Der kalte Februar des Jahres 1995
Vor 20 Jahren wurden vier Roma in Oberwart mit einer Rohrbombe ermordet. Die Republik trug Trauer. Was hat sich seither verändert?
Rückblende: Ende 1993 wurden Roma und Sinti in Österreich – europaweit beispielgebend – als Volksgruppe anerkannt. Dies passierte weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Rosen flogen damals keine, die flogen kurz darauf bei André Hellers nicht ganz klischeefreier „Zigeuner“-Show im Wiener Ronacher.
Rückblende: Vor exakt 20 Jahren erst wurde die Mehrheit der Österreicher auf die neue Volksgruppe, auf ihre schwächste Minderheit, aufmerksam. Tragischer Hintergrund: der Mord an vier Roma in Oberwart in der Nacht auf den 5. Februar 1995 durch eine vom Rechtsradikalen Franz Fuchs gelegte Rohrbombe. Josef Simon, Peter Sarközi, Karl Horvath und Erwin Horvath sind damit die Opfer des bisher folgenschwersten innenpolitisch motivierten Attentats in Österreich. Auch damals flogen Rosen – diesmal in die offenen Gräber, an denen Tausende standen, auch viele Politiker, die allerhand versprachen.
Als Roma-Kulturvereins-Obmann Rudolf Sarközi beim Begräbnis sagte: „Wir sind Staatsbürger dieses Landes, es ist unsere Heimat, unsere Heimat Österreich“, zerknüllte in der zweiten Bankreihe der damals 73-jährige Großvater zweier Opfer, Mischka Horvath, seine schwarze Fellmütze. Die „Heimat“hat ihm 1952 30.000 Schilling für sechs Jahre im KZ bezahlt und 1995 zwei Enkelkinder genommen.
Die Roma im Burgenland lebten 1995 meist in größeren Gruppen in oft tristen Unterkünften weit draußen am Rand von Deutsch Kaltenbrunn, Kleinbachselten, Spitzzicken, Unterschützen, Buchschachen, Wiesfleck, Liebing und Oberwart.
In den Wochen und Monaten nach dem Attentat hatte man den Eindruck, der heimtückische Mordanschlag habe die Republik, insbesondere Politik und Medien, verändert. 20 Jahre spä- ter stellt sich die Frage, was vom damaligen Schock und den Solidaritätsbekundungen geblieben ist.
Zu den Jahrestagen auf jeden Fall ehrliche Betroffenheit. Morgen, Dienstag, gibt es eine Gedenkveranstaltung im Parlament. Bundespräsident Heinz Fischer wird am Mittwoch an der Eröffnung der Ausstellung „Zeichen gegen das Vergessen“teilnehmen. Der Maler Manfred Bockelmann, Bruder von Udo Jürgens, zeigt im Offenen Haus Oberwart Porträts von Kindern, die in den Nazi-KZ umkamen, und von den vier Opfern des Attentats vor 20 Jahren. Am Abend wird Fischer bei einer Gedenkveranstaltung im Rathaus Oberwart eine Rede halten.
Für die in Österreich eingesessenen Roma hat die recht erfolgreiche Arbeit des Volksgruppenbeirats und engagierter Roma-Vereine dazu beigetragen, dass die Probleme geringer wurden. Mit dem Beitritt Bulgariens und Rumäniens 2007 ist die Volksgruppe der Roma und Sinti zur größten ethnischen Minderheit in der EU geworden. Insgesamt leben in der Europäischen Union rund zehn bis zwölf Millionen Angehörige der Volksgruppe – die meisten in Osteuropa. Auf dem Papier sind sie gleichberechtigte Bürger, doch ihre soziale und politische Lage bleibt prekär. Diskriminierung, Ausgrenzung und Armut prägen ihren Alltag. Debatten um den Umgang mit bettelnden Roma aus Osteuropa sind in Österreich seit Jahren an der Tagesordnung.
Bei Initiativen der Europäischen Union zur Integration und Förderung der Roma in den osteuropäischen Mitgliedsländern ist nach Ansicht von Experten in den ersten Jahren viel Geld „verpufft“. Das Europaparlament hat 2011 verpflichtende EU-Mindeststandards beschlossen, um den Roma in Europa Zugang zu Beschäftigung, Bildung, Wohnung und Gesundheitsversorgung zu garantieren. Die EU-Kommission hat daraufhin eine RomaStrategie beschlossen.