Die Hure buhlt um Macht
Da traut man sich was an der Universität Mozarteum. Bei Monteverdis „Krönung der Poppea“kommt man ganz schön zur Sache in Sachen Sex & Crime.
Jetzt heißt es wohl etwas umlernen an der Kunstuniversität Mozarteum. Zwar begnügte man sich bei den obligaten Studio-Aufführungen des Musiktheaters nicht mehr allzu oft mit einem mehr oder weniger verbindlichen szenischen Arrangement, um eine neutral-konventionelle Spielfläche für junge Sängerinnen und Sänger herzustellen. In der Regie von Eike Gramss, einem erfahrenen, liebevoll-väterlich wirkenden Regisseur, entstand in den letzten Jahren eine Reihe außerordentlicher Opernaufführungen voll poetischem Zauber aus Licht, Bewegung und Figuration, auch immer wieder neue Räume eröffnend.
Nun hat an der Abteilung die eine Generation jüngere, an mittleren und größeren Häusern von Linz bis Hamburg regelmäßig tätige österreichische Regisseurin Karoline Gruber das szenische Kommando übernommen. Sie feiert derzeit ihren Einstand mit einer nicht nur für Studienverhältnisse ziemlich radikalen Produktion von Monteverdis „Krönung der Poppea“. Erst vier Jahre ist es her, dass damit Eike Gramss seine vielleicht feinste, poetischste Salzburger Arbeit am Mozarteum präsentiert hat.
Karoline Gruber wählt einen völlig konträren Ansatz für diese Kunst und Politik gesellschaftskritisch durchleuchtende Parabel von 1642. Zwar spielt ein durchgehend vorzügliches kleines Ensemble des Instituts für Alte Musik unter der Leitung von Gernot Sahler auf historischen Instrumenten. Das ist ebenso neu wie die Tatsache, dass es erstmals für eine solche Produktion deutsche Übertitel gibt.
Aber auf der Raumbühne zwischen zwei Publikumsblöcken ereignet sich eine ziemlich raue, wild aufgeladene und unverblümt zur Sex-&-Crime-Sache gehende Geschichte. Eine Frau will nach oben, auf den Thron, an die Seite Neros, der – selbst ein Unhold, der über Leichen geht und Frauen wie Männer gleichermaßen nimmt – für die Hure Poppea seine Ehefrau Ottavia opfert, die wiederum mit einer Intrige Poppeas Tod fordert: von deren Mann.
Wir befinden uns in schwer dekadenten Zeiten. Da wird recht deutlich an die Wäsche und Leiber gegangen, die Regisseurin setzt auf drastisches Körpertheater, und die jungen Sängerinnen und Sänger spielen das durchaus zum Exzess bereit. Versöhnliche Töne sucht man auf diesem Schlachtfeld der Liebe und der Macht vergebens. Am Ende liegen Leichenhaufen auf dem Spielfeld. Und selbst das zauberzärtliche Schlussduett zwischen der katzengleichen Poppea und dem blut- und spermagierigen Nero bringt keine Erlösung noch gar selige Verklärung. Das Liebespaar knallt sich mit einem finalen Schuss gegenseitig ab.
„ Wo Macht ganz auf Verbrechen ruht.“
Zugegeben: Das ist alles rigoros, aber konsequent durchdacht und wird mit größtmöglicher Direktheit gezeigt. Erstaunlich, was da aus zum Großteil beachtlichen Sängern schauspielerisch herausgeholt wird. Aber hört es auch auf die Musik?
Grubers plakative Sichtweise ebnet dann doch alle Differenzierungen, Zwischentöne, subtil schattierten Klanggesten – und diese hört man hier gerade wegen der transparenten Art der „alten“Instrumente – erbarmungslos ein. Sie geht nicht in die Tiefe der Figuren, sondern stellt sie buchstäblich schamlos aus. Dass dabei auf einen idiomatischen Singstil kaum Wert gelegt wird, dass jede und jeder mehr oder minder so singt wie ihm oder ihr Kehle und Schnabel gewachsen sind, ergibt einen Stilmix, der Monteverdis sprechendes Singen allzu heterogen erscheinen lässt.
Oper: