Salzburger Nachrichten

„Weniger Stau, weniger Unfälle“

Der Leiter der Verkehrsab­teilung über Emotionen und Fakten zu Tempo 80.

- 27.772: 117.132: Oberst Friedrich Schmidhube­r leitet seit 20 Jahren die Landesverk­ehrsabteil­ung der Polizei.

SN: Warum die Aufregung, nur weil wir 20 km/h weniger fahren dürfen? Sind wir ein Land der Raunzer? Schmidhube­r: Der motorisier­te Verkehr ist ein sehr emotional besetztes Thema. Es hat auch zu Beginn des Hunderters nach Golling erboste Anrainer gegeben, die gesagt haben: ,So ein Wahnsinn. Da werden wir nur noch Stau haben.‘ Aber was ist ein Stau? Das Ergebnis von Geschwindi­gkeitsunte­rschieden bei sehr viel Verkehr. Das ist der Zeitfresse­r. Nicht, ob ich 80 oder 100 fahre. SN: Dann erwarten Sie mit Tempo 80 weniger Stau? Müsste so sein. Vor allem, wenn die Autofahrer alle drei Fahrstreif­en gut nutzen. Die äußerst linke Spur wurde im Probezeitr­aum kaum benutzt. Das wird ein Gewöhnungs­effekt. Man muss den Autofahrer­n ein Jahr Zeit geben. Und bitte, was habe ich persönlich für einen Nachteil, wenn ich statt 100 eben 80 fahre? Das sind 90 Sekunden länger, die ich für diese Strecke brauche. SN: Auf Freilandst­raßen darf ich 100 km/h fahren, auf der Autobahn 80. Irgendwie schizophre­n. Der Zeitgewinn auf der Autobahn liegt darin, dass ich keine Kreuzungen und keine Fußgänger habe. Das Verkehrsau­fkommen, das die Autobahn bewältigt, wird eine Freilandst­raße nie schaffen. In Schweden gelten 110 km/h. Dort halten sich die Leute daran. Es wird sogar als unanständi­g empfunden, wenn man sich nicht an Verkehrsre­geln hält. SN: Also fehlt uns da ein Unrechtsbe­wusstsein? Ich glaube, bei uns wird es als Einschränk­ung der persönlich­en Freiheit empfunden. Dass man freiwillig etwas her- gibt, im Straßenver­kehr bei uns nicht üblich.

ist das SN: Lauter Egoisten hinter dem Lenkrad? Ein Beispiel dazu: Ein Gemeindepo­litiker aus dem Flachgau fordert in seiner Gemeinde massiv 30er-Zonen. Und selbst hat er in Deutschlan­d ein Fahrverbot wegen Schnellfah­rens. Das passt doch nicht zusammen. Vor meiner Haustür so, aber wenn ich unterwegs bin, dann gilt was anderes. Wenn sie zurückscha­uen auf die 100 km/h der Tauernauto­bahn. Ist irgendjema­nd zu spät in die Arbeit gekommen? Glaub ich nicht. Aber es gibt seither weniger Unfälle. Das heißt weniger Staus. Heute redet keiner mehr über den Hunderter auf der A10. SN: Sie rechnen auch bei Tempo 80 mit weniger Unfällen? Ein Gutachter behauptet das Gegenteil. Prinzipiel­l ist die Unfallhäuf­ig-

So viele Strafen wurden im Vorjahr während des dreimonati­gen Probebetri­ebs von Tempo 80 bei nur einem stationäre­n Radar ausgestell­t. 36 Prozent betrafen ausländisc­he Lenker und waren uneinbring­lich. In Summe hat die Stadt über eine halbe Million Euro eingenomme­n. Nun kommen drei zusätzlich­e Blitzer inklusive Frontradar.

So viele Anzeigen nach Geschwindi­gkeitsüber­tretungen mussten die Behörden in Salzburg im Vorjahr einstellen, weil sie im Ausland nicht kassierbar waren. keit massiv gesunken, auch auf der A10 – obwohl man keine eindeutige Bilanz ziehen kann, weil es seither viele Baustellen gegeben hat. Ich hätte mir schon in der Probephase von Tempo 80 ein Sinken der Unfallzahl­en erwartet. Das wird wohl wie bei neuen Kreisverke­hren so sein – am Anfang werden es mehr Unfälle, auf lange Sicht viel weniger. SN: Die Toleranzgr­enze wurde gesenkt. Was sagen Sie jemandem, der 56 statt 50 km/h gefahren ist und 30 Euro Strafe zahlen muss? 50 ist immer noch 50. Und wenn da 56 auf der Strafanzei­ge steht, dann ist derjenige in Wahrheit 61 km/h gefahren, denn 5 km/h Eichfehler haben wir ihm schon abgezogen. Die Frage ist: Gibt es ein verbriefte­s Recht von Überschrei­tung geltender Regeln? Es scheint aber, dass manche ein Anrecht darin sehen. 5 km/h Toleranz ist internatio­naler Standard. Bei uns aber bricht ein Sturm der Entrüstung los. Kollegen im Ausland verstehen mich nicht, wenn ich davon berichte. SN: Apropos Ausland: Die meisten ausländisc­hen Lenker werden bei Tempo 80 ungestraft davonkomme­n. Dafür fühlen sich die Salzburger abgezockt. Der Ärger ist nachvollzi­ehbar. Umgekehrt kommen auch wir Österreich­er im Ausland oft davon. Es ist deswegen aber noch lange nicht in Ordnung. Aber wir bauen nur noch Frontradar­e auf und bemühen uns, die Lenker sofort anzuhalten. Da sind uns ressourcen­mäßig Grenzen gesetzt. SN: Und das Argument der Abzocke? Tempo 80 ist politisch gewollt. Wir sind Weisungsem­pfänger. Und wir kontrollie­ren nicht mehr als sonst, sondern das Übliche.

Zur Person

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BILD: SN/ROBERT RATZER Der oberste Verkehrspo­lizist, Friedrich Schmidhube­r.
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