Der Kunstschatz wurde zur schweren Last
Vor einem Jahr wurde der Fall Gurlitt öffentlich. Die Entscheidung über die Sammlung fällt jetzt.
Die Bilder seiner Kunstsammlung hat Cornelius Gurlitt nie mehr wiedergesehen. „Er war überfordert und unsicher“, sagt sein Betreuer, der deutsche Anwalt Christoph Edel, im Rückblick. Aus Gurlitts Münchner Wohnung hatte die Staatsanwaltschaft Augsburg im Februar 2012 mehr als 1000Werke beschlagnahmt. Für einen Teil der Sammlung galt bald der Verdacht, dass es sich um Fälle von Nazi-Raubkunst handeln könnte. Gurlitt hatte sie von seinem Vater, demunter demNS-Regime aktiven Händler Hildebrand Gurlitt geerbt.
Vor einem Jahr, am 3. November 2013, wurde die Sammlung dann zur medialen Sensation: DasMagazin „Focus“machte den Fall Gurlitt mit einem Bericht öffentlich. Der Sammler Cornelius Gurlitt einigte sich schließlich mit den Behörden über die Aufarbeitung möglicher Restitutionsfälle. Die Möglichkeit, seine Bilder zu sehen, habe er aber „nicht mehr for- ciert“, sagt Edel. Heuer im Mai starb Cornelius Gurlitt. Was mit seiner Sammlung passiert, könnte sich in wenigenWochen entscheiden.
Am26. November will das Kunstmuseum Bern bekannt geben, ob es Gurlitts Erbe annehmen will. Der Sammler hatte die Bilder per Testament der Schweizer Institution vermacht. Mit dem Nachlass ist auch die Last der ungeklärten Fälle verbunden. Hunderte Bilder hat die Expertengruppe, die mit der Aufarbeitung betraut ist, als mögliche Restitutionsbilder in die Datenbank „Lostart“eingestellt. Gurlitts einstiger Betreuer Edel spricht von acht derzeit aktuellen Fällen. Bei zwei Bildern hatte Gurlitt zu Lebzeiten der Rückgabe an die Erben der einst enteigneten Besitzer zugestimmt. Auch sie müssen aber erst die Entscheidung des Berner Museums über das Antreten der Erbschaft abwarten. Sollte dasMuseum die Erb- schaft nicht antreten, kommt es zu neuerlichen Verzögerungen.
Für Gurlitt, der auch in seinem Haus in Salzburg einen bedeutenden Teil seiner Sammlung gelagert hatte, sei sein Kunstschatz „zuletzt immer mehr zur Last geworden“, sagt Edel. Er „konnte erst in der Gewissheit, mit seiner freiwilligen Zustimmung zur Aufklärung und Restitution ein beispielloses Zeichen gesetzt zu haben, von seinen Bildern loslassen“.
Das Museum Bern äußerte sich noch nicht konkret über den Fortschritt seiner Entscheidungsfindung: „Die Gespräche verlaufen konstruktiv, sind aber noch nicht abgeschlossen“, teilte es der Deutschen Presseagentur mit. Warum Gurlitt das Berner Haus für seine Rechtsnachfolge auserkoren hat, darüber kann auch Edel nur raten. „Gurlitt war gegenüber allem Deutschen skeptisch“, sagt er.