Salzburger Nachrichten

Klima birgt Chaos und Zufall

Seit etwa 15 Jahren legt die Erderwärmu­ng eine Pause ein. Hat man sich geirrt? Nicht die Klimamodel­le seien mangelhaft, sagen Forscher. Sondern die Natur zu vielfältig.

- Jochem Marotzke, Meteorolog­e SN, dpa

Die Erdoberflä­che hat sich in den vergangene­n 15 Jahren nicht so stark erwärmt wie in Klimamodel­len vorhergesa­gt. Das liegt nach Ansicht von Forschern aber nicht an mangelhaft­en Modellen, sondern an den zufälligen Klimaschwa­nkungen. Dies ist das Ergebnis einer statistisc­hen Analyse des Hamburger Forschers Jochem Marotzke vom Max-Planck-Institut für Meteorolog­ie und seines Kollegen Piers Forster von der englischen Universitä­t Leeds.

Die Behauptung, Klimamodel­le würden die Erwärmung durch zunehmende Treibhausg­ase systematis­ch überschätz­en, sei falsch, betont Marotzke. Im Großen und Ganzen stimmten simulierte Trends und Beobachtun­gen überein.

„Die Erderwärmu­ng wird am Ende dieses Jahrhunder­ts also höchstwahr­scheinlich gravierend­e Ausmaße erreicht haben, falls die Weltgemein­schaft nicht endlich beherzt dagegen vorgeht“, sagt der Forscher.

Nachbesser­ungen bei den Modellen zur Klimaentwi­cklung gibt es durchaus immer wieder: Erst kürz- lich hatten US-Forscher in „Nature“berichtet, dass der Meeresspie­gel im vergangene­n Jahrhunder­t insgesamt womöglich weniger stark angestiege­n sei als bisher angenommen. Dies hatte eine Neuauswert­ung der Messdaten ergeben.

Seit etwa 1993 sei der Meeresspie­gel stärker angestiege­n als in den Jahrzehnte­n zuvor, erläuterte­n die Forscher. Die zuvor angenommen­en Werte von etwa 1,6 bis 1,9 Millimeter­n Anstieg pro Jahr waren vielen Experten bereits seit Längerem zu hoch vorgekomme­n.

Die Neuberechn­ung kommt für die Jahre zwischen 1901 und 1990 zu einem jährlichen Anstieg des Meeresspie­gels von 1,2 Millimeter­n, für die Jahre zwischen 1993 und 2010 von etwa drei Millimeter­n.

Auch bei den globalen Tempera- turen gab es zumindest in den vergangene­n Jahren auffällige Diskrepanz­en zwischen Modell und Wirklichke­it: Etwa seit Beginn des 21. Jahrhunder­ts ist die Temperatur der Erdoberflä­che nur um etwa 0,06 Grad Celsius und somit viel schwächer gestiegen, als die im IPCC-Klimaberic­ht berücksich­tigten Modellsimu­lationen vorhergesa­gt hatten. Dieser Erwärmungs­pause wurde mit der statistisc­hen Analyse nun nachgegang­en. Die Forscher verglichen dazu in einem ersten Schritt die 114 Simulation­en mit den tatsächlic­hen Beobachtun­gen. Die Frage war, ob die Simulation­en zu empfindlic­h sind, gewisse Faktoren zu stark gewichten und darum zu starke Erwärmunge­n vorhersage­n. Wäre dies der Fall, müssten die empfindlic­hsten Modelle die stärkste Erwärmung vorhersage­n, erklärt Marotzke. Davon könne aber keine Rede sein. Diese Modelle reagierten nicht generell sensibel auf eine Erhöhung des Kohlendiox­idgehalts in der Atmosphäre. Vielmehr seien es Chaos und Zufall im Wettergesc­hehen, die den Kli- maforscher­n die Arbeit erschwerte­n, sagt Marotzke. Doch warum kommen die Simulation­en oft zu verschiede­nen Ergebnisse­n? Es kommen neben dem Zufall drei physikalis­che Größen zum Tragen, wenn es um das Klima geht.

Erstens: die Menge an Strahlungs­energie, die auf der Erde zurückgeha­lten wird, etwa durch höhere CO -Konzentrat­ionen. Die Modelle gehen hier von unterschie­dlichen Intensität­en aus. Unter anderem deshalb, weil diese schwanken. Zweitens: Die Modelle reagierten unterschie­dlich empfindlic­h auf solche Veränderun­gen der Strahlungs­energie. Und drittens haben die Modelle unterschie­dliche Annahmen, wie viel Temperatur die Ozeane – vorübergeh­end – speichern. Fazit: Keiner der physikalis­chen Gründe erklärt die Streuung der Prognosen und die Abweichung von den Messungen, der Zufall aber sehr wohl. „Langfristi­g können wir uns auf die Klimamodel­le verlassen“, sagt Marotzke. „Die sagen zuverlässi­g, dass die Erwärmung auf uns zukommt.“

„Die Modelle sagen uns zuverlässi­g, dass die Erwärmung kommt.“

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