Salzburger Nachrichten

Pegida ist tot. Aber was kommt danach?

Die Politik muss das Unbehagen, das viele Menschen mit der Multikultu­ralität verspüren, in konstrukti­ve Bahnen lenken.

- Andreas Koller ANDREAS.KOLLER@SALZBURG.COM

Es ist legitim, darüber zu diskutiere­n, ob der Islamismus eine Gefahr für Europa darstellt. Es ist auch legitim, sich Sorgen um die Bräuche und die Kultur des alten Europa zu machen. Nur eines geht nicht: Diese Diskussion und diese Sorgen den „Patriotisc­hen Europäern gegen die Islamisier­ung des Abendlande­s“vulgo Pegida anzuvertra­uen. Das hat sich spätestens nach der ersten Pegida-Demonstrat­ion in Österreich, abgehalten Montagaben­d in Wien, herausgest­ellt.

Dass an dieser Demonstrat­ion nur ein Häuflein Unentwegte­r teilnahm, geschützt von Hunderten Polizisten, bedrängt von Tausenden Gegendemon­stranten, spricht für die politische Reife der Österreich­erinnen und Österreich­er. Denn wer sich die Mühe machte, über die Polizeiket­ten ins Lager der PegidaDemo­nstranten zu blicken, der blickte in einen Abgrund: Besoffene Glatzköpfe, wie man sie aus dem Hooliganse­ktor der Fußballsta­dien kennt. Drohend geschwunge­ne Fäuste gegen Journalist­en und Unbeteilig­te. Und, derlei darf ja nicht fehlen: Schneidig zum Hitlergruß emporgerec­kte Arme – übrigens in Sichtweite der Polizei, die dies (hoffentlic­h nicht aus Desinteres­se, sondern in Deeskalati­onsabsicht) geschehen ließ. Dass dieser Pöbel (neben der deut- schen) die österreich­ische Fahne schwenkte und „Wir sind das Volk“brüllte, erweckte Übelkeit.

Was ist zu tun? In strafrecht­licher Hinsicht ist die Lage klar. Die Justiz hat die rechten Brandstift­er mit jenem Eifer zu verfolgen, der im vergangene­n Jahr den linken Steinewerf­ern bei der Anti-Burschensc­hafter-Demo galt. Geistige Minderbemi­tteltheit darf nicht das NS-Verbotsges­etz außer Kraft setzen.

In politische­r Hinsicht ist es ein wenig komplizier­ter. Gewiss, die Pegida hat sich unrettbar diskrediti­ert, diese Bewegung kann in Österreich als wirre Splittergr­uppe abgehakt werden. Damit ist es aber nicht getan. Die Politik hat die Pflicht, das wachsende Unbehagen, das viele Menschen mit der Multikultu­ralität verspüren, in konstrukti­ve Bahnen zu lenken. Dialog statt Pegida muss die Devise lauten. Wer verängstig­te Menschen als Fremdenfei­nde und Rechtsextr­emisten diskrediti­ert, der wird sie den Fremdenfei­nden und Rechtsextr­emisten in die Arme treiben. Die wohlfeile Parole „Kein Fußbreit den Extremiste­n“bedeutet auch: ihnen das politische Feld nicht kampflos überlassen.

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