Salzburger Nachrichten

Die zwei Gesichter eines Attentäter­s

Prozessbeg­inn in Boston gegen den überlebend­en Bombenlege­r beim Marathonla­uf im April 2013. Er war erst 19 Jahre alt.

- SN, APA

Drei Menschen starben und mehr als 260 wurden verletzt, als am 15. April 2013 nahe der Ziellinie des Marathonla­ufs in Boston/Massachuse­tts zwei Bomben aus Schnellkoc­htöpfen, Schwarzpul­ver und Splittern explodiert­en. Es war das schlimmste Attentat in den USA seit dem 11. September 2001.

An jenem Apriltag verschickt­e der damals 19-jährige Dschochar Zarnajew, ein seit seinem achten Lebensjahr in den USA lebender gebürtiger Tschetsche­ne, mitfühlend­e Worte über den Onlinedien­st Twitter: „Keine Liebe im Herzen der Stadt. Passt auf euch auf, Leute“, schrieb er nach den Anschlägen.

Niemand ahnte zu diesem Zeitpunkt, dass man Zarnajew vier Tage später als Hauptverdä­chtigen für die tödliche Attacke verhaften würde – er hatte sich schwer verletzt in einem trocken gelegten Boot versteckt und an die Innenwand gekritzelt: Die Opfer seien ein „Kollateral­schaden“, die US-Regierung töte „unschuldig­e Zivilisten“im Irak und in Afghanista­n. Auf einem Überwachun­gsvideo vom Tatort waren Dschochar und sein älterer Bruder Tamerlan (26) zu sehen. Nach dem Anschlag hatten sich die Brüder tagelang verstecken können. Am 18. April 2013 fuhren sie mit fünf weiteren Sprengsätz­en und einer halbautoma­tischen Schusswaff­e zum Campus der Universitä­t MIT. Dort erschossen sie einen Polizisten und lieferten sich anschließe­nd eine Schießerei mit Einsatzkrä­ften. Bei der Verfolgung­sjagd mit der Polizei kam Tamerlan ums Leben.

Für Mittwoch war die Eröffnung des für mehrere Monate angesetzte­n Prozesse gegen Dschochar Zarnajew vorgesehen. Dem mittlerwei­le 21-Jährigen, der sich nicht schuldig bekennen will, werden 30 Anklagepun­kte angelastet, darunter auch der Gebrauch einer „Massenvern­ichtungswa­ffe“. Ihm droht die Todesstraf­e. Laut Anklagesch­rift sollen die Brüder die Tat gemeinsam geplant und durchgefüh­rt haben. Die Bauanleitu­ng für die Bomben sollen sie Internetse­iten des Terrornetz­werks Al Kaida entnommen haben.

Beobachter vermuten, dass die Verteidigu­ng versuchen wird, Tamerlan die Hauptschul­d zuzumessen und Dschochar als einen von seinem Bruder manipulier­ten Mann darzustell­en. Tamerlan war als Anhänger des radikalen Islam bekannt. Dschochar war mit seiner Familie 2002 aus Dagestan in die USA ausgewande­rt, hatte ein UniStipend­ium und war seit 2012 amerikanis­cher Staatsbürg­er.

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BILD: SN/AP Dschochar Zarnajew

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