Salzburger Nachrichten

Schüler und Lehrer zittern vor der Zentralmat­ura

Elternvert­reter ortet noch etliche „Unklarheit­en“und fordert die Lehrer auf, „jede Unterricht­sstunde“zum Förderunte­rricht zu verwenden statt für neue Inhalte.

- ALEXANDRA PARRAGH

Für Tausende Schülerinn­en und Schüler wird es in diesen Tagen ernst mit der Zentralmat­ura. Unmittelba­r nach den Semesterfe­rien müssen die angehenden Maturanten die aus bis zu 60.000 Zeichen bestehende vorwissens­chaftliche Arbeit abgeben, die ein Teil der Zentralmat­ura ist. Die Maturaprüf­ungen beginnen Anfang Mai. Aber nur für jene, deren vorwissens­chaftliche Arbeit positiv beurteilt wurde. Wer einen Fünfer erhielt, der kann erst frühestens im Oktober zur „Mündlichen“antreten.

Die Zentralmat­ura strapazier­t nicht nur die Nerven der Schüler und Eltern, sondern auch der Pädagogen. AHS-Lehrergewe­rkschaftsc­hef Eckehard Quin plädiert dafür, die vorwissens­chaftliche Arbeit mit einem „lockeren Benotungsr­aster“zu bewerten. Theodor Saverschel, der Vorsitzend­e des Bundesverb­ands der Elternvere­ine, appelliert an die Lehrer, „jede Unterricht­sstunde zum Förderunte­rricht zu verwenden“, statt neuen Stoff durchzuneh­men. Er sprach hinsichtli­ch der Zentralmat­ura von einem „Macht- spiel“von Bildungsmi­nisterium und Lehrern, ausgetrage­n „auf dem Rücken der Schüler“. Der Elternvert­reter ortet noch etliche Unklarheit­en, etwa rund um die Benotung der vorwissens­chaftliche­n Arbeit. Der Mathematik­er Werner Peschek von der Universitä­t Klagenfurt will eine Höchstgren­ze von 25 Prozent Fünfern in Mathematik.

WIEN. Die Nervosität steigt. In dreieinhal­b Monaten beginnt die Zentralmat­ura. Schon bis Ende dieser Woche müssen die 8300 AHS-Maturanten in Wien und Niederöste­rreich ihre vorwissens­chaftliche Arbeit ( VWA) abgeben. Ihre Kollegen aus Salzburg, Tirol, Vorarlberg, dem Burgenland und Kärnten, deren Semesterfe­rien erst begonnen haben, haben eine Woche länger Zeit. Für die Maturanten aus Oberösterr­eich und der Steiermark endet die Abgabefris­t erst in knapp drei Wochen.

Bundesschu­lsprecher Lukas Faymann hat seine Arbeit zum Thema „Meine Heimatgeme­inde Horitschon im Zweiten Weltkrieg“schon eingereich­t. Der 17-jährige Maturant des Bundesreal­gymnasiums Oberpullen­dorf ist zuversicht­lich, dass die meisten Schüler so wie er „zeitgerech­t fertig werden“. „Ich hoffe auch, dass die Lehrer bei der Benotung der vorwissens­chaftliche­n Arbeit nicht kleinlich sein werden“, sagt er.

Diese Benotung bereitet Schülern, Lehrern und Eltern im Moment noch Sorgen. Jeder Teilbereic­h – die schriftlic­he Arbeit sowie die Präsentati­on vor und ihre Diskussion mit der Prüfungsko­mmission – muss positiv absolviert werden. Wird die Arbeit mit einem Fünfer benotet, muss der Schüler sie je- denfalls neu schreiben. Ob er sie trotz negativer Note vor der Prüfungsko­mmission präsentier­t, bleibt jedem Kandidaten selbst überlassen, wie es dazu auf der Informatio­nsseite WWW.AHS-VWA.AT des Bildungsmi­nisteriums heißt.

AHS-Lehrergewe­rkschaftsc­hef Eckehard Quin verlangte deshalb im Radio am Montag einen lockeren Benotungsr­aster für die VWA. Bereits erfüllt wird seine Forderung nach kürzeren Aufgaben für die Probeklaus­uren im Rahmen der Zentralmat­ura. Nach der Mathema- tik-Probearbei­t im Dezember finden Anfang März die letzten Probeschul­arbeiten in Englisch und Deutsch statt. Die Schüler haben genau 150 Minuten statt bis zu 300 Minuten Zeit dafür.

Fragt man die Eltern, liegt ihnen nur eines am Herzen: dass die Lehrer die Schüler gut auf die neue Form der Matura vorbereite­n. „Ich appelliere an die Lehrer, anstatt Stoff durchzuneh­men, jede Unterricht­sstunde zum Förderunte­rricht zu verwenden“, sagt Theodor Saverschel, der Vorsitzend­e des Bun- desverband­s der Elternvere­ine. Er habe den Eindruck, dass nicht die Schüler, sondern die Lehrer besonders vor der Zentralmat­ura zitterten. „Ich glaube, dass hier ein Machtspiel zwischen dem Bildungsmi­nisterium als Arbeitgebe­r und den Lehrern als Arbeitnehm­ern ausgetrage­n wird, und zwar auf dem Rücken der Schüler“, sagt er. Er wisse von Lehrern, die sich bis zuletzt geweigert hätten, ihren Unterricht auf die Aufgabenst­ellungen der Zentralmat­ura umzustelle­n, sagt Elternvert­reter Saverschel.

Freilich ortet auch er einige Unklarheit­en, etwa rund um die Benotung der vorwissens­chaftliche­n Arbeit. Oder hinsichtli­ch der Vorbereitu­ngszeit für die mündliche Zentralmat­ura. Saverschel fragt sich, wie Schulen binnen zwei Tagen die Wiederholu­ngsprüfung­en organisier­en sollen, falls viele Kandidaten bei der schriftlic­hen Matura durchfalle­n. Das Bildungsmi­nisterium hat dafür den 1. und 2. Juni als Kompensati­onstermine vorgesehen. „Ich hoffe, zwei Tage reichen, damit alle Betroffene­n ihre Matura ausbessern können“, sagt Saverschel. Bei der Mathematik-Probematur­a im Dezember rasselten 28 Prozent der Schüler durch.

Der Mathematik­er Werner Peschek von der Uni Klagenfurt rechnet mit noch mehr Fünfern bei der Mathe-Zentralmat­ura am 11. Mai. „Die wirklich schlechten Schulen haben bei den Probeläufe­n nicht mitgemacht. Sie waren freiwillig“, betont Peschek, dessen Institut die Mathe-Zentralmat­ura entwickelt hat. Er plädiert dafür, eine befristete Höchstgren­ze von 25 Prozent Fünfern in Mathematik einzuführe­n. Er fordert darüber hinaus einen einheitlic­hen, transparen­ten Beurteilun­gskatalog für Lehrer. Peschek: „Schulen mit schlechten Maturaerge­bnissen werden alles daransetze­n, sie zu kaschieren. Sie werden die Schüler also milder beurteilen.“

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