Schüler und Lehrer zittern vor der Zentralmatura
Elternvertreter ortet noch etliche „Unklarheiten“und fordert die Lehrer auf, „jede Unterrichtsstunde“zum Förderunterricht zu verwenden statt für neue Inhalte.
Für Tausende Schülerinnen und Schüler wird es in diesen Tagen ernst mit der Zentralmatura. Unmittelbar nach den Semesterferien müssen die angehenden Maturanten die aus bis zu 60.000 Zeichen bestehende vorwissenschaftliche Arbeit abgeben, die ein Teil der Zentralmatura ist. Die Maturaprüfungen beginnen Anfang Mai. Aber nur für jene, deren vorwissenschaftliche Arbeit positiv beurteilt wurde. Wer einen Fünfer erhielt, der kann erst frühestens im Oktober zur „Mündlichen“antreten.
Die Zentralmatura strapaziert nicht nur die Nerven der Schüler und Eltern, sondern auch der Pädagogen. AHS-Lehrergewerkschaftschef Eckehard Quin plädiert dafür, die vorwissenschaftliche Arbeit mit einem „lockeren Benotungsraster“zu bewerten. Theodor Saverschel, der Vorsitzende des Bundesverbands der Elternvereine, appelliert an die Lehrer, „jede Unterrichtsstunde zum Förderunterricht zu verwenden“, statt neuen Stoff durchzunehmen. Er sprach hinsichtlich der Zentralmatura von einem „Macht- spiel“von Bildungsministerium und Lehrern, ausgetragen „auf dem Rücken der Schüler“. Der Elternvertreter ortet noch etliche Unklarheiten, etwa rund um die Benotung der vorwissenschaftlichen Arbeit. Der Mathematiker Werner Peschek von der Universität Klagenfurt will eine Höchstgrenze von 25 Prozent Fünfern in Mathematik.
WIEN. Die Nervosität steigt. In dreieinhalb Monaten beginnt die Zentralmatura. Schon bis Ende dieser Woche müssen die 8300 AHS-Maturanten in Wien und Niederösterreich ihre vorwissenschaftliche Arbeit ( VWA) abgeben. Ihre Kollegen aus Salzburg, Tirol, Vorarlberg, dem Burgenland und Kärnten, deren Semesterferien erst begonnen haben, haben eine Woche länger Zeit. Für die Maturanten aus Oberösterreich und der Steiermark endet die Abgabefrist erst in knapp drei Wochen.
Bundesschulsprecher Lukas Faymann hat seine Arbeit zum Thema „Meine Heimatgemeinde Horitschon im Zweiten Weltkrieg“schon eingereicht. Der 17-jährige Maturant des Bundesrealgymnasiums Oberpullendorf ist zuversichtlich, dass die meisten Schüler so wie er „zeitgerecht fertig werden“. „Ich hoffe auch, dass die Lehrer bei der Benotung der vorwissenschaftlichen Arbeit nicht kleinlich sein werden“, sagt er.
Diese Benotung bereitet Schülern, Lehrern und Eltern im Moment noch Sorgen. Jeder Teilbereich – die schriftliche Arbeit sowie die Präsentation vor und ihre Diskussion mit der Prüfungskommission – muss positiv absolviert werden. Wird die Arbeit mit einem Fünfer benotet, muss der Schüler sie je- denfalls neu schreiben. Ob er sie trotz negativer Note vor der Prüfungskommission präsentiert, bleibt jedem Kandidaten selbst überlassen, wie es dazu auf der Informationsseite WWW.AHS-VWA.AT des Bildungsministeriums heißt.
AHS-Lehrergewerkschaftschef Eckehard Quin verlangte deshalb im Radio am Montag einen lockeren Benotungsraster für die VWA. Bereits erfüllt wird seine Forderung nach kürzeren Aufgaben für die Probeklausuren im Rahmen der Zentralmatura. Nach der Mathema- tik-Probearbeit im Dezember finden Anfang März die letzten Probeschularbeiten in Englisch und Deutsch statt. Die Schüler haben genau 150 Minuten statt bis zu 300 Minuten Zeit dafür.
Fragt man die Eltern, liegt ihnen nur eines am Herzen: dass die Lehrer die Schüler gut auf die neue Form der Matura vorbereiten. „Ich appelliere an die Lehrer, anstatt Stoff durchzunehmen, jede Unterrichtsstunde zum Förderunterricht zu verwenden“, sagt Theodor Saverschel, der Vorsitzende des Bun- desverbands der Elternvereine. Er habe den Eindruck, dass nicht die Schüler, sondern die Lehrer besonders vor der Zentralmatura zitterten. „Ich glaube, dass hier ein Machtspiel zwischen dem Bildungsministerium als Arbeitgeber und den Lehrern als Arbeitnehmern ausgetragen wird, und zwar auf dem Rücken der Schüler“, sagt er. Er wisse von Lehrern, die sich bis zuletzt geweigert hätten, ihren Unterricht auf die Aufgabenstellungen der Zentralmatura umzustellen, sagt Elternvertreter Saverschel.
Freilich ortet auch er einige Unklarheiten, etwa rund um die Benotung der vorwissenschaftlichen Arbeit. Oder hinsichtlich der Vorbereitungszeit für die mündliche Zentralmatura. Saverschel fragt sich, wie Schulen binnen zwei Tagen die Wiederholungsprüfungen organisieren sollen, falls viele Kandidaten bei der schriftlichen Matura durchfallen. Das Bildungsministerium hat dafür den 1. und 2. Juni als Kompensationstermine vorgesehen. „Ich hoffe, zwei Tage reichen, damit alle Betroffenen ihre Matura ausbessern können“, sagt Saverschel. Bei der Mathematik-Probematura im Dezember rasselten 28 Prozent der Schüler durch.
Der Mathematiker Werner Peschek von der Uni Klagenfurt rechnet mit noch mehr Fünfern bei der Mathe-Zentralmatura am 11. Mai. „Die wirklich schlechten Schulen haben bei den Probeläufen nicht mitgemacht. Sie waren freiwillig“, betont Peschek, dessen Institut die Mathe-Zentralmatura entwickelt hat. Er plädiert dafür, eine befristete Höchstgrenze von 25 Prozent Fünfern in Mathematik einzuführen. Er fordert darüber hinaus einen einheitlichen, transparenten Beurteilungskatalog für Lehrer. Peschek: „Schulen mit schlechten Maturaergebnissen werden alles daransetzen, sie zu kaschieren. Sie werden die Schüler also milder beurteilen.“