Twitter statt Midlife-Crisis: Der Jungbrunnen der „ZiB 2“
„Zeit im Bild 2“ist 40, ihr durchschnittlicher Zuschauer im Pensionsalter, der Nachwuchs in sozialen Netzwerken.
Die 40 Jahre „Zeit im Bild 2“– dies ist nicht nur wegen der Namensverkürzung auf „ZiB 2“ein prototypisches Stück speziell österreichischer Mediengeschichte. Das Jubiläum wirkt einerseits als Musterbeispiel für die Transformation eines herkömmlichen Publikumsmodells in die Ära sozialer Netzwerke und erscheint andererseits als Exempel für die Fortschreibung von Marken- und Marktmacht aus Zeiten des Rundfunkmonopols. Außerdem markiert der runde Geburtstag noch einige Fallgruben zwischen Marktforschung und Marketing. 550.000 Zuschauer im Jahresschnitt sind respektabel, doch ihr Altersdurchschnitt 60 alarmiert.
Für Entwarnung sorgt aber nicht nur der internationale Vergleich, sondern auch der nationale Maßstab: Das Publikum von ARD und ZDF ist ähnlich betagt, für SPÖ und ÖVP sind Senioren die Hauptzielgruppe. Bei ihnen erreicht die Große Koalition noch fast eine Zweidrittelmehrheit.
Langfristig hat die öffentlich-rechtliche Fernsehinformation also ein ähnliches demo- grafisches Problem wie die beiden einstigen Volksparteien, obwohl auch der Altersschnitt der Bevölkerung kontinuierlich ansteigt: Zur Premiere der „Zeit im Bild 2“lag er noch bei 36,3, zum 40er der „ZiB 2“schon bei 42,2. Damals betrug unser tägliches Medienzeitbudget rund fünf Stunden, heute sind es knapp zehn – einst wie jetzt ein Drittel davon für Fernsehen. Die Steigerung erklärt sich auch dadurch, was es 1975 noch nicht gab – Teletext und Internet, Gratistageszeitung und Smartphone, Privatradio und -fernsehen.
Im politisch mutwillig verzögerten Ende des Rundfunkmonopols liegt bis heute ein Wettbewerbsvorteil des ORF im Allgemeinen und für seine Informationssendungen im Besonderen. Während in Deutschland „RTL aktuell“längst zu „Tagesschau“und „heute“aufgeschlossen hat, erreichen News-Angebote von ATV, Puls 4 und Servus TV nur einen Bruchteil der öffentlich-rechtlichen Nachrichtenquoten.
Erst diese Popularitätsbasis ermöglicht die Eroberung neuer Verbreitungskanäle: ORF- Leute stellen acht der 20 zugkräftigsten heimischen Twitter-Accounts. Die international einmalige Dominanz etablierter Medienmacher in diesem Kurznachrichtendienst entstand durch Armin Wolf. Er erreicht damit ein zwar vergleichsweise kleines, aber umso einflussreicheres Publikum und schafft vor allem das altersmäßig komplementäre Auditorium zur herkömmlichen „ZiB 2“.
Wie wichtig solche Kombis sind, zeigt die aktuelle Erweiterung des Instant-MessageDienstes Snapchat um Videos vom Nachrichtensender CNN. Im Austausch von jungen Nutzern gegen Markenvertrauen suchen OnlineStart-ups und Medien-Saurier zunehmend die Annäherung.
Aus dieser Perspektive ist die „ZiB 2“heute ein Trendsetter wie 1975. Denn die vergleichbaren „Tagesthemen“und „heute-Journal“von ARD und ZDF folgten erst drei Jahre später.
Peter Plaikner