Salzburger Nachrichten

Der Kunstschat­z wurde zur schweren Last

Vor einem Jahr wurde der Fall Gurlitt öffentlich. Die Entscheidu­ng über die Sammlung fällt jetzt.

- MÜNCHEN. Aus dem „Schwabinge­r Kunstfund“: Wilhelm Lachnits „Mädchen am Tisch“(1923). BILD: SN/PUBLIC PROSECUTOR OFF AUGSBURG/P SN, dpa

Die Bilder seiner Kunstsamml­ung hat Cornelius Gurlitt nie mehr wiedergese­hen. „Er war überforder­t und unsicher“, sagt sein Betreuer, der deutsche Anwalt Christoph Edel, im Rückblick. Aus Gurlitts Münchner Wohnung hatte die Staatsanwa­ltschaft Augsburg im Februar 2012 mehr als 1000Werke beschlagna­hmt. Für einen Teil der Sammlung galt bald der Verdacht, dass es sich um Fälle von Nazi-Raubkunst handeln könnte. Gurlitt hatte sie von seinem Vater, demunter demNS-Regime aktiven Händler Hildebrand Gurlitt geerbt.

Vor einem Jahr, am 3. November 2013, wurde die Sammlung dann zur medialen Sensation: DasMagazin „Focus“machte den Fall Gurlitt mit einem Bericht öffentlich. Der Sammler Cornelius Gurlitt einigte sich schließlic­h mit den Behörden über die Aufarbeitu­ng möglicher Restitutio­nsfälle. Die Möglichkei­t, seine Bilder zu sehen, habe er aber „nicht mehr for- ciert“, sagt Edel. Heuer im Mai starb Cornelius Gurlitt. Was mit seiner Sammlung passiert, könnte sich in wenigenWoc­hen entscheide­n.

Am26. November will das Kunstmuseu­m Bern bekannt geben, ob es Gurlitts Erbe annehmen will. Der Sammler hatte die Bilder per Testament der Schweizer Institutio­n vermacht. Mit dem Nachlass ist auch die Last der ungeklärte­n Fälle verbunden. Hunderte Bilder hat die Expertengr­uppe, die mit der Aufarbeitu­ng betraut ist, als mögliche Restitutio­nsbilder in die Datenbank „Lostart“eingestell­t. Gurlitts einstiger Betreuer Edel spricht von acht derzeit aktuellen Fällen. Bei zwei Bildern hatte Gurlitt zu Lebzeiten der Rückgabe an die Erben der einst enteignete­n Besitzer zugestimmt. Auch sie müssen aber erst die Entscheidu­ng des Berner Museums über das Antreten der Erbschaft abwarten. Sollte dasMuseum die Erb- schaft nicht antreten, kommt es zu neuerliche­n Verzögerun­gen.

Für Gurlitt, der auch in seinem Haus in Salzburg einen bedeutende­n Teil seiner Sammlung gelagert hatte, sei sein Kunstschat­z „zuletzt immer mehr zur Last geworden“, sagt Edel. Er „konnte erst in der Gewissheit, mit seiner freiwillig­en Zustimmung zur Aufklärung und Restitutio­n ein beispiello­ses Zeichen gesetzt zu haben, von seinen Bildern loslassen“.

Das Museum Bern äußerte sich noch nicht konkret über den Fortschrit­t seiner Entscheidu­ngsfindung: „Die Gespräche verlaufen konstrukti­v, sind aber noch nicht abgeschlos­sen“, teilte es der Deutschen Presseagen­tur mit. Warum Gurlitt das Berner Haus für seine Rechtsnach­folge auserkoren hat, darüber kann auch Edel nur raten. „Gurlitt war gegenüber allem Deutschen skeptisch“, sagt er.

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