Das Leben wuselt unterm Wuschelkopf
Ami Warning spielt Reggae. Das wäre nicht besonders aufregend, wäre da nicht ihre Stimme.
Ami Warning klingt, als sei sie immer schon da gewesen. Das Kratzen aus dem Hals evoziert Glaubwürdigkeit. Die raue Tiefe, aus der mancher Vokal kommt, ist das Meer, auf dem Ernsthaftigkeit treibt. Warning muss sich für all das nicht anstrengen. Nichts ist gekünstelt oder erfunden. Alles kommt, wie es ist. Natürlich. Und so klingt dann sogar Weisheit durch, so etwas wie zeitlose Gültigkeit.
Dabei ist Ami Warning noch keine 20 Jahre alt. Und es klingt auch etwas zu weise, wenn sie von Märchen singt, die sich in Luft auflösen. Diese junge Frau mit den wuscheligen Haaren hat doch noch genug Zeit, sich über Enttäuschungen des Lebens auszulassen. Aber ein bis- serl Nachdenklichkeit schadet nicht, weil es sonst ohnehin fast lähmend angenehm und wohlig dahingeht bei ihrem Konzert in der Reihe „Roter Salon“in der ARGEkultur. Die Geschichte mit den Märchen ist auch ein einzelner Ausrutscher. Überwiegend nämlich beschäftigt sich Warning mit Fragen, die das Leben einem Fast-Teenager stellt. Es geht um Momente langsamer Einsicht, um die Tatsache, dass einen, weil man jeden Tag mehr sieht und mehr fühlt und erlebt, das Leben durchaus durcheinanderbringen kann. Sie ähnelt in Stimmlage und Erzählform Tracy Chapman, wenn die in ihren Liedern in der Tonlage ganz tief in den Armseligkeiten der Gesellschaft stöbert. Und die Stimme ähnelt auch Joan Armatrading. Auch bei diesen bei- den Sängerinnen schwingt in vielen Songs eine Art Ewigkeit mit.
Tatsächlich schimmert trotz Ami Warnings Jugend auch ein bisschen dieses „Immer-da-gewesen-Sein“durch. Ihr Vater ist Wally Warning, seit 20 Jahren in München ansässiger Soul- und Reggaemusiker. Tochter Amira, die sich als Künstlerin Ami nennt, war oft dabei. Backstage. Auf Tour. Und bald auch im Studio. Mit 15 nahm sie erste Songs auf. Vergangenes Jahr, nachdem die Matura erledigt war, erschien ihr Debüt „Part of Me“. Es ist, als ob sie immer tat, was sie tut, musikalisch schlagen die Gene durch. Klassischer Reggae, weniger kämpferisch als wohlwollend schunkelnd, klingt da. Das reichte für einen unaufgeregten Abend. Aber er war doch besonders – wegen ihrer Stimme.