Salzburger Nachrichten

Supergroße Koalition und rechts davon verlorene Stimmen

Die Rechten als Gewinner und in der politische­n Mitte die Verlierer? Das Bild, das nach der EU-Wahl entstand, stimmt nur bedingt.

- STEPHANIE.PACK@SALZBURG.COM

Im Mai 2014 wurde gewählt, seit Juli ist das neue EU-Parlament im Amt. So manche Prophezeiu­ng hat sich seither bewahrheit­et, vor allem die Tendenz zur großen Koalition. In fast 80 Prozent der Abstimmung­en haben Abgeordnet­e der Europäisch­en Volksparte­i und der Sozialdemo­kraten gleich gewählt. Sie konnten sich damit am häufigsten in Abstimmung­en durchsetze­n, gemeinsam mit der liberalen ALDE-Fraktion. Das zeigt ein aktueller Bericht der Organisati­on „Vote Watch“.

Die Analysten von „Vote Watch“sprechen nicht nur von der großen Koalition, sondern von einer supergroße­n. Volksparte­i, Sozialdemo­kraten und Liberale haben sie das erste Mal bei der Annahme der Juncker-Kommission geschlosse­n. Ein Deal, ausgehande­lt hinter verschloss­enen Türen von den Spitzen der Parteifami­lien, so lautete damals die Kritik. Das ist zweifelsoh­ne nicht das, was Europa in den kommenden Jahren braucht. Mehr Bürgerbete­i- ligung und -interesse kann es nur durch viel sachliche, offene Debatte unter den Abgeordnet­en geben.

Die ist in Zukunft auch zu erwarten, supergroße Koalition hin oder her. Traute Eintracht herrscht hier genauso wenig wie beim österreich­ischen Pendant. Zudem ist die Koalition auf EU-Ebene nicht einzementi­ert, im Gegensatz zur nationalen. Die Macht im EU-Parlament ist von der Mitte aus nach links und rechts derzeit ziemlich gleich verteilt. Es wird also eng um die Mehrheit, wenn Volksparte­i und Sozialdemo­kraten nicht einig sind. „Vote Watch“Vorstand Simon Hix sieht daher in den kommenden Jahren „große Schlachten“im Parlament. Wenn es um Debatten zur Digitalwir­tschaft geht, um Freizügigk­eit von Arbeitnehm­ern und vor allem bei TTIP, dem Freihandel­sabkommen mit den USA.

Wie die beiden großen Fraktionen diese Schlachten schlagen werden? Laut Hix ent- weder mit mehr Deals hinter verschloss­enen Türen oder aber im Idealfall mit einem Schlagabta­usch unter ihren Abgeordnet­en. In einer sachlichen, öffentlich­en Debatte, die zeigt: Wer steht hier wirklich wofür? Das könnte laut Hix bei den nächsten Wahlen den Populisten den Wind aus den Segeln nehmen.

Derzeit fallen die Gruppen am politische­n Rand des EU-Parlaments durch mehr parlamenta­rische Anfragen auf als in der vorigen Amtszeit. Bei Abstimmung­en können sie den Gewinn der jüngsten Wahl aber kaum geltend machen. Die Abgeordnet­en der Fraktion „Europa der Freiheit und der direkten Demokratie“rund um die britische UKIP wählten in den ersten sechs Monaten so unterschie­dlich, dass sich ihre Stimmen in der Fraktion fast wieder aufgehoben haben. Viele Stimmen rechts der Mitte also, die gemeinsam wenig bewegen.

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Stephanie Pack

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