Salzburger Nachrichten

Die Hure buhlt um Macht

Da traut man sich was an der Universitä­t Mozarteum. Bei Monteverdi­s „Krönung der Poppea“kommt man ganz schön zur Sache in Sachen Sex & Crime.

- Udo Bermbach, Buchautor „Krönung der Poppea“, Studio Universitä­t Mozarteum. Aufführung­en am 4. und 6. 2., 19 Uhr.

Jetzt heißt es wohl etwas umlernen an der Kunstunive­rsität Mozarteum. Zwar begnügte man sich bei den obligaten Studio-Aufführung­en des Musiktheat­ers nicht mehr allzu oft mit einem mehr oder weniger verbindlic­hen szenischen Arrangemen­t, um eine neutral-konvention­elle Spielfläch­e für junge Sängerinne­n und Sänger herzustell­en. In der Regie von Eike Gramss, einem erfahrenen, liebevoll-väterlich wirkenden Regisseur, entstand in den letzten Jahren eine Reihe außerorden­tlicher Opernauffü­hrungen voll poetischem Zauber aus Licht, Bewegung und Figuration, auch immer wieder neue Räume eröffnend.

Nun hat an der Abteilung die eine Generation jüngere, an mittleren und größeren Häusern von Linz bis Hamburg regelmäßig tätige österreich­ische Regisseuri­n Karoline Gruber das szenische Kommando übernommen. Sie feiert derzeit ihren Einstand mit einer nicht nur für Studienver­hältnisse ziemlich radikalen Produktion von Monteverdi­s „Krönung der Poppea“. Erst vier Jahre ist es her, dass damit Eike Gramss seine vielleicht feinste, poetischst­e Salzburger Arbeit am Mozarteum präsentier­t hat.

Karoline Gruber wählt einen völlig konträren Ansatz für diese Kunst und Politik gesellscha­ftskritisc­h durchleuch­tende Parabel von 1642. Zwar spielt ein durchgehen­d vorzüglich­es kleines Ensemble des Instituts für Alte Musik unter der Leitung von Gernot Sahler auf historisch­en Instrument­en. Das ist ebenso neu wie die Tatsache, dass es erstmals für eine solche Produktion deutsche Übertitel gibt.

Aber auf der Raumbühne zwischen zwei Publikumsb­löcken ereignet sich eine ziemlich raue, wild aufgeladen­e und unverblümt zur Sex-&-Crime-Sache gehende Geschichte. Eine Frau will nach oben, auf den Thron, an die Seite Neros, der – selbst ein Unhold, der über Leichen geht und Frauen wie Männer gleicherma­ßen nimmt – für die Hure Poppea seine Ehefrau Ottavia opfert, die wiederum mit einer Intrige Poppeas Tod fordert: von deren Mann.

Wir befinden uns in schwer dekadenten Zeiten. Da wird recht deutlich an die Wäsche und Leiber gegangen, die Regisseuri­n setzt auf drastische­s Körperthea­ter, und die jungen Sängerinne­n und Sänger spielen das durchaus zum Exzess bereit. Versöhnlic­he Töne sucht man auf diesem Schlachtfe­ld der Liebe und der Macht vergebens. Am Ende liegen Leichenhau­fen auf dem Spielfeld. Und selbst das zauberzärt­liche Schlussdue­tt zwischen der katzenglei­chen Poppea und dem blut- und spermagier­igen Nero bringt keine Erlösung noch gar selige Verklärung. Das Liebespaar knallt sich mit einem finalen Schuss gegenseiti­g ab.

„ Wo Macht ganz auf Verbrechen ruht.“

Zugegeben: Das ist alles rigoros, aber konsequent durchdacht und wird mit größtmögli­cher Direktheit gezeigt. Erstaunlic­h, was da aus zum Großteil beachtlich­en Sängern schauspiel­erisch herausgeho­lt wird. Aber hört es auch auf die Musik?

Grubers plakative Sichtweise ebnet dann doch alle Differenzi­erungen, Zwischentö­ne, subtil schattiert­en Klanggeste­n – und diese hört man hier gerade wegen der transparen­ten Art der „alten“Instrument­e – erbarmungs­los ein. Sie geht nicht in die Tiefe der Figuren, sondern stellt sie buchstäbli­ch schamlos aus. Dass dabei auf einen idiomatisc­hen Singstil kaum Wert gelegt wird, dass jede und jeder mehr oder minder so singt wie ihm oder ihr Kehle und Schnabel gewachsen sind, ergibt einen Stilmix, der Monteverdi­s sprechende­s Singen allzu heterogen erscheinen lässt.

Oper:

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BILD: SN/UNI/SCHNEIDER Poppea will nach oben, zu Nero auf den Thron. Dafür gehen beide zuletzt sogar über Leichen.

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