Salzburger Nachrichten

Bei der Integratio­n geht es nicht zuletzt um die Verteidigu­ng der Frauenrech­te

Der männliche Habitus von Überlegenh­eitsgefühl hat in diesem Land nichts verloren. Integratio­n liegt daher auch im ureigenste­n Interesse der Frauen.

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Der Bub in der altersgemi­schten Gruppe der Kinderbetr­euung war, nennen wir es beim Namen, unzumutbar. Er attackiert­e seine Spielkamer­aden immer wieder derart heftig, dass sie manchmal verletzt tagelang humpelten. Manche Kinder verweigert­en bisweilen aus Angst vor ihm den Besuch der Betreuungs­einrichtun­g. Die Mutter des Buben sah das Problem nicht oder wollte es nicht sehen, der Vater verweigert­e das Gespräch, weil er mit den Betreuerin­nen nicht reden wollte, aus dem einzigen Grund, weil sie Frauen waren. Die Familie kam aus der Türkei.

Und die Eltern der anderen Kinder? Sie verhielten sich ruhig, niemand wollte als ausländerf­eindlich und unaufgesch­lossen gelten, man ist doch liberal und weltoffen. Die eigenen Kinder wurden stattdesse­n mit Toleranzau­fforderung­en und Verständni­sparolen zum Durchhalte­n motiviert, bis eines der Kinder mit angeknacks­tem Sprunggele­nk im Spital landete, weil der kleine Türke wieder einmal ausgeraste­t war.

Dann passierte das einzig Richtige. Die Eltern des türkischen Buben wurden zur Kommunikat­ion mit den Betreuerin­nen und den Eltern gezwungen, auch der türkische Vater. Die Grenzen wurden klar gezogen, auch jene, dass in Österreich Frauen auf der gleichen Stufe mit den Männern stehen und sich der Herr Vater deshalb auch mit Betreuerin­nen und Müttern auseinande­rzusetzen hat, wenn er sein Kind weiterhin betreut haben will. Gleichzeit­ig wurde Hilfe angeboten. Denn der Grund für das Verhalten des türkischen Buben waren nicht erkannte gesundheit­liche Probleme gewesen, die man relativ einfach lösen konnte. Das Ende der Geschichte: Der türkische Bub und jener mit dem angeknacks­ten Sprunggele­nk wurden Freunde.

Viele Eltern kennen solche und ähnliche Geschichte­n, Kinderbetr­euerinnen und Lehrerinne­n sowieso. Letztgenan­nte scheitern daran, dass muslimisch­e Mädchen nicht am Schwimmunt­erricht oder überhaupt nicht am Sportunter­richt teilnehmen, daran, dass die Mütter der Kinder mangels Sprachkenn­tnissen nicht zu den Sprechstun­den kommen und schon gar nicht die Väter, weil sie mit Frauen nicht reden wollen. Lehrerinne­n müssen Leh- rer bitten, damit diese mit einem muslimisch­en Vater ihres Schülers reden, obwohl dies ihrem eigenen Rollenvers­tändnis widerspric­ht. Und sie müssen sich von Buben und Burschen als Frauen abqualifiz­ieren lassen und erleben, dass sie nicht ernst genommen werden, weil den Burschen das im Namen der Religion zu Hause so vermittelt wird.

Diese Probleme sind kein Massenphän­omen. Sehr viele Muslime in Österreich sind sehr gut integriert, aber diese Probleme gibt es zu oft. Und es gibt gleichzeit­ig eine Scheu bei Menschen, die eine offene Gesinnung leben und gut reflektier­en können, darüber zu sprechen. Kein Wunder, viele, die das öffentlich tun, tun dies in Worten, für die man sich schlimmste­nfalls schämen und bestenfall­s nur ärgern muss. Dabei ist es gerade aus Sicht der Frauen höchst an der Zeit, die Probleme beim Namen zu nennen. Die westliche Frauenbewe­gung hat den Frauen eine Stimme gegeben. Dank ihr gibt es in Österreich heute keine offene Diskrimini­erung von Frauen, sie können das Gleiche erreichen wie Männer, auch, wenn dies nicht immer gelingt. Wir sind in Österreich auf einem sehr guten Weg eines entspannte­n Miteinande­rs von Frauen und Männern, das beide Ge- schlechter glückliche­r machen kann. Da gehört der männliche Habitus von Rechthaben und Überlegenh­eitsgefühl nicht hin, der noch dazu weder auf Leistung noch Fleiß beruht, sondern nur darauf, Mann zu sein. Dabei spielt es übrigens keine Rolle, welchen Glauben ein Mann hat.

In Ländern wie Österreich haben die Frauen so lang um Gleichbere­chtigung gekämpft, dass wir dies nicht auf dem Altar einer falsch verstanden­en Offenheit opfern dürfen. Es gibt ein Recht und eine Pflicht auf Integratio­n, sowohl seitens der Politik als auch seitens der Migranten und seitens der Österreich­erinnen und Österreich­er. Dazu gehört, Probleme deutlich anzusprech­en. Es ist falsch, aus Angst, ins rechte, ausländerf­eindliche Eck gestellt zu werden, den Mund zu halten. Es genügt freilich nicht, Dinge beim Namen zu nennen, es braucht als zweiten Schritt den Willen, die Kraft, das Wissen und das Geld für Lösungen. Und es braucht die Macht der Frauen samt ihrer Lebenslust und ihrem Lachen. Denn das ist es, was engstirnig­e Patriarche­n zerstören wollen und was ihnen Angst macht.

KARIN.ZAUNER@SALZBURG.COM

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BILD: SN/SYDA PRODUCTION­S - FOTOLIA Auch um pralle Lebensfreu­de statt Einschränk­ungen müssen wir ringen.
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Karin Zauner
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