Die EU gesteht Fehler im Umgang mit ihren Nachbarn ein
Der stetig wachsende Migrationsdruck und die Krisen in den Nachbarländern zwingen die Union zum Umdenken.
Seit elf Jahren gibt es die Europäische Nachbarschaftspolitik. Unter ihrem Mantel will die EU die Beziehung zu 16 angrenzenden Staaten im Süden und Osten der Union stärken. Beiden Seiten soll das mehr Sicherheit und Wirtschaftswachstum bescheren. Geglückt ist das nicht immer. Aktuellstes und dramatischstes Beispiel: das Assoziierungsabkommen mit der Ukraine, dessen Nichtunterzeichnung im November 2013 die Proteste auf dem Maidan-Platz in Kiew zur Folge hatte, die in den anhaltenden Konflikt mündeten.
Das Abkommen war damals der Auslöser, die Ursachen sieht die EU-Kommission aber in der aggressiven Außenpolitik Russlands. Es gebe keine europäische Politik, die den Konflikt mit irgendjemandem suche, sagte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini am Mittwoch in Brüssel. Das könne auch nicht als Vorwand benutzt werden, um Völkerrecht zu brechen, betonte sie in Hinblick auf die russische Annexion der Krim. Dass die EU-Nachbarschaftspolitik im Fall der Ukraine „naiv“gewesen sei, wollte Mogherini nicht gelten lassen. Selbstkritik gehöre dazu, die EU solle aber auch nicht zu kritisch mit ihrer Vergangenheit umgehen.
In diesem Sinne soll nun die Nachbarschaftspolitik überprüft werden. Mehrere Monate werde das Vorhaben in Anspruch nehmen, ein Ergebnis werde frühestens Anfang Oktober erwartet, berichtete der österreichische EU-Kommissar Jo- hannes Hahn, zuständig für Nachbarschaftspolitik.
Sowohl Mitgliedsstaaten als auch Partnerländer hätten bereits signalisiert, dass sie Änderungen für notwendig hielten, sagte Hahn. Nicht zuletzt deshalb, weil sich sowohl in den östlichen als auch in den südlichen Nachbarländern in Nordafrika die Lage in den vergangenen Jahren zum Teil stark geändert hat. Dort sind Krisen aufgetreten. „Die Nachbarschaftspolitik war nicht immer in der Lage, angemessene Antwor- ten auf die aktuellen Entwicklungen zu liefern“, gestand Hahn am Mittwoch in Brüssel.
Bei der Revision der eigenen Strategie gehe es deshalb auch darum, dass man in Zukunft flexibler reagieren könne. Grundsätzlich setzt Hahn auf mehr Differenzierung in der Nachbarschaftspolitik: Nicht alle Länder wollten eine gleich enge Partnerschaft mit der EU; nicht mit allen müsse man in sämtlichen Bereichen zusammenarbeiten.
Inhaltlich lag der Schwerpunkt der Nachbarschaftspolitik in der Vergangenheit vor allem auf Handel und Mobilität. In Zukunft solle er verstärkt auf Energieversorgung und -sicherheit liegen, kündigte Hahn an. Insgesamt bleibt der Themenkomplex, den sein Portfolio umfasst, extrem weitläufig. „Von Energiesicherheit zu Migration, von Handel bis Terrorismus. Wir müssen zusammenarbeiten bei den großen Herausforderungen, die sich uns allen stellen“, kündigte der österreichische EU-Kommissar an.
In den meisten Bereichen ist dafür nicht nur Hahns Kabinett zuständig. Etwa beim Thema Migration, das in die Verantwortung von Kommissar Dimitris Avramopoulos fällt. Der Grieche treibt derzeit die Neuausrichtung der Migrationspolitik voran, die neue Strategie der Kommission soll bereits Mitte Mai vorgestellt werden. Die Grundzüge sind bekannt: Die illegale Einreise nach Europa wird bekämpft. Gleichzeitig sollen legale Möglichkeiten der Immigration geschaffen werden. Besonders streng will die EU gegen Schlepper vorgehen.
„Müssen auf Krisen flexibel reagieren.“