Auf den Wogen des Lebens durch die Party schippern
Der prollige Klamauk von Deichkind behält auch im größten Remmidemmi eine kritische Note.
MÜNCHEN. Das Schlauchboot wird auch dieses Mal auf den Händen den Fans vor dem Untergang bewahrt werden. Die Karten für die Frühjahrstournee von Deichkind aus Hamburg hatten sich schon rasend verkauft, ehe am Wochenende das neue Album „Niveau Weshalb Warum“erschien.
Deichkind agieren wie Hofnarren für eine Welt, die etwas wissen will, die sich nicht alles gefallen lassen will, die ein vages Unwohlsein spürt, sich dann aber doch lieber für die Party und gegen die Politik entscheidet. Solche Hofnarren taugen in erster Linie für ausgelassene Unterhaltung. Aber tief drinnen und zwischen plakativ formulierten Zeilen steckt dann doch der Angriff auf die Gesellschaft, der Unmut über Zustände. Jeder soll’s begreifen können. Deshalb folgen Deichkind einer vielfach erprobten Variante: Augenzwinkern und dabei nicht allzu weit oben ansetzen in der Intellektskala. Eher rühren sie an ein allgemeines Grummeln und zielen dabei auf einen weitverbreiteten Zustand des Unwohlseins zwischen Social-Media-Zeitverschwendung und Existenzangst. Da es um hip-hoppige Popmusik geht, die dann doch mehr sein will als bloße Gaudifabrik, wird das Prolli- ge, das Anbiedernde, das diese Band exzellent beherrscht, in einem Zimmer mit doppelten Boden ausgelegt.
„Hauptsache nichts mit Menschen“ist so ein Mittelding auf dem neuen Album. Es beschreibt zu simplem Mithüpfbeat den Zwiespalt, sich einerseits zu jedem Hund-Er- schlagen und Spektakel hingezogen zu fühlen und anderseits als Individuum in einer Menschenmenge unterzugehen. Dazu wird bei den Konzerten dann bedenkenlos tausendfach getanzt.
Deichkind haben nämlich große Mehrzweckhallen gebucht fürs Frühjahr (in Österreich werden sie in Linz und Graz gastieren). In die großen Hallen gerieten sie zuletzt mit „Leider geil“, das vor drei Jahren Gassenhauer wurde.
Auf „Niveau Weshalb Warum“verlassen sie sich auf eingeübte Tugenden. Kindisch Deppertes und Diskurs in Dadastil, totaler Klamauk und auf zwei, drei Zeilen destillierte Kritik am sozialen Durcheinander mischen die Hamburger problemlos. Daraus entsteht ein Remmidemmi, das den Urinstinkt nach Ablenkung anspricht, aber auch jenen eine Chance zum Mithüpfen bietet, die den letzten Rest von Denkkraft nicht gleich beim ersten aufpeitschenden Beat opfern wollen.
Die leichte Veränderung zum erfolgreichen Vorgängeralbum „Befehl von ganz unten“liegt kaum im Umgang mit den Worten. Da reimt sich weiter vieles, das inhaltlich schwer zusammengeht. Aber es muss halt in den Flow der Massen passen. Ausflippen als wesentlicher Grundbestandteil des Konzepts darf nicht gebremst werden. Doch Beats und Melodien kommen auf „Niveau Weshalb Warum“bisweilen subtiler daher. Auf das Rumsen und Ballern aus Hip-Hop und Electropop verzichten sie nicht gänzlich – wäre auch blöd, schließlich geht es nicht um letztgültige Antworten, sondern vor allem um den Schweiß der Party. Es geht allerdings schon auch um einen Anstoß, der manchen womöglich aus dem Schweißbad der Party zwischen die Zeilen und also zur Nachdenklichkeit befördern sollte.
Album: