Raubgold in großem Rahmen
Die „Goldene Adele“heißt nun „Woman in Gold“und kommt als Raubkunstfall ins Kino.
BERLIN. Die resolute alte Dame schüttelt den Kopf, dass ihre ondulierten Haare fliegen. „Ich geh dahin nicht wieder zurück. Die haben meine Familie zerrissen und meine Freunde umgebracht.“Es ist Helen Mirren in der Rolle der Maria Altmann, Erbin der Familie Bloch-Bauer, aus deren Besitz das Porträt von Adele Bloch-Bauer stammt. Maria Altmann ist deren Nichte, und sie hat in den Papieren ihrer verstorbenen Schwester Hinweise gefunden, dass dieses Bild der „Goldenen Adele“ihr gehören soll. Doch zurück nach Wien will sie nicht, in die Stadt, aus der sie und ihre Familie nur mit knapper Not dem Nazi-Terror entkommen sind.
Die „Goldene Adele“ist der prominenteste Restitutionsfall von Nazi-Raubgut in Österreich und kein Ruhmesblatt für die Republik. Nun ist aus dem Fall ein Film geworden, der in der Reihe „Berlinale Special“ am Dienstag seine Premiere feiert: „The Woman in Gold“unter der Regie des britischen „My Week with Marilyn“-Regisseurs Simon Curtis. Der Film erzählt die Geschichte Maria Altmanns, ihres Anwalts Randy Schoenberg (Ryan Reynolds) und deren Kampf um die Rückgabe von sechs Bildern Gustav Klimts, die von den Nazis geraubt, ins Belvedere geholt und danach ins Eigentum der Republik Österreich übergegangen waren. Zwar hatte sich Adele Bloch-Bauer vor ihrem frühen Tod gewünscht, dass die Bilder einst im Belvedere hängen sollten, doch dieser Wille war nicht rechtlich bindend, weil die Gemälde nicht ihr gehört hatten. Ihr Mann hatte dafür bezahlt – abgesehen davon, dass die Bilder ja noch zu Lebzeiten ihres Mannes gestohlen worden waren.
An den jungen Anwalt Schoenberg wendet sich Maria Altmann, weil er als Enkel Arnold Schönbergs eine ähnliche Geschichte von Vertreibung und Ermordung von Fami- lienmitgliedern hat wie sie. Doch er macht zuerst nur mit, weil er sich Gewinn verspricht, immerhin wird die „Goldene Adele“auf über 100 Millionen Dollar geschätzt. Erst als er miterlebt, wie schäbig Altmann in Wien behandelt wird, beginnt er den Fall persönlich zu sehen.
„The Woman in Gold“ist ein konventioneller Film, nach Regeln und mit Strategien des Hollywoodkinos vor allem für ein Publikum in den USA gemacht. Rückblenden in ein dezent sepia getöntes Wien der 30er-Jahre bieten historischen und emotionalen Hintergrund, sogar eine Rückblende zu einem wildbärtigen Gustav Klimt (Moritz Bleibtreu) kommt vor. Manches davon wirkt aufgesetzt, anderes ist fantastisch beobachtet. Und Österreich kommt schlecht weg, vor allem die damalige Kulturministerin Elisabeth Gehrer (Olivia Silhavy), die auf einen ersten Brief von Maria Altmann mit dem Angebot, die Bilder in Wien zu belassen, gar nicht erst reagiert.
Der Hoffnung auf ein internationales Publikum ist es wohl geschuldet, warum in österreichischen Rollen fast nur deutsche Gesichter und Stimmen sind: Tom Schilling spielt einen SS-Mann, Daniel Brühl den ehemaligen „profil“-Herausgeber und Altmann-Verbündeten Hubertus Czernin. In anderen Details wieder ist „The Woman in Gold“präzis und überzeugend, und Helen Mirren in der Rolle der sturen, gebrechlichen Maria Altmann hat viele fantastische, auch witzige Momente.
Dem österreichischen Publikum ist ein Filmstart dringend zu wünschen – trotz gelegentlichen Kitsches und eines schmalzigen Finales (ein Termin steht noch nicht fest). Allein die Außenwahrnehmung lässt ein paar Dinge klarer sehen, etwa eine Szene am Schluss: Maria Altmann möchte bei ihrem Abschied von Wien noch einmal zur ehemaligen Wohnung ihres Onkels Ferdinand schauen. Sie muss erkennen: Diese ist ein ÖBB-Büro.