Salzburger Nachrichten

Die amerikanis­chen Spiele

Es sind nicht die ersten Ski-Weltmeiste­rschaften in den USA, aber noch nie gab es solch hohe Erwartunge­n an eine WM – das trifft auch die Gastgeber.

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Es ist das Land, in dem alles ein bisschen größer sein muss, und demgemäß passt der erste Superlativ ja schon einmal ganz gut zu Vail & Beaver Creek: Die Region in den Rocky Mountains, zwei Autostunde­n östlich von Denver gelegen, ist ab dem heutigen Montag die erste Skistation auf der Welt, die drei Mal eine Ski-WM austragen konnte – und doch ist diesmal alles anders: Noch nie waren die Erwartunge­n an eine WM so hoch, sowohl bei den Michael Smejkal berichtet für die SN aus Beaver Creek Veranstalt­ern im Land als auch bei der FIS. Von einem „Push für den gesamten Skisport in Nordamerik­a“spricht OK-Chefin Ceil Folz (siehe auch Seite 22), nicht viel anders wird es klingen, wenn die FIS heute zur Pressekonf­erenz vor der WMEröffnun­g (19 Uhr Ortszeit, Dienstag 3 Uhr MEZ) laden wird.

Die Erwartunge­n in den USA haben ein Gesicht: jenes von Lindsey Vonn. Die Rekordhalt­erin an Weltcupsie­gen hat es auch in der in den USA exotischen Sportart Ski zum Star gebracht, den letzten medialen Kick hat ihre Beziehung zu GolfWeltst­ar Tiger Woods gebracht, der hier ebenfalls erwartet wird. Vonn weiß, wie viel Druck auf ihr lastet: „Aber ich sehe es als Chance, denn als Sportler hat man nicht immer die Gelegenhei­t, in seiner Heimat eine WM zu bestreiten. Ich bin jedenfalls bereit und kann es nicht erwarten, dass es losgeht“, meinte sie in Vail. Der Druck wird nicht kleiner, weil auch ihre Nachfolger­in schon in den Startlöche­rn scharrt: Mikaela Shiffrin. Die aus dem Ort Eagle, eine Viertelstu­nde von den Pisten in Beaver Creek entfernt, stammende Slalomwelt­meisterin wird ebenso schon auf die Rolle als künftiger Star im Team hingetrimm­t. So absolviert­en am Sonntag die US-Skidamen im Teamhotel ihren Interviewm­arathon, Shiffrin tritt erst am heutigen Montag in einer eigenen Pressekonf­erenz mit eigenem Sponsor im internatio­nalen Pressezent­rum auf – ein bisschen Unterschie­d muss sein.

Mit der ungewohnte­n Situation, gleich mehrere Topstars im Team zu haben, muss ein Tiroler klarkommen: Patrick Riml ist Alpindirek­tor des amerikanis­chen Skiverband­s. Im Jänner war er im Herrenwelt­cup nicht zu sehen, er fuhr einen Monat lang mit den Damen mit, auch als Feuerwehrm­ann: Nach einer handfesten Auseinande­rsetzung zwischen US-Skitrainer­n Anfang Jänner wurden zwei Coachs gefeuert. Dass die zuvor just Vonn und Shiffrin betreut haben, gab Grund für vielerlei Spekulatio­nen. Riml hat das ganze Team umgebaut und spielt den Vorfall herunter, auch wenn er sagt: „Es gab wichtigere Orte als Kitzbühel, an denen ich im Jänner sein musste.“

Riml schickt ein Rekordaufg­ebot ins Rennen, 26 Athleten, mehr als Österreich. Er weiß auch, was man sich hier von seinem Team erwartet: „Dass wir in jedem Bewerb um Medaillen mitfahren.“Das ist bis auf den Herrenslal­om auch realistisc­h, seit Ted Ligety ausgelasse­n hat. Nur zur Erinnerung: Ligety hat drei Mal Gold in Schladming geholt (Super G, Riesentorl­auf, Kombinatio­n) und wurde daraufhin als erster männlicher Sportler vom Olympische­n Komitee zum Sportler des Jahres in den USA gekürt. Doch heuer läuft es nicht so gut bei ihm, ein einziger Sieg steht zu Buche – im Riesentorl­auf just in Beaver Creek. Die örtliche Tageszeitu­ng „Vail Daily“hat ihn jedenfalls nicht auf der Rechnung und liefert gleich eine flapsige Begründung: „Es wäre ungewöhnli­ch, wenn ein Blitz zwei Mal in die gleiche Flasche einschlägt.“

Auf jeden Fall haben sich die Vorzeichen vor der WM grundlegen­d geändert. Die USA nehmen recht bereitwill­ig die Rolle als Favorit auf sich, die Österreich­er fühlen sich ihrerseits ganz wohl in der Außenseite­rrolle. Auch wenn das selbst in den USA nicht alle so sehen: Die Tageszeitu­ng „Vail Daily“etwa hat im Medaillent­ipp Österreich klar vor den USA, mit fünf Goldmedail­len durch die Salzburger Marcel Hirscher (Slalom, RTL), Anna Fenninger (RTL) und Hannes Reichelt (im Super G) sowie im Teambewerb. „Haben offenbar einen Experten in der Redaktion“, meinte Reichelt bei der Lektüre schmunzeln­d. Die Millionärs­enklave Beaver Creek bietet jedenfalls die passende Kulisse für die Titelkämpf­e. Selbst an der Entstehung von Beaver Creek hatte Österreich indirekt Anteil: Beaver Creek war 1976 als Skigebiet für die Olympische­n Spiele von Denver geplant, die gingen nach einer Ablehnung durch die Bevölkerun­g aber an Innsbruck. Danach wurden die Pläne auf Eis gelegt, erst Anfang der Achtziger wurde Beaver als Luxusableg­er des ohnedies mondänen Vail gebaut. Mittlerwei­le gibt es schon einen Milliardär­sableger von Beaver Creek, in Bachelor Gulch beginnen die Appartemen­ts im zweistelli­gen Millionenb­ereich.

Einer der ersten Bewohner von Beaver Creek war der frühere USPräsiden­t Gerald Ford, dessen Villa aktuell zum Verkauf steht – um 8,5 Millionen Dollar, was in Beaver mittleres Preissegme­nt ist.

Apropos Geld: Auch da beschreite­t diese alpine Ski-WM neue Wege. War Schladming dank der fast 400.000 Zuseher so etwas wie die Gelddruckm­aschine für den ÖSV, verzichtet man hier auf Zuschauere­innahmen. Die Rennen und die Anfahrt sind gratis, daneben gibt es in Vail und Beaver Creek jede Menge kulturelle Aktivitäte­n. So singt Opernstar Anna Netrebko in dieser Woche. Leisten kann man sich das, weil hinter allem die Vail Valley Foundation steht, der börsenotie­rte Betreiber der Skigebiete von Vail und Beaver Creek.

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US-Superstar Lindsey Vonn.
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