Erste holt in Ungarn den Staat ins Boot
Ungarn senkt die Bankensteuer und steigt im Gegenzug mit der EBRD bei der lokalen Tochter der Ersten ein.
WIEN. Ungarn ist für ausländische Banken seit einigen Jahren ein hartes Pflaster. Im Sommer 2010 war Ungarn eines der ersten Länder in Europa, die eine Bankensteuer einführten, die Erste-Group-Chef Andreas Treichl schon damals als die „dümmste Form“einer Bankensteuer bezeichnete. Dazu kam ein Gesetz, dass die Banken verpflichtete, ihre ungarischen Kunden mit Frankenkrediten zu einem staatlich festgelegten Kurs auf den Forint umzustellen, das den gesamten Bankensektor rund 3,5 Mrd. Euro kostete.
Viele Banken fahren seither Verluste in Ungarn ein, einige ausländische Institute überlegen laut, sich zurückzuziehen, darunter auch die Raiffeisen Bank International, sie hat einen Verkauf mangels Interesse aber wieder auf Eis gelegt. Auch Erste-Group-Chef Treichl hielt stets am Engagement in Ungarn fest, obwohl sein Institut allein seit 2012 mehr als 500 Mill. Euro dort verlor.
Nun könnte sich die Lage für die Banken in Ungarn aufhellen, denn die Regierung von Ministerpräsident Viktor Orbán will die Bankensteuer senken. Sie wurde bisher an der Bilanzsumme von 2009 bemes- sen und nahm weder Rücksicht darauf, ob die Banken Gewinne oder Verluste schrieben, noch darauf, dass sie ihr Geschäft eingeschränkt und die Bilanzsumme reduziert haben. Künftig soll die aktuelle Bilanzsumme Maßstab für die Bankenabgabe sein und damit massiv sinken.
Basis für das Einlenken Orbáns ist ein Abkommen, das seine Regierung mit der Osteuropabank EBRD (European Bank for Reconstruction and Development) geschlossen hat. Das am Montag in Budapest unterzeichnete Memorandum of Understanding sieht vor, dass die Bankensteuer 2015 und 2016 „signifikant gesenkt“wird, wie Orbán bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Treichl und EBRD-Präsident Suma Chakrabarti sagte. Auf Nachfrage sagte Orbán, die Banken sollen 2016 um 60 Mrd. Forint (rund 195 Mill. Euro) weniger Bankensteuer zahlen müssen. Im heurigen Jahr erwartet die Regierung Einnahmen von rund 470 Mill. Euro aus der Bankensteuer. 2017 soll es eine weitere Reduktion geben, sagt Orbán, Ziel sei, die Höhe der Abgabe näher an den EUDurchschnitt heranzuführen. Die Geschäftsbanken hatten mit Unterstützung der EBRD seit Monaten versucht, in Ungarn ein Umfeld zu schaffen, das ihnen ermöglicht, wieder Gewinne zu erwirtschaften.
Das Entgegenkommen Orbáns hat allerdings auch einen Preis – der Staat und die EBRD werden sich in die ungarische Tochterbank der Erste Group einkaufen. Vorstandschef Treichl sagte, dass man Ungarn, gemeinsam mit der EBRD, ermögliche, sich an der Erste Bank Hungary mit jeweils bis zu 15 Prozent zu beteiligen. Ob dies im Weg einer Kapitalerhöhung oder über den Kauf bestehender Aktien erfolge, sei noch nicht entschieden, sagte Treichl. Orbán sagte dazu: „Die Erste wird auch eine ungarische Bank sein.“Er hatte im Frühjahr 2013 die seiner Meinung nach zu starke Präsenz ausländischer Banken kritisiert und die Devise ausgegeben, der Bankensektor sollte mehrheitlich in ungarischer Hand sein. 2014 hat die Regierung bereits die MKB Bank, die ehemalige Tochter der BayernLB, verstaatlicht.
Zum Einstieg bei der Erste Bank Hungary sagte Orbán, dass man sich erst über den Preis für den Anteil einigen müsse, es werde jedenfalls eine vertiefende Prüfung (Due Diligence) geben. Seitens der Erste Group wird betont, dass die Vereinbarung Ungarns mit der EBRD auch beinhalte, dass die ungarische Regierung „nicht beabsichtigt, direkt oder indirekt Mehrheitsbeteiligungen an systemisch bedeutenden lokalen Banken übernehmen zu wollen“. Zudem habe die Regierung zugesichert, alle derzeit von ihr gehaltenen direkten und indirekten Beteiligungen an solchen Banken innerhalb der nächsten drei Jahre an den Privatsektor zu übertragen.
Im Gegenzug für die Absenkung der Bankensteuer hat die Erste Group zugesagt, dass ihre ungarische Tochterbank ihre Kreditvergabe um mehr als 500 Mill. Euro ausweiten will. Zum Beweis dafür, dass man sich aus dem ungarischen Markt nicht zurückziehen, sondern dort auf Dauer bleiben will, hat die Erste Group ihr Interesse an den Aktivitäten der Citigroup deponiert. Die US-Großbank zieht sich wegen der eingetrübten Zukunftsaussichten für die Region aus zahlreichen Märkten Osteuropas zurück.
„Unsere Gruppe sieht sich als Partner für Wachstum und Wohlstand in Ungarn.“