Ölpreis ist auf rasanter Talfahrt
Rohstoff-Experten sehen WTI im nächsten Jahr auf unter 75 Dollar fallen.
Die Weltwirtschaft ersäuft im Öl. DieNachfrage istwegen der schwachen Konjunktur zu gering, das Angebot zu hoch. Das Ergebnis: Der Rohölpreis ist auf Talfahrt, und die wurde am Montag durch eine Analyse der US-Investmentbank Goldman Sachs weiter beschleunigt. Die Studie mit dem Titel „The new oil order“ließ den Preis für die US-Rohöl-Sorte WTI (West Texas Intermediate) kurzzeitig unter 80 Dollar (63,1 Euro) je Barrel (159 Liter) abrutschen – den tiefsten Stand seit mehr als zwei Jahren. Ein Ende ist nicht in Sicht. Goldmans Rohstoff-Experten sehen WTI im nächsten Jahr bei unter 75 Dollar.
Was für Spekulanten an den Finanzmärkten negativ ist, muss für die Wirtschaft nicht unbedingt schlecht sein. Einem Modell der Ökonomen des Internationalen Währungsfonds (IWF) zufolge lässt ein zehnprozentiger Preisrückgang die weltweite Wirtschaftsleistung um 0,2 Prozent steigen. Je günstiger das Rohöl, desto weiter sinken die Produktionskosten vieler Industrieunternehmen. Den Verbrauchern bleibt mehr Geld, weil sie Sprit- und Heizkosten sparen. In den letzten vier Monaten hat sich Öl um etwa ein Viertel verbilligt.
Die negativen Folgen: Dauerhaft niedrige Ölpreise belasten die von der Ölproduktion abhängigen Volkswirtschaften wie Russland, Venezuela, Saudi-Arabien oder Iran. In der Eurozone lassen günstigere Ölimporte die ohnehin schon niedrige Teuerung weiter sinken, die Furcht vor Deflation steigt. Auch in Amerika gibt es nicht nur Gewinner. Die Schieferöl-Revolution, die den Preisrutsch erst ermöglicht hat, könnte in denUSAbald ihre eigenen Kinder fressen. Denn das Fracking, bei dem tief liegende Gesteinsschichten angebohrt und das dort lagernde Schiefergas und -öl mithilfe von Chemikalien gelöst wird, ist relativ teuer. Bei Ölpreisen von deutlich unter 80 Dollar rechnet sich ein wesentlicher Teil der Produktion nichtmehr.