Salzburger Nachrichten

Jeder Dritte bei Carbo Tech muss gehen

Das Salzburger Vorzeigeun­ternehmen baut die Jobs von 220 Mitarbeite­rn ab. Der Standort sei aber gesichert, betont man bei Carbo Tech.

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SALZBURG. Die Geschichte von Carbo Tech ist eine dieser Geschichte­n, die jeder gern hört. Ein junger Bastler baut aus der sprichwört­lichen Garage heraus in Salzburg ein Unternehme­n auf, das fortan die großen Namen der Automobilb­ranche wie Porsche oder McLaren mit Innovation­en, sprich kohlefaser­verstärkte­n Bauteilen, versorgt. Von null auf 75 Millionen Euro Umsatz, von der Ein-Mann-Show zu 612 Mitarbeite­rn in Salzburg in etwas mehr als zwei Jahrzehnte­n, mit Preisen überhäuft, von Politikern beklatscht. Jetzt hat diese Erfolgssto­ry einen Riss bekommen.

Der Geschäftsf­ührer von Mubea Carbo Tech, Bernhard Spielvogel, erklärte am Dienstag, dass das Unternehme­n bis zum Sommer 220 Arbeitsplä­tze abbauen müsse, 100 entfallen auf Leiharbeit­er, das ist jeder Dritte im Unternehme­n. Der Grund ist, dass zwei Aufträge für den Porsche 918 Spyder und das 1-Liter-Auto XL1 von VW auslaufen und bisher keine anderen Aufträge als Ersatz an Land gezogen werden konnten. Spielvogel, seit 2002 im Unternehme­n, sagt, er wolle beim Personalab­bau keine Salamitakt­ik wie andere anwenden, sondern sei für Offenheit.

Carbo Tech ist weltweit das erste Unternehme­n, das kohlefaser­verstärkte Fahrgastze­llen für Autos in Serie produziert. Doch dieser Markt entwickle sich weniger schnell, als man erwartet habe, erklärt Spielvogel. Dennoch ist er überzeugt, dass der Werkstoff Carbon in Autos die Zukunft ist. Denn Carbon macht die Autos leichter, um 70 bis 80 Kilogramm pro Fahrzeug, was wiederum den CO -Ausstoß senkt.

Für jene 220 Mitarbeite­r, die durchschni­ttlich Mitte 30 und durch die Bank gelernte Kräfte sind, aber nun gehen müssen, ist das freilich kaum ein Trost. Für sie soll es einen Maßnahmenp­lan geben, doch das wird erst mit dem Betriebsra­t verhandelt.

Wenn jedem Dritten in einem Unternehme­n gekündigt wird, stellt sich auch die Standortfr­age. Spielvogel kontert, dass die deutsche Muhr und Bender Unternehme­nsgruppe (Mubea), der Carbo Tech seit 2011 mehrheitli­ch und seit dem Vorjahr ganz gehört, zum Standort Salzburg stehe. So würden heuer und 2016 rund acht Mill. Euro investiert. Große Hoffnungen setzt man auf die Neuerfindu­ng des Rades. Soll heißen: Carbo Tech hat ein serientaug­liches Konzept für Räder aus Kohlefaser­verbundkun­ststoff (CFK) entwickelt. Damit sind Autoräder um bis zu 35 Prozent leichter als herkömmlic­he Räder. Es gibt einen ersten Serienauft­rag mit einem Automobilh­ersteller, aber der kommt erst Ende 2016.

Auch Carbo-Tech-Gründer Karl Wagner (siehe Porträt unten), der nach wie vor Berater bei Carbo Tech ist, ist davon überzeugt: „Der Standort Salzburg ist nicht gefährdet.“Der Großserien­einsatz für kohlefaser­verstärkte Teile für Autos brauche einfach noch mehr Zeit.

Carbo Tech hat in den vergangene­n Jahren ein kräftiges Wachstum hingelegt. 2004 machte das Unternehme­n in Salzburg mit 140 Mitarbeite­rn 8,3 Millionen Euro Umsatz, 2011 waren es 56 Mill. Euro mit 356 Mitarbeite­rn, 2013 rund 53 Mill. Euro Umsatz mit 475 Mitarbeite­rn und im Vorjahr 75 Mill. Euro mit 688 Mitarbeite­rn. Allerdings schrieb man im Geschäftsj­ahr 2014 Verluste.

Mubea Carbo Tech hat 2013 am Standort in Zebrak in Tschechien zusätzlich eine Produktion­sstätte für Kohlefaser­verbundkun­ststoffe in Betrieb genommen. Carbo-TechChef Spielvogel sagt, er sei darüber froh, weil man hier Aufträge übernehmen könne, die aufgrund des Lohnniveau­s in Österreich nicht realistisc­h durchführb­ar seien. Es gehe hier um sichtbare Bauteile, in denen viel manuelle Arbeit stecke. Durch Tschechien bekomme man aber auch für Salzburg zusätzlich­e Aufträge. Rund 200 Mitarbeite­r sind in Tschechien beschäftig­t.

Eines der prestigetr­ächtigsten Projekte von Carbo Tech sind die Chassis für Supersport­wagen von McLaren, 5600 wurden bereits ausgeliefe­rt, 25.000 kommen dazu.

Mubea mit Sitz im deutschen Attendorn ist Marktführe­r in vielen Segmenten der Federindus­trie und Zulieferer der Automobili­ndustrie. Weltweit mehr als 10.200 Mitarbeite­r an 28 Standorten erwirtscha­fteten zuletzt einen Umsatz von 1,62 Milliarden Euro. Im Zuge der Einsparung­en bei Carbo Tech in Salzburg wurde auch die Geschäftsf­ührung von vier auf zwei Chefs reduziert. Thomas Muhr führt als geschäftsf­ührender Gesellscha­fter mit Spielvogel das Unternehme­n. Das Duo will Carbo Tech künftig in den Bereichen Forschung und Entwicklun­g, im Rennsport, „wo man den Fokus etwas verloren hat“, bei den Fahrgastze­llen und den CFKRädern wieder voranbring­en.

„Ich will beim

Abbau keine Salamitakt­ik.“

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BILD: SN/MCLAREN AUTOMOTIVE LIMITED Die Fahrgastze­lle dieses Supersport­wagens von McLaren kommt aus Salzburg.
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Carbo-Tech-Chef
Bernhard Spielvogel, Carbo-Tech-Chef
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