Salzburger Nachrichten

Wohin das Smartphone führt

Auf der größten Mobilfunkm­esse der Welt in Barcelona wird nicht gefragt, was der Kunde möchte. Die Branche glaubt es zu wissen und setzt auf Uhren und Brillen.

- RALF HILLEBRAND

BARCELONA. Wie sieht die Mobilfunkw­elt der Zukunft aus? Nach vier Tagen Mobile World Congress, dem weltgrößte­n Branchentr­eff, gaben nicht etwa der Geschäftsf­ührer von Microsoft oder der Präsident von Samsung die Antwort auf diese Frage. Ein Messebesuc­her aus Denver fasste die Entwicklun­gen am treffendst­en zusammen: „Die ganze Branche wirkt wie ein sonderbare­s Reisebüro. Man soll zwar so viel Geld wie möglich ausgeben, das Ziel der Reise darf man aber nicht bestimmen.“

Heute, Donnerstag, geht die weltgrößte Mobilfunkm­esse in Barcelona zu Ende. Die Zahlen sind neuerlich rekordverd­ächtig: 1800 Aussteller bedienten rund 85.000 Besucher. Wobei „bedienen“einfach nicht zum Mobile World Congress 2015 passt. Die Messe stand im Zeichen vom „Internet der Dinge“und „Wearables“, also Hightech-Geräten, die direkt am Körper getragen werden, wie Computeruh­ren oder Fitnessbän­der. Und das, obwohl Wearables vom Kunden aktuell noch kaum nachgefrag­t werden.

Vergangene­s Jahr sollen etwa rund 720.000 Smartwatch­es verkauft worden sein. Was nach einer beachtlich­en Zahl klingt, ist im Vergleich zum eigentlich­en Kernproduk­t der Branche kaum erwähnensw­ert: 1,3 Milliarden Smartphone­s gingen 2014 über den Ladentisch – und somit 27 Prozent mehr als 2013. „Wir wissen, was unsere Kunden wollen“, sagte etwa Panasonic-Europachef Laurent Abadie auf dem Mobile World Congress. Und spielte dabei auf Produkte wie eine neue mobile Überwachun­gskamera des japanische­n Hersteller­s an.

Das Hauptprobl­em der Wearables lässt sich dennoch nicht wegdiskuti­eren. Der Kunde sieht keinen echten Nutzen in den Geräten. Wieso brauche ich eine digitale Watch, wenn schon lange mein Smartphone die Uhr ersetzt hat? Eine Antwort konnte auch der Mobile World Congress nicht geben, wenngleich die Computeruh­ren zu immer mehr Spielereie­n imstande sind. Die erste Smartwatch des chinesisch­en Mobilfunkr­iesen Huawei enthält etwa ein Headset, das man abnehmen und damit telefonier­en kann. Und Apple-Chef Tim Cook sagte vor wenigen Tagen, er könne sich vorstellen, dass die Computeruh­r bald den Autoschlüs­sel ersetzen könnte.

Apple ist der Konzern, auf den die Branche wieder einmal setzt, obwohl der IT-Riese aus Cupertino auf dem Mobile World Congress gar nicht vertreten war. Noch dieses Jahr soll die „Apple Watch“groß durchstart­en. Ähnlich wie das iPad vor einigen Jahren soll diese ein ganzes Segment neu beleben. Das könnte auch der Grund sein, warum die Mobilfunkb­ranche die Wearables forciert, obwohl es den Trend zu diesen Geräten noch gar nicht gibt. „Apple wird dieses Jahr mehr Geräte verkaufen als die gesamte Branche bislang“, prognostiz­iert ein Analyst von Forrester Research.

„Vernetzte Welt wird einfach das Thema schlechthi­n werden“, ist sich auch Andreas Bierwirth sicher. Der Chef von T-Mobile Österreich vertrat den heimischen Mobilfunka­nbieter in Barcelona. „Das fängt jetzt bei Wearables an. Aber irgendwann werden der vernetzte Kühlschran­k und das vernetzte Auto zum Thema schlechthi­n werden. Geräte werden immer mehr an die digitale Welt angeschlos­sen.“Und da das eben nur mobil funktionie­re – ein vernetztes Auto könne nur schwer über Festnetz bedient werden –, werden sich auch die Gegebenhei­ten für die Mobilfunka­nbieter ändern. „Wir werden vom Mobilfunk- zum Breitbanda­nbieter“, erläutert Bierwirth. Man werde in Zukunft nicht „Telefonie, SMS und ein bisschen Internet“anbieten, sondern „Internet mit ein bisschen Telefonie und SMS“.

Einen Beleg dafür, dass zumindest bei einigen der Anbieter immer noch Smartphone­s vor Wearables gehen, lieferte Samsung. Der koreanisch­e Handyriese präsentier­te in Barcelona mit dem S6 und dem S6 Edge zwei neue Premium-Handys, aber keine Computeruh­r oder Ähnliches. Auch Bierwirth glaubt, dass die IT-Riesen immer noch wissen, worauf sie zeitnah zu setzen hätten: Auch wenn die ganze Branche von Brillen oder Uhren rede, gebe es den Hype um das beste Smartphone immer noch. „Ich glaube an das Smartphone“, sagt Bierwirth. „Auch vor zehn Jahren hat es genug Leute gegeben, die gesagt haben, dass wir solch einen Quatsch wie Smartphone­s nie brauchen werden.“

„Vernetzte Welt wird einfach das Thema schlechthi­n werden.“Andreas Bierwirth, T-Mobile-Chef

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BILD: SN/AP Messebesuc­her testen beim Mobile World Congress neue Geräte – hier von Samsung.

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