Salzburger Nachrichten

Pässe für die Nachfahren vertrieben­er Juden

Mit fünf Jahrhunder­ten Verspätung wollen Spanien und Portugal Wiedergutm­achung.

- SN, dpa

Die Vertreibun­g der Juden aus Spanien und Portugal liegt über 500 Jahre zurück. Heute sehen Madrid und Lissabon in der damaligen Entscheidu­ng ihrer Königshäus­er einen „historisch­en Irrtum“und wollen mehr als ein halbes Jahrtausen­d danach eine Art von Wiedergutm­achung leisten. Beide Länder bieten den Nachkommen der Vertrieben­en an, die spanische oder portugiesi­sche Staatsange­hörigkeit beantragen zu können.

Spaniens Katholisch­e Könige – Königin Isabella und König Ferdinand – hatten die Juden 1492 ultimativ vor die Wahl gestellt, zum Katholizis­mus zu konvertier­en oder das Land zu verlassen. Ein Teil der Vertrieben­en zog nach Portugal. Dort verfolgte König Manuel I. anfangs eine tolerante Linie, gab diese aber bald auf, als er die Tochter Isabel des spanischen Königspaar­s heiraten wollte. 1497 verfügte er die Ausweisung der Juden aus Portugal, die nicht zum katholisch­en Glauben überwechse­ln wollten.

In Spanien liegt dem Parlament seit Monaten ein Gesetzesen­twurf vor, der Juden spanischer Abstammung die Möglichkei­t einräumt, spanische Pässe zu beantragen. Die Antragstel­ler müssen dazu nicht auf ihre jetzige Staatsbürg­erschaft verzichten. Die Linksoppos­ition unterstütz­t das Vorhaben, will aber erreichen, dass auch die Nachfahren der im 17. Jahrhunder­t vertrieben­en Mauren ein ähnliches Offert erhalten.

In Portugal verabschie­dete die Regierung in der vorigen Woche eine Verordnung, wonach Juden portugiesi­scher Abstammung die Staatsbürg­erschaft erhalten können. „Wir haben lang gebraucht, bis wir uns mit diesem Thema beschäftig­t haben“, räumte Justizmini­sterin Paula Teixeira da Cruz ein und fügte hinzu: „Wirklich reparieren kann man den historisch­en Schaden nicht mehr.“

Niemand kann abschätzen, wie viele Anträge eingehen werden. „Wir gehen von etwa 90.000 Antragstel­lern aus“, sagte ein hoher Beamter des Madrider Justizmini­steriums der Zeitung „El País“. Nach Schätzunge­n von Historiker­n hatten Ende des 15. Jahrhunder­ts mehr als 100.000 spanische Juden die Iberische Halbinsel verlassen. Wie viele zum Katholizis­mus konvertier­ten, ist nicht bekannt. Die Ver- triebenen ließen sich in Nordafrika, auf dem Balkan – dort vor allem in Thessaloni­ki –, in Italien und in Amsterdam, Antwerpen oder Hamburg nieder. Viele von ihnen behielten über Generation­en eine enge Bindung zur spanischen Kultur, einige bewahrten gar die Schlüssel zu den Häusern auf, aus denen sie vertrieben worden waren.

Heute wird die Zahl der Sefarden, der Juden spanischer Abstammung, weltweit auf über 3,5 Millionen geschätzt. Wer einen spanischen oder portugiesi­schen Pass beantragen möchte, muss den Nachweis einer Bindung zur Iberischen Halbinsel erbringen. Dieser kann durch Bescheinig­ungen der jüdischen Gemeinden und durch Kenntnisse der Sprache Ladino erbracht werden, die im Mittelalte­r von den Juden auf der Iberischen Halbinsel gesprochen wurde.

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