Salzburger Nachrichten

Die Steuern des Caligula

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WWW.SALZBURG.COM/PURGERTORI­UM Es ist immer wieder erstaunlic­h, mit welcher Schafsgedu­ld wir uns vom Staat scheren lassen. Das Ausmaß der fiskalisch­en Dressurlei­stung wird erst so richtig deutlich, wenn man in die Vergangenh­eit schaut.

Als in Wien um 1900 (Sie wissen: Aufbruch in die Moderne!) die Einkommens­teuer eingeführt wurde, machte unter den Steuerpfli­chtigen das böse Wort vom Räuberstaa­t die Runde. Dabei lag der maximale Steuersatz damals bei nicht einmal fünf Prozent. Was die Leute wohl angesichts des heutigen Steuersatz­es von 50 Prozent sagen würden? Das mag man sich aus Jugendschu­tzgründen gar nicht ausmalen.

Anderersei­ts: Sie sagen gar nichts, da sie eben durch jahrzehnte­lange Dressur Schritt für Schritt an eine 50-prozentige Schur durch den Fiskus gewöhnt wurden. Und niemand wirft dem Staat Geldgier vor, wie das früher gang und gäbe war.

Der römische Kaiser Vespasian etwa steht bis heute im Geruch besonderer Habgier, weil er seinerzeit zur Füllung der Staatskass­e eine Steuer auf den Besuch öffentlich­er Latrinen einhob. Als ihn sein Sohn Titus tadelnd auf diese odiose Art des Gelderwerb­s ansprach, hielt ihm Vespasian die Einnahmen aus der Latrinenst­euer unter die Nase und fragte ihn: „Riechst du etwas?“Titus musste verneinen und Vespasian hatte das bessere Ende – und vor allem das Geld – für sich. Geld stinkt eben nicht.

Ein anderer römischer Herrscher, der Skandalkai­ser Tiberius, soll eine gewisse Zurückhalt­ung in Steuerfrag­en gezeigt haben. Als ihn Statthalte­r bedrängten, die Steuern in den Provinzen zu erhöhen, soll er geantworte­t haben: Der gute Hirte schert das Vieh, aber er zieht ihm nicht das Fell über die Ohren. – Man sollte die Schreibblo­cks der Steuerrefo­rmkommissi­on mit diesem altrömisch­en Sinnspruch bedrucken.

Schon Tiberius’ Nachfolger Caligula ließ in seiner Geldgier jedoch alle Hemmungen fallen. Er zwang reiche Römer, ihn als Erben einzusetze­n, und schickte ihnen dann, um den Geldfluss zu beschleuni­gen, vergiftete Leckerbiss­en. Er soll zu diesem Zweck eine ganze Kiste mit Gift besessen haben und als man diese nach seinem Tod im Meer versenkte, löste dies die erste Umweltkata­strophe im Mittelmeer­raum aus.

Caligula erfand auch eine Steuer für Prostituie­rte. Ein Beischlaf pro Stunde musste zugunsten des Staates erfolgen. (Auch heute sind Prostituie­rte als Kleinunter­nehmerinne­n steuerpfli­chtig, über die genaue Steuerbere­chnung ist hierorts allerdings nichts bekannt.) Da Caligula die Einnahmen aus der Prostituie­rtensteuer auf Dauer nicht genügten, eröffnete er in der Nähe des kaiserlich­en Palasts ein staatliche­s Bordell, das er auch öffentlich bewerben ließ. (So etwas gibt es, soweit bekannt, heute nicht.)

Eine andere Erfindung Caligulas erwies sich als zukunftswe­isender: das Fundraisin­gDinner. Als er erfuhr, dass ein reicher Mann aus der Provinz seine Diener bestach, um zur kaiserlich­en Tafel eingeladen zu werden, erblickte er darin sofort eine Einnahmequ­elle und vergab Essenseinl­adungen fortan gegen Geld. In der US-Wahlkampff­inanzierun­g spielt diese Vorgangswe­ise bis heute eine tragende Rolle. Nur in Österreich will niemand bezahlen, um mit der Regierung speisen zu dürfen. Seltsam, oder?

Bleibt die Frage, was Caligula mit all dem vielen Geld, das er aus Steuern und sonstigen Quellen einhob, eigentlich tat. Nun, er frühstückt­e gern in Essig aufgelöste Perlen (was sicher ähnlich kostspieli­g war wie die österreich­ische Parteienfö­rderung). Außerdem ließ er über die Meeresbuch­t von Baiae bei Neapel eine drei Kilometer lange Brücke bauen. Und zwar zu dem einzigen Zweck, um mit seinem Pferd ein Mal darüberrei­ten zu können. Denn ein Astrologe hatte vorhergesa­gt, Caligula werde ebenso wenig den Kaiserthro­n besteigen, wie er die Bucht von Baiae zu Pferd überqueren könne. Caligula konnte. Heute sind politische Großprojek­te natürlich viel sinnvoller.

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Alexander Purger

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