„Du musst kein Schwein sein“: Neudefinition des Unternehmertums
Jeder Bürger kann heute seine „Ideenkinder“auf die Welt bringen und damit eine neue, bessere Ökonomie bauen.
Günter Faltin ist keiner von denen, die Wasser predigen und Wein trinken: Der mittlerweile 70-jährige Universitätsprofessor hat selbst mehrere Unternehmen gegründet, darunter die Teekampagne, und er coacht junge Gründerinnen und Gründer. Er lebt somit, was er lehrt, und verstößt gerne gegen Konventionen. Mit seinem neuen Buch „Wir sind das Kapital“(Murmann Verlag) sprengt er die Grenzen seines Fachs Entrepreneurship, das zur Betriebswirtschaftslehre gehört: Es ist philosophisch und konsumkritisch und ruft dazu auf, Wirtschaft und Gesellschaft durch unternehmerische Initiative neu zu gestalten. Faltin prägt den Begriff „Citizen Entrepreneurship“und vertritt die These, dass jeder Mensch schöpferische Kraft in sich trage und ein „Agent des Wandels“werden könne: „Wir haben die Chance, eine bessere Welt zu bauen. Liebevoller, witziger, feinfühliger und künstlerischer, als es je zuvor möglich gewesen ist.“
Faltin weiß genau, was es braucht, ein gutes, funktionierendes Geschäftsmodell zu entwickeln. Er erzählt die Geschichte eines Kaminbauers im Ruhrgebiet, dessen Geschäft nicht mehr läuft und der schon ans Aufgeben denkt. Im Gespräch mit Freunden stößt er auf die Idee, dass für viele Menschen Holz zu schlägern und zu Brennholz zu machen eine exotische und damit interessante Erfahrung wäre. Zuerst organisiert der Kaminbauer Ausflüge in den Wald, bei denen Männer und Frauen Spaß daran finden, Schadholz aufzuarbeiten. Später organisiert er sogar Profi-Trips in schwedische Wälder, wo richtige Bäume geschlägert werden können. Der Mittelständler hat mit dieser Ergänzung eine neue Basis gefunden.
Der Professor nimmt die Angst vor dem großen Wort Innovation, zeigt Wege auf, wie aus den ersten rohen Ideen reife Geschäftskonzepte geschmiedet werden können, und entzaubert den Begriff des Unternehmers, der gerne als hemdsärmelig, skrupellos und mit Ellbogentechnik ausgestattet gesehen wird: Dieses Unternehmertum im alten Sinn sei heute, wo der Zugang zu Wissen recht einfach geworden sei und neue Möglichkeiten der Co-Creation und Delegation vorhanden seien, nicht mehr zeitgemäß. Faltin plädiert für Gewinne, aber gegen Gewinnmaximierung („Du musst kein Schwein sein“) und insgesamt für faire Produkte – auch fair gegenüber den Konsumenten: Viele Aktivitäten machten Produkte und Dienstleistungen heutzutage unnötig teuer und komplex. Vor allem kritisiert er das Marketing: „Es ist nicht einzusehen, warum Konsumenten für die Kosten, die zu ihrer Manipulation entstehen, aufkommen sollen.“