelligen Milliardenbetrag.“Undmanches deute darauf hin, dass in der organisierten Kriminalität derAntikenhandel den Waffenhandel von der zweiten Position verdrängt habe und nur noch vomRauschgift übertroffen werde.
Die illegal gehandelten Antiken sind nur teilweise aus Museen ge-
„Krieg und Chaos sind der ideale Nährboden für Raubgrabungen und Museumsplünderungen.“
MichaelMüller-Karpe, Archäologe stohlen. Viele werden offenbar an archäologischen Stätten aus der Erde gebuddelt. Der Schaden ist unermesslich, hat doch der IS jene Gebiete erobert, in denen Ausgrabungsstätten der mesopotamischen und assyrischen Hochkultur liegen. Die „Süddeutsche Zeitung“berichtete in der Vorwoche, dass in dem vom IS kontrollierten Gebiet rund 2400 archäologische Stätten lägen. Auch Mossul und damit das zweitgrößteMuseum des Iraks sind seit Juni vomIS erobert.
Schon nach dem Sturz Saddam Husseins 2003 und dem Irak-Krieg gingen Hiobsbotschaften um die Welt, als etwa in Museen in Bagdad und Mossul gewütet worden war. Auch in Syrien ist seit Ausbruch des Bürgerkriegs 2011 Kunst- und Kulturgut in höchsterGefahr. So hat die ICOMOS, der internationale Rat für Denkmalpflege, schon 2013 eine „Rote Liste syrischer Kulturgüter“publiziert, und sie fordert auf ihrer Webseite: „Jedes Kulturgut, das aus Syrien stammen könnte, sollte genauer Überprüfung und Vorsichtsmaßnahmen unterzogen werden.“
Seit die Terrormiliz des IS wütet, dürfte es zu neuen großen Raubund Vernichtungszügen kommen. Offenbar werden dabei Kulturgüter und -stätten systematisch zerstört, um das Wissen über frühere Kulturen zu vernichten. Und was transportabel ist, wird in den illegalen Handel geschleust.
In Deutschland soll das Gesetz verschärft werden: Der Handel mit Kulturgütern soll künftig nur mit offizieller Exportlizenz des Her- kunftslandes möglich sein. Österreich ist einNachzügler. Es hat noch nicht einmal die aus 1970 stammende UNESCO-Konvention „zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut“ratifiziert. Mit über vierzig Jahren Verspätung wird dies jetzt nachgeholt. Kulturminister Josef Ostermayer (SPÖ) habe dies im Juli beim Besuch bei der UNESCO in Paris zugesagt, erläutert dessen Sprecher Matthias Euler-Rolle. „Wir rechnen damit, dass dieser Prozess im ersten Halbjahr 2015 abgeschlossen sein wird.“Ohne Ratifizierung der Konvention und folglich ohne Gesetz fehlt es aber an Handhabe für jegliche polizeilicheMaßnahme– auchwenn etwaige dubiose Stücke auftauchen sollten. Allerdings: Österreich habe als EU-Mitglied bereits aminnereuropäischen Kulturgüterschutz teilgenommen, heißt es im Kulturministerium. Und auf die Bedrohungen für das Kulturerbe im Irak und in Syrien sei mit EU-Verordnungen reagiert worden.
Er könne sich nicht vorstellen, dass über den österreichischen Kunsthandel Raubkunst aus dem Irak oder aus Syrien in großem Stil verkauft würde, beteuert Horst Szaal, Präsident des Verbands Österreichischer Antiquitäten- und Kunsthändler. Was über Kataloge oder Internet angeboten werde, müsse seit Jahren exakt dokumentiert sein, „sonst ist das unverkäuflich“. Und aufgrund der Geldwäsche-Richtlinie müssten sich Käufer und Verkäufer deklarieren. Zwar sei nicht kontrollierbar, „was im Hinterstübchen abläuft“, doch auf den offiziellen Markt schaffe es die Raubkunst nicht – weder bei Kunsthändlern noch Auktionshäusern.
Das Dorotheum mache schon seit über zehn Jahren keine Auktionen mit Antiquitäten aus dieser Region. Denn dies sei oft ethisch fragwürdig, und für den damals weggegangenen Experten sei kein Nachfolger gefundenworden, wurde den SN von der Pressestelle erklärt.
Was Kulturgüterschutz betrifft, gibt es von der UNESCO auch Lob: Das österreichische Bundesheer berücksichtige in der Ausbildung der Soldaten explizit auch die Verteidigung von Kulturgütern, heißt es im UNESCO-Büro in Wien. „Da ist Österreich Vorzeigeland.“